Montag, 18. Januar 2010

Peter Doherty, Paris, 18.01.10


Konzert: Peter Doherty

Ort: La Flèche d'or, Paris

Datum: 18.01.2010
Zuschauer: ausverkauft (complet), also gut 500
Konzertdauer: 100 Minuten



Tumultartige Zustände vor der Pariser Flèche d'or. Was war denn hier los? War Ian Curtis etwa wie Phoenix aus der Asche aufgestanden, um mir mit seiner Band endlich ein nie erlebtes Konzert von Joy Division zu bieten? Nö, er hätte dann wohl eher in Macclesfield bei Manchester gespielt, wo seine sterblichen Überreste 1980 im Krematorium verbrannt wurden. Oder waren die Leute für Jim "The Doors" Morrison gekommen? Auch nicht! Dessen Leichnam liegt zwar ganz in der Nähe der Flèche d'or auf dem Friedhof Père Lachaise, aber auch Jimmi hatte keinen Bock auf ein postmortales Comeback.

Nein, heute ging es vielmehr um das Begaffen eines noch lebenden Musikers, der, glaubt man dem Musikexpress, allerdings Ende letzten Jahres fast tot war. Die Rede ist natürlich von Peter Doherty, der in Paris ähnlich beliebt ist wie Nationalheiligtum Serge Gainsbourg. Die Franzosen lieben diese zerissenen Typen, diese versoffenen oder drogenabhängigen Künstler, die mit dickem Brummschädel und notorischer Kippe in der Fresse, Verse in ein versifftes Notizbuch kritzeln. Wenn dann noch der Look stimmt wie bei Serge und Peter, werden sie ziemlich schnell als Genies verehrt und Poeten genannt. Doherty sei eine Art Rimbaud oder Oscar Wilde diktierte eine junge Französin den in Scharen angereisten Journalisten vor der Tür in die Aufnahme- Geräte. Wenn ihr mich fragt: Was für ein Blödsinn! Weder Serge Gainsbourg, der im Moment wieder im Rampenlicht steht, weil ein Film über sein Leben in die Kinos gekommen ist, noch Peter Doherty sind (bzw. im Falle von Serge waren) Genies. Talentierte Künstler, die trotz ihres ungesunden Lebensstils noch in der Lage waren, gute Songs zu schreiben, ja, geniale Musiker, nein. Wenn Peter es schafft, trotz durchzechter Nächte mal ein Buch von Oscar Wilde in die Hand zu nehmen, ist das löblich, aber deshalb ist er doch noch kein Poet! Es reicht nicht, ein Lied zu schreiben, daß Salomé heißt, um auf einer Stufe mit Wilde zu stehen. Und ein bißchen Bildung sollte man ja wohl von Musikern erwarten, es kann ja schließlich nicht jeder so gaga sein, wie eine Lady, die diesen Namen trägt.

Dennoch, der Rummel um Peter war heute wieder einmal riesig. Die Aussicht, den britischen Musiker in einem recht kleinen Club zum Spottpreis von 8 Euro zu sehen, verleitete viele junge Menschen, bereits um 16 Uhr vor dem Laden in der rue de bagnolet Schlange zu stehen und sich den Arsch abzufrieren. Meiner einer ging an die Sache gelassener ran, schließlich bin ich ja auch keine 19 mehr, sondern genau doppelt so alt! Da kommt man dann eben um 21 Uhr, wenn das Konzert für 21 Uhr 30 angekündigt ist. Soll ich etwa schon mittags mit einem Schlafsack antanzen und vor der Flèche d'or pennen, bis es losgeht? Nö! Aber Gelassenheit hat seinen Preis und der belief sich im konkreten Falle auf 50 Euro (!) pro Karte. Soviel wollten zumindest Schwarzhändler für ihre Papierzettel haben. Hätte ich natürlich nie ausgegeben, aber das Problem stellte sich auch gar nicht, denn die Eingangstüren zur Flèche d'or waren schlicht und einfach verrammelt. Niemand kam hier mehr rein, da hätte einem die Eintrittskarte auch nicht geholfen. Eine Mischung aus Zweckoptimismus und Neugier ließ mich aber zusammen mit meiner Frau noch etwa 45 Minuten vor dem Laden ausharren. Irgendwie war es ja auch ganz lustig, den Leute zuzusehen, wie sich noch letzte Hoffnungen machten, doch noch irgendwie reinzukommen. Ein paar ganz freche Zeitgenossen kletterten sogar über die Absperrung und gelangten so in das vorgelagerte Café der Flèche d'or, von wo aus man dann anschließend in den Konzertssal gehen kann. Das Unterfangen war aber nicht ganz ohne Risiko, denn neben der Sturzgefahr hatte man auch noch das Problem, daß die Ordner drinnen aufpassten wie die Schießhunde. Ein Mädel, dem es auf akrobatische Weise gelungen war, über den Zaun ins Café zu klettern, wurde kurzerhand durch die Hintertür wieder hinausbugsiert und zwar nicht gerade sanft!

Irgendwann wurde es uns zu bunt und wir beschlossen, Leine zu ziehen und nach Hause zu fahren.
Dann aber sahen wir plötzlich hysterische Leute die Straße runterlaufen. Ein Taxi hielt an. Wer war drin? Klar, der Peter! De Prinz kütt, hätte man auf kölsch gesagt. Der Sänger hatte schon fast eine halbe Stunde Verspätung und bahnte sich nun mit Hilfe von bulligen Ordnern den Weg durch die Massen, um durch besagte Hintertür in den Club zu gelangen. Leicht fiel ihm das nicht, denn aufgebrachte Fans und sensationsgierige Journalisten wollten alle was von ihm. Das arme (lange) Würstchen Pete Doherty, es konnte einem fast Leid tun! Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt: Wir kamen nicht rein und alle anderen, die noch vor der Türe lungerten, ebenfalls nicht. Peter spielte tatsächlich*, so viel wurde uns noch von Freunden per SMs mitgeteilt, die das (zweifelhafte) Vergnügen hatten, zwischen unzähligen schwitzenden Menschen zu stehen und das Konzert zu verfolgen. Vielleicht berichten uns Mathilde oder Rockerparis ja auch noch wie es war? Ich denke die Setlist werden wir bald von ihnen bekommen und Teufelskerl Angelo Misterioso hat dann sicherlich auch ein oder zwei Videos auf seinem Blog für Euch...

Setlist, Peter Doherty, La Flèche d'or (merci à Rockerparis!):

01: Can't Stand Me Now
02: There She Goes
03: Delivery
04: Beg Steal Or Borrow
05: For Lovers
06: Arcady
07: Time For Heroes
08: Pipey Magraw
09: You Talk
10: Unbilo Titled
11: What A Waster
12: Baddies Boogie
13: Music When The lights Go Out
14: Bucket Shop
15: Salome
16: Sheepskin Tearaway
17: What Katie Did
18: Fuck Forever
19: Albion
20: You're My Waterloo
21: Hoologans On E
22: Carry On Up The Morning
23: Last Of The English Roses
24: New Love Grows On Trees
25: I Love You (But Your're Green)


- Read an english review of this show @ Rockerparis.
- Lire une chronique détaillée de ce concert sur Libération.
- Great pictures, Pete Doherty @ La Flèche d'or by Robert Gil and Rod le-hiboo.com
- Livevideo von Rockerparis. Peter Doherty live @ La Flèche d'or, Paris, Can't Stand Me Now. Prima Stimmung! Klick!
- Andere Videos von diesem Konzert (thanks to Madame Mime):

- Fuck Forever
- Sheepskin Tearaway & What Katie Did
- I Love You But You're Green

Aus unserem Archiv:

Pete Doherty, Paris, 05.10.09
Pete Doherty, Berlin, 07.08.09
Pete Doherty, Paris, 10.03.09
Pete Doherty, Paris, 09.03.09 (ausführlicher)
Pete Doherty
, Paris, 09.03.09
Pete Doherty, Paris, 28.11.08
Pete Doherty, Paris, 05.06.08

Babyshambles, Montreux, 15.07.08
Babyshambles, Paris, 04.02.08
Babyshambles, Köln, 22.01.08
Babyshambles, Paris, 14.01.08
Babyshambles, Paris, 18.10.07
Babyshambles, Paris, 14.11.06

* und startete mit Can't Stand Me Now




9 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

Ben alors, Oliver si tu étais arrivé a l' heure tu aurais pu entrer sans probleme !
merci pour le lien

Oliver Peel hat gesagt…

Mais c'était quand à l'heure? 19 heure?

Anonym hat gesagt…

on est entré a 19h45 avec Mathilde et candice.

E. hat gesagt…

"zu viel lärm um nichts."

Oliver Peel hat gesagt…

Na, na,na, Eike, das möchte ich überlesen haben! Als Fan von Peter muß ich widersprechen, seine Konzerte sind in den meisten Fällen gut und stimmungsvoll und keineswegs als "nichts" zu bezeichnen, selbst wenn der Rummel absurd erscheint.

Und was weißt du überhaupt von der Materie? In Deinem oberbayrischen Kaff hat sich Mister Doherty doch noch nie blicken lassen!

E. hat gesagt…

na, ich meine das schon ernst, oliver. dabei spielt keine rolle, dass ich schätze, was doherty musikalisch drauf hat. dein bericht ist eine art society report und das fand ich überflüssig. hättest du eine glosse geschrieben, wäre es etwas anderes. aber jemanden, der sein krankes leben offen zur schau stellt, armes würstchen zu nennen, weil er von gaffern bestaunt werden will, ist unpassend.

E. hat gesagt…

meine oberbayerische provinz, ich vergaß, hat schon einige besondere gesichter gesehen. dass doherty nicht darunter war, muss ich zweifelsohne zugeben. ich hatte ihn aber auch nicht eingeladen.

Oliver Peel hat gesagt…

Ach jetzt verstehe ich das erst. Der Spruch: " Zu viel Lärm um nichts", sollte eine Kritik an meinem Bericht sein. Und ich dachte, Du hättest bemängelt, daß die Leute, also die Fans, zu viel Rummel um einen nach deiner Ansicht talentlosen Künstler machen.

Wenn Du Dich nicht immer so nebulös ausdrücken würdest, könnte ich leichter kapieren, was Du meinst, Eike!

Mein Bericht ein Society Report? Was ist das? Ich habe beschrieben, was sich an jenem Tag vor der Flèche d'or abgespielt hat, das ist alles. Wenn Du das überflüssig findest, brauchst Du es nicht zu lesen. Ich verweise da auf den Spruch, den Du neulich gebracht hast: " Das Konzerttagebuch ist mein privates Poesiealbum", da schreibe ich rein, worauf ich gerade Bock habe. Außerdem weiß ich bei Peter, wovon ich spreche, ich habe ihn zehnmal live auf der Bühne gesehen.

Eine Glosse schreiben? Du überschätzt wohl meine schreiberischen Fähigkeiten! Ich weiß nicht, wie so etwas geht! Da müßtest Du vielleicht mal ran, ich traue mir das nicht zu.

Außerdem stellt Peter nicht sein krankes Leben zur Schau. Er kommt, gibt ein Konzert und geht wieder. Das ist alles.

Daß Leute erscheinen, die ausschließlich kommen, um ihn zu begaffen, ist ja gerade das Problem. Das genau kritisiere ich in meinem Bericht. Die Sensationslust von Leuten, denen die Musik von Peter egal ist. Bei mir ist das nicht so, ich mag seine Musik sehr, habe sein Album und die beiden Babyshambles und Libertines zig mal gehört.

Ich würde ihn gerne einladen! Warum Du nicht? Wenn Du doch offensichtlich schätzt, was er musikalisch drauf hat?!

E. hat gesagt…

hier fehlt definitiv noch eine replik.
du schreibst, was du willst. logo. und über wen du willst. auch klar. und wer nicht lesen will, was und über wen du schreibst, der liest einfach weg. ok.
ist aber nicht ganz so einfach. denn das bekundete interesse an deinem blog verlangt auch den blick auf solche notizen.
dass sie ungewöhnlich sind im ansonsten fein getunten konzertberichtepark, steht doch außer frage. der leser erhält in der regel eine review. einen artikel, der sich nur mit den absonderlichkeiten der prominenz beschäftigt, ist also neu und außerhalb des gängigen. so weit. die brisanz entstand nun lediglich daraus, dass ich denke, dass jemand wie doherty sehr wohl diese art von rummel provoziert. er lebt davon und übt auf diese billige art und weise eine marketingstrategie aus, die ich nur mißbilligen kann. ein gros der konzertbesucher tritt an, weil es auf skandale, un- und ausfälle hofft. ich sah diese m.e. bedenkenswerte symbiose zwischen künstler und publikum durch deinen artikel unterstützt. nicht mehr.

 

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