Montag, 12. November 2007

Editors, Noisettes & Los Campesinos!, Paris, 11.11.07


Konzert: Editors, Noisettes & Los Campesinos! (+ Elvis Perkins, Marit Bergman), Festival Les Inrocks
Ort: La Cigale, Paris
Datum: 11.11.2207
Zuschauer: leerer als bei Gossip, totzdem ausverkauft? - Ich denke ja!


Vom Vortag war ich noch ziemlich angegriffen und müde, da ich mir die Nacht zuvor noch sämtliche Auftritte in der Boule Noire angesehen hatte. Ich beschloß deshalb, Marit Bergman sausen zu lassen und erst etwäs später zu erscheinen. Auch das Verpassen des Auftritts von Elvis Perkins hatte ich miteinkalkuliert, da ich ihn vor nicht allzu langer Zeit im Rahmen eines Showcases in der Fnac "unplugged" gehört und gesehen hatte. Als ich gegen 19 Uhr in der Cigale eintraf, war das Konzert von Elvis und seinen zahlreichen Begleitmusikern aber noch in vollem Gange. Im wahrsten Sinne mit Pauken und Trompeten (und Kontrabass) wurde hier und heute richtig Krach gemacht. Ich fühlte mich fast an die Decemberists erinnert und dieses Aufpeppen der Lieder tat dem Gig richtig gut. Das brachte Leben ins Haus und ein Lächeln auf die Gesichter, der Besucher. "Night Without Love" diesen unglaublichen Schmachtfetzen bekam ich glatt auch noch mit und war sehr happy darüber, denn ich liebe diesen Song sehr. Anschließend kam der Sänger der französischen Band Louise Attaque, Gaetan Roussel, mit hinzu und begleitete Elvis auf der Gitarre. Zusammen schmetterten sie das sehr gute "While You Were Sleeping". Anscheinend ist zwischen den beiden Musikern eine weitere Kooperation geplant, so verstand ich zumindest die Kommentare von Herrn Perkins. Französisch-amerikanische Freundschaft sozusagen, sehr begrüßenswert! Monsieur Roussel blieb auch noch zu "Doomsday" auf der Bühne. Danach gab es noch einen abschließenden Song (eine Textstelle lautete: "you can tell my brother") und der bärtige Ami und seine Band ließen sich zurecht feiern. Ich denke, daß Elvis Perkins als Musiker noch unterschätzt ist. Die Musikjournalisten sollten aufhören, über seine familiäre Tragödie zu berichten und sich auf seine überdurchschnittlichen Lieder konzentrieren!

Danach war ich natürlich gespannt, wie mir Los Campesinos! gefallen würden.
Christoph hatte ja schon in höchsten Tönen von den Walisern geschwärmt und somit war meine Erwartungshaltung natürlich recht hoch. Ich wurde letztendlich auch nicht enttäuscht, denn dem ungestümen Charme der gemischten Band kann man sich nur schwerlich entziehen. Passend zu dem französischsprachigen Publikum wurde das Stück "Don't Tell Me To Do The Math(s) nicht wie auf der EP "Sticking Fingers Into Sockets" auf englisch mit "one, two, three, four", sondern mit "un, deux, trois, quatre" angezählt, bevor es langsam startete, aber ein paar Sekunden später mit Karacho weiterging. Zwei junge Mädchen neben mir tanzten auf Anhieb wild dazu ab, aber in der Cigale blieb es trotz dieser flotten Rhythmen leider recht still. Viele Besucher kannten wohl weder Band noch Lieder und guckten lediglich neugierig in Richtung Bühne. Und auf dieser tat sich eine ganze Menge, die drei Mädchen und vier Jungen wirbelten wie der vielzitierte Sack Flöhe über das Parkett und kamen kaum zum Luft holen. Besonders angetan war ich von der hübschen Keyboarderin Aleksandra, die in meiner unmittelbaren Nähe in die Tasten griff. Zuckersüß steuerte sie die Gesangesparts bei und klang dabei wie... die wesentlich schlechter aussehende Kollegin von Architecture in Helsinki! Bloß, daß mir die Waliser besser als die Ausstralier gefallen und dies nicht nur aus rein optischen Aspekten. Ausschlaggebend hierfür ist das postpunkige, rockige Element, welches man bei den Aussies in dieser Form nicht finden kann. Und dann noch der nicht zu leugnende Pavement-Einfluß! Kein Wunder, daß sie ein Lied ("Frontwards") der US-Kultband coverten, das passte stilistisch genau. Denn ebenso wie Stephen Malkmus und Co. schaffen es Los Campesinos! meisterlich, das süßliche Element, was vom Glockenspiel und der Geige (hach Harriet!) stammt, durch schräge Gitarrenriffs zu konterkarieren. Schade, daß dies zumindest heute noch nicht ausreichend gewürdigt wurde. Aber 2008 wird das Jahr der Aufsteiger, davon bin ich fest überzeugt! Erfreulicherweise war zumindest "We Throw Parties, You Throw Knives!" ein paar Leutchen geläufig. Einige staunten nicht schlecht, als in das Lied der Sixties-Klassiker "It's My Party" von Lesley Gore eingefügt wurde ("It's my party and I cry if I want to"). Auch der Hit "You! Me! Dancing!" schien sich bis Paris rumgesprochen zu haben. Wie Christoph das schon vom Brüsseler Konzert beschrieben hatte, turnte Sänger Gareth in der Nähe seines Schlagzeugers rum und trommelte zum langgestreckten Intro auf das Becken ein, bevor er runtersprang und losschrie wie am Spieß. Danach gab's mit "Frontwards" noch das auf der EP enthaltene Pavement-Cover und mit "Sweet Dreams, Sweet Cheeks" war die Party dann auch leider schon vorbei. Los Campesinos! muß man genau im Auge behalten, da kann was draus werden!

Mehr Photos von Los Campesinos!

Setlist Los Campesinos!, Paris, La Cigale, Festival Des Inrocks:

01: Don't Tell Me To Do The Math(s)
02: Broken Heartbeats Sounds Like Breakbeats
03: The International Tweexcore Underground
04: Drop It Doe Eyes
05: We Throw Parties, You Throw Knives
06: It Sarted With A Mixx
07: ?
08: You! Me! Dancing!
09: Frontwards (Pavement Cover)
10: Sweet Dreams, Sweet Cheeks

Nachdem sich die jungen Musiker artig bedankt hatten (der extrem jung aussehende Schlagzeuger klatschte mit nacktem Oberkörper begeistert in die Hände), fiel der rote Vorhang und eine zierliche blonde Frau an der Gitarre klimperte 2 bis 3 folkige Lieder voller Melancholie. Neben mir wollte man wissen, wer die Künstlerin sei. Ich konnte nicht weiterhelfen und fragte den Experten Philippe, dem in Punkto Musikkentnisse niemand das Wasser reichen kann. Laura Marling schrieb er mir auf einen Zettel, den ich weiterreichte und somit die Frage mittels meines (Telefon)- Jokers doch noch beantworten konnte. Die Blondine stammt soweit ich weiß aus England und sie sagte, daß sie demnächst noch öfter in Paris auftreten würde. Ich werde dabei sein!

Desöfteren in Paris aufgetreten sind auch schon die Noisettes. Sängerin Shingai Shoniwa hatte vor einigen Wochen beispielsweise einen wilden und von mir beobachteten Auftritt im szenigen Showcase. Heute trug die Raubkatze zu Beginn gar einen schwarzen, riesengroßen Federschmuck in den Haaren, der seine optische Wirkung nicht verfehlte. Nach ein paar Titeln hatte die extrem wendige Rockröhre aber genug von der Maskerade und warf das Ding mit den Worten "it gives me a fucking headache" wütend zu Boden. Ohne diesen Ballast auf dem schönen Köpfchen war sie dann noch schneller zu Fuß und heizte oft am Bühnenrand dem Publikum ein. Zwangsläufig blieben da ihre zwei männlichen Mitspieler an Gitarre und Schlagzeug blaß dagegen, obwohl gerade der Drummer Dynamit in den Händen hatte. Im Mittelpunkt stand aber immer die schöne Shingai, die bei den meisten Liedern den polternden Bass spielte. Highlights des Sets waren natürlich die Hits "Don't Give Up!" (Opener) und das blues-rockige "Scratch Your Name", aber besonders berührend fand ich , daß die farbige Sängerin das Lied "Monte Christo" ihrem (verstorbenen?) Vater widmete. Auch Ausflüge ins Publikum gehörten zur Show, ebenso wie der coole Spruch: "I hope you have a sweet time, as sweet as my chocolate hazelnut crisp I had today". Und diese gute Zeit hatte ich auch bei dem Gig, die Noisettes hatten es mir süß-sauer gegeben und der Abschluß mit " Cannot Even (Break Free)" kam auch noch einmal richtig gut!

Die Setlist der Noisettes in der Cigale umfasste u.a.: (in dieser Reihenfolge)

01: Don't Give Up
02: IWE
03: Monte Christo
....

06: Scratch Your Name
07: Bridge To Canada
08: Break Free

Mehr Photos der Noisettes hier

Anschließend sollte mit den Editors einer der größten Headliner des gesamten Festivals auftreten.
Würden sie ihrer Favoritenrolle gerecht? Zumindest in Musikkritikerkreisen häufen sich ja in letzter Zeit die bissigen Kommentare, die den Sound der Engländer inzwischen als zu bombastsich und stadiontauglich empfinden. Aber betrachten wir die Sache doch einmal ganz nüchtern. Die Editors werden auch live immer besser und die Lieder gewinnen ständig an Komplexität hinzu. Und schnell sind sie die Burschen, sauschnell! "Bones" stürmte gleich los wie ein 100 Meter - Läufer und unmittelbar wackelte wieder der trampolinartige Boden in der Cigale. Recht feist wirkende Engländer neben mir sangen lauthals die Texte mit. Tom Smith, der mit seinen längeren Haaren inzwischen richtig attraktiv aussieht, verdrehte natürlich auch wie immer seine Arme, so daß man Angst hatte, er könne sich die Schulter auskugeln und auch dieser Scheren-Sprung war spektakulär. Hat er den eigentlich von Ex-Tennisspieler Petr Korda abgeschaut? Wie auch immer, er gab richtig Gas! Seine Kollegen wirken hingegen etwas statisch, vor allem der etwas pummelige Bassist bewegte sich kaum und der Gitarrist schien vor sich hinzuträumen. Der Schlagzeuger allerdings war der zweite Aktivposten der Band, er spielte wie gewohnt in einem atemberaubenden Tempo. Gedrosselt wurde dieses zum ersten Mal mit der Ballade "The Weight Of The World" , bei der sich Tom hinter sein Piano begab, aber selbst an diesem "ruhigen" Instrument rumzappelte wie Pumuckl. Einmal kletterte er sogar ziemlich akrobatisch auf das Ding drauf. Abgefahren!

Die Hits vom neuen Album zogen schon sehr gut, aber nach wie vor gingen die alten Sachen wie "Blood", oder "Munich" runter wie Öl. Zu meinem persönlichen Favoriten will ich aber das dramatische "Racing Rats" mit seinen Dingel-Dengel Gitarren und den düsteren Texten erklären.
Ein Smasher wie er im Buche steht! Weniger gut gefällt mir hingegen "You Are Fading", an dem die Band anscheinend einen Narren gefressen hat. Immer wieder wird diese eher mittelmäßige Nummer live gespielt, warum weiß ich auch nicht so genau....

Schwamm drüber, "Smokers Outside The Hospital Doors", (die erste Zugabe) mit seiner Textzeile "The sadest thing i've ever seen..." läßt immer noch das Blut in meinen Adern gefrieren! So schön kann also gelitten werden! Mit "Fingers In The Factories" wurde dann standesgemäß der Schlußstrich unter ein erneut gutes Editors-Konzert gezogen und die Cigale tobte.

Setlist Editors, La Cigale, Paris, Festival des Inrocks:

01: Bones
02: Bullets
03: An End Has A Start
04: The Weight Of The World
05: Blood
06: Escape The Nest
07: When Anger Shows
08: Racing Rats
09: Munich
10: You Are Fading

11: Smokers Outside The Hospital Doors (Z)
12: Fingers In The Factories (Z)

Mehr Photos von den Editors



2 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

Wie AIH in besser aussehend (jaaa, ich weiß ich zitiere dich aus dem Zusammenhang heraus!) ist die beste Beschreibung für LC! aller Zeiten :)

Oliver Peel hat gesagt…

Kein Problem Christina, sinngemäß passt das ja :-)

Und wie gesagt: Pavement-Einflüsse gibt's bei AIH auch nicht.

 

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