Samstag, 2. Januar 2010

My Year in Lists: die 10 besten Konzertfotos des Jahrs 2009 (Oliver Peel)



Als Fotografen würde ich mich keinesfalls bezeichnen, dafür fehlen mir ganz einfach sämtliche technischen Kenntnisse und auch ein guter Apparat. Statt mit einer teuren Spiegelreflex knipse ich mit einer mittelgroßen Lumix von Panasonic, die man für ungefähr 380 Euro (oder weniger) überall kaufen kann. Mit dem Teil kommt man in 99 % der Fälle auch ohne speziellen Fotopass
rein und man schleppt kaum Gewicht mit sich rum.

Trotz meiner amateurhaften Ausstattung und ganz ohne Fotokurs und Photoshop sind meine Konzertfotos bei Flickr sehr beliebt (warum auch immer). Inzwischen habe ich auf meiner Seite fast 30 000 Schüsse veröffentlicht, die fast 1,2 Millionen mal angesehen und von anderen Mitgliedern 1466 mal als Favorit gekennzeichnet wurden. Ein Beleg dafür, daß man nicht unbedingt gleich eine Ausrüstung für 2000 Euro und teure Objektive braucht, um Interesse zu wecken. Ein gutes Auge ist oft wichtiger...


Nach wie vor wundert es mich aber, daß Musikmagzine meine Fotos veröffentlichen. Inzwischen waren meine Schnappschüsse bereits 8 mal in der französischen Postille Les Inrockuptibles, 2 mal in Volume, 1 mal in Technikart, 1 mal im französichen Rolling Stone, 1 mal im amerikanischen Spin, 1 mal im amerikanischen Luckymagazin etc...

Von 40 Künstlerprofilen bei Myspace ist mir bekannt, daß sich dort Fotos von mir tummeln, die ich von den jeweiligen Acts geschossen habe.

Aber nun Schluß mit der prahlerischen Auflisterei und Augenmerk auf meine persönlichen Favoriten des Konzertjahres 2009, die natürlich keineswegs technisch brillant sind, mir aber dennoch aus dem ein oder anderen Grund gefallen. Euch auch?

10: Coeur de Pirate (Béatrice Martin), La Boule Noire, Paris

Aus mir unerklärlichen Gründen knipse ich lieber Frauen als Männer ab. Ich will sogar nicht verhehlen, daß im Falle der Kanadierin Béatrice Martin, die unter dem Pseudonym Coeur de Pirate firmiert, auch ihr niedliches Aussehen eine Triebfeder für mein Erscheinen war. Und wer kann diesem zuckersüßen Lächeln schon widerstehen? Ich nicht! Bei der Bewertung ihres Konzertes hat das dennoch nicht geholfen, denn ich fand das Ganze zu zahm und musikalisch nicht wirklich überzeugend.

09: Ricky Wilson (Kaiser Chiefs), Olympia, Paris:

Männer mit Tatendrang habe ich auch gerne vor der Linse. Ricky Wilson von den Kaiser Chiefs ist einer der wildesten Hunde der Szene, der verausgabt sich immer völlig und riskiert in halsbrecherischen Aktionen oft seine Gesundheit. Das Foto, das ich im Olympia von ihm geschossen habe, zeigt ihn in einer eher ungefährlichen Szene. Ich mag es vor allem wegen der Blautöne, dem weit aufgerissenen Mund und der Bewegung, die im Oberkörper stattfindet.


08: St. Vincent, La Maroquinerie, Paris

Annie Clark aka St. Vincent ist eine der bezaubernsten Musikerinnen der Indieszene. Ihre Gesichtszüge sind so fein, als hätte sie ein französischer Hofmaler idealisiert dargestellt. Aber sie sieht wirklich so entzückend aus und wenn sie lächelt, schmilzt man(n) dahin. Aber Vorsicht: die Frau hat auch Feuer unter dem schmalen Hintern! Einige Passagen ihrer Konzerte sind regelrecht noisig und ich bin sicher, daß sie in den nächsten Jahren auch als glänzende Musikerin stärker wahrgenommen wird. In den USA kam sie mit ihrem aktuellen Album schon auf vordere Plätze in den Jahresbestenlisten.

07: Anna Ternheim, Café de la danse, Paris:

Das ausgewählte Foto von Anna Ternheim ist nicht sonderlich scharf und es gibt auch zuviel Rauschen darauf. Ich mag es aber trotzdem, weil man recht deutlich erkennen kann, wie gerührt die sensible Schwedin war. Ihr standen Tränen in den Augen und es fehlte nicht viel, daß ein Tränchen die Wange heruntergekullert wäre. Warum sie so emotional aufgeladen war? Schwer zu sagen. Vielleicht lag es an der euphorischen Resonanz des Publikums auf ihre melancholischen Liedern, vielleicht berührte sie aber auch eine authentische Songzeile besonders, oder aber sie war müde und aufgewühlt vom strapaziösen Touren. Annas Tränen ließen mich jedenfalls nicht kalt und auch die anderen Zuschauer im Café de la danse waren hinterher ganz sentimental drauf...


06: Chris Taylor (Grizzly Bear), Haldern Pop Festival

Die Amerikaner von Grizzly Bear tauchen mit ihrem dritten Album Veckatimest in allen möglichen Jahrescharts ganz vorne auf. Zu Recht, das Album ist zweifelsohne ein filigranes und vielschichtiges Meisterwerk! Die Fotos von den gar nicht so häßlichen Boys werden aber im Internet wie saures Bier gehandelt. Kein Arsch guckt sich die Bilder der Band des Jahres an, stattdessen glotzen Männer lieber Bildchen der seichten Popprinzessin Little Boots und Frauen Schüsse von Peter Doherty oder MGMT. Das muss sich ändern!

05: Alexandra Lawn (Ra Ra Riot), La Flèche d'or, Paris

Mein Gott ist die Cellistin der New Yorker Indiepop Band Ra Ra Riot hübsch! Eine wahre Augenweide! Allerdings wirkte sie ziemlich genervt und hochnäsig und lächelte nie. Irgend etwas muss sie massiv gestört haben, möglicherweise war es der schlechte Sound in der Flèche d'or an jenem Abend. Oder aber Liebeskummer? Wie auch immer, sie agierte gleich vor mir und ich hielt drauf wie so ein Weltmeister! Der Sänger war mir hingegen vollkommen schnuppe. Der gezeigte Schuss war mein wohl bester des Abends. Auffällig ist der muskulöse Unterarm mit den angespannten Adern und das engelsgleiche Gesicht. Sie hat geschlossene Augen, wirkt aber hochkonzentriert und rammt ihre Finger in die Saiten. Alexandra, willst Du mit mir gehen?

04: Chris Urbanowicz (Editors), Le Bataclan,Paris:

Sänger Tom Smith ist der Boss der englischen Editors (bitte nicht The Editors, genausowenig wie The Gossip, ich bin da spießig) und auf ihn sind in der Regel auch alle Spots gerichtet. Gitarrist Chris ist aber auch ein Hingucker, denn er hat sehr feine Züge und eine windschnittige Frisur. Ich finde, daß er in schwarz/weiß besonders gut zur Geltung kommt, schließlich ist ja auch die Musik der Editors ziemlich düster und schwarz. Sein vertäumter Blick erstaunt, man fragt sich, wo er gerade hinguckt. Er spielt sozusagen seine melodischen Riffs im Schlaf. Interessant auch, daß er auf diesem Bild dem jungen Dave Gahan ein wenig ähnelt. Ob das Zufall ist? Schließlich klingt ja auch das neue Album der Editors mehr oder weniger stark nach den Elektro-Pionieren Depeche Mode...

03: Alex Kapranos (Franz Ferdinand), Olympia, Paris:

Noch ein Foto in schwarz/weiß, noch ein Brite. Alex Kapranos führt die Band Franz Ferdinand von Erfolg zu Erfolg, alle drei Alben der Schotten sorgten für Furore und auch ihre Konzerte kommen beim Publikum sehr gut an. Ich persönlich war weniger angetan, hielt die ganze Sache für zu wenig spontan, zu einstudiert. Auf diesem Foto aber sieht man Alex in einer eher untypischen Szene. Er hat die Augen geschlossen, hält inne und scheint in einem hypnotischen Zustand zu sein. An seiner Handbewegung sieht man aber, daß dies nur die Ruhe vor dem Sturm ist, denn bald schon wird er sein Plektron wieder mit Wucht in seine Gitarre jagen und rumhüpfen wie ein Gummiball...

02: Emilie Bera (Amanda Palmer), Divan Du Monde, Paris

Mädchen zieh' Dir doch was an, Du erkältest dich noch! Kein Wunder, daß die Französin Emilie Bera fröstelt, so spärlich wie sie bekleidet ist! Spaß bei Seite, das ist Kunst, gell? Emile sagt selbst von sich: "I'm an actress, a performer, a producer, a theatre teacher, a lover." Und bei der Show der verrückten Amanda Palmer hatte sie auch einen kurzen Auftritt, den die anderen anwesenden Fotografen nicht festgehalten haben, weil sie sich alle auf die Dresden Dolls Sängerin konzentrierten. Das Foto von Emile war Profilbild auf ihrer MySpace Seite. Das habe ich allerdings erst heute erfahren, einen Fotokredit mit meinem Namen hatte die Gute leider nicht vermerkt. Schade...



01: James Hetfield, Metallica, POPB, Paris:

Glotz' nicht so, James, Du machts mir Angst!

Ob mir der Metallica Sänger gleich ein paar auf die Fresse haut? Oder in den Hals beißt? Nö, eher nicht, denn jeder, der den Dokumentarfilm über die Krise der Heavy Metal Band gesehen hat, weiß ja, daß der Kerl zahm wie ein Lamm ist und keiner Fliege etwas zu Leide tut. Drummer Lars Ulrich ist der Giftzwerg, vor dem muss man aufpassen, stimmt's? Ach, auch das ist Unsinn, der Däne ist liebevoller Familenvater und inzwischen so dürr und hager wie nie zuvor. Mein Herz gehört aber James Hetfield, diesem Wüterich mit dem sensiblen Kern. Seine Ausstrahlung ist magisch, seine Energie unübertroffen, seine Stimme sensationell. Seidem ich Some Kind Of Monster gesehen habe, finde ich den alten Headbanger einfach wahnsinnig sympathisch. Herzerweichend wie er über seine Alkoholprobleme spricht, witzig wie er sich mit Lars zofft und cool wie die beiden schließlich den Psychiater abschießen, weil sie die Krise überwunden haben und den Seelenklempner nicht mehr brauchen.

Und psychische Schwierigkeiten hatte James in seinem Leben wahrlich viele zu meistern. Seine Mutter, eine Opernsängerin, starb früh an Krebs, sein Vater, ein LKW Fahrer, ließ die Familie im Stich. Der tragische Tod des früheren Bassisten Cliff Burton erschütterte die ganze Band in ihren Grundfesten und James ging bei einem Gig 1992 in Montreal in Flammen auf und verletzte sich schwer. Dennoch gibt es auch im Jahre 2009 noch plötzlich in die Höhe schießenden Flammen, die wohl beim Heavy Metal mit dazugehören.

Das zweite Foto zeigt James von seiner sensiblen Seite, seine blauen Augen (vor allem das rechte) scheint auf mich gerichtet zu sein, aber das täuscht. Ich war weit entfernt und habe aus der Menge heraus fotografiert. Seinem unglaublichen Charisma konnte ich mich aber nicht entziehen, es erhellte die riesige Halle von Bercy.

Aufgepasst: Schickt uns doch auch Eure Lieblingskonzertfotos, am besten mit einem kleinen Text. Müssen ja auch nicht unbedingt 10 sein. Im Zweifel reicht sogar ein einziges. Alle sind hier willkommen, ganz gleich ob passionierte Amateure (wie ich), oder ambitionierte Profis. Her mit Euren Bilder!



1 Kommentare :

Nelle hat gesagt…

@Oliver:
Also ich habe meine Gossip-mp3s alls als The Gossip getaggt... immerhin hießen die ursprünglich so und nur weil sie irgendwann ihren Artikel gestrichen haben, möchte ich nicht zwei unterschiedliche Schreibweisen in meiner mp3-Kiste haben. Und das nicht nur wegen last.fm. ;-)

Mir gefällt natürlich Bild #10 am besten, was aber vermutlich niemanden überrascht. *g*
Allerdings habe ich von der Dame noch nie gehört. Aber in dieser Kategorie geht es ja auch nicht ums Hören.

 

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