Mittwoch, 9. Juni 2010

The Indelicates, Köln, 09.06.10


Konzert: The Indelicates (festival contre le racisme)

Ort: Albertus-Magnus-Platz, Köln
Datum: 09.06.2010
Zuschauer: ein paar Hundert
Dauer: knapp 65 min


Oh, ich* hatte vergessen, wie undankbar solche Veranstaltungen sein können. Festival gegen Rassismus klingt natürlich gut, das Lineup mit Turbostaat (nichts für mich) und den fabelhaften Indelicates (viel für mich) auch. Allerdings kranken solche Festivals in der Regel an der großen Ignoranz des Publikums. Daß 90% der Zuschauer saßen, während die Indelicates spielten, sich unterhielten oder Kopfhörer aufhatten, muß für eine Band frustrierend sein. Aber vielleicht sind Musiker auch abgestumpfter als ich.

Nicht vergessen hatte ich, wie viel Spaß mir Konzerte der englischen Band machen. Zuletzt hatte ich Julia und Simon Indelicate vor knapp zwei Jahren gesehen. Es wurde also allerhöchste Zeit!

Das Festival mit dem guten Anspruch fand auf dem ALbertus-Magnus-Platz direkt vor der Philosophischen Fakultät der Kölner Uni statt. Der Platz war ziemlich voll, als die Indelicates mit einigen Minuten Verspätung anfingen.
Vorher hatte die mir vollkommen unbekannte Band The Toten Crackhuren im Kofferraum gespielt. Wenn man nach der T-Shirt Dichte auf dem Platz geht, ist die Band riesig. Oder spendabel.

Die zauberhaften Indelicates sind leider weit weniger riesig, als sie verdienten. Kennengelernt habe ich die Band um Julia und Simon Indelicate während ihrer Support-Auftritte für Art Brut. Stilistisch liegen beide Bands nah bei einander, allerdings merkt man den Texten der Indelicates an, daß Simon (eigentlich) Clayton früher als Poet auf Bühnen stand. Lieder wie New art for
the people, Waiting for Pete Doherty to die, Unity Mitford, The sequel to Peter Pan and Wendy oder We hate the kids sind einfach fabelhaft! Verkannte Genies!

2008 spielte die Band zuletzt in Deutschland. Bei der Gelegenheit haben wir die
Indelicates interviewt und viel darüber erfahren, wie schwierig es für eine Band ohne große Unterstützung eines Labels ist, sich durchzusetzen.

Ob die Anhängerschaft der Band durch den heutigen Auftritt viel größer geworden ist, weiß ich nicht, dafür war das Publikum zu wenig interessiert - oder zu cool.
Diejenigen, die wegen der Indelicates da waren, konnte man an wenigen Fingern abzählen.

Aber genug Gejammere, dafür haben sie mir nämlich wieder viel zu viel Spaß gemacht!

Die Band ist verändert: Bassistin Kate ist nicht mehr dabei. Ersetzt wird die nette
Musikerin durch Laurence Owen, der anfangs noch extrem zurückhaltend spielte, später dann aber immer mehr aus sich herausging. In der zweiten Hälfte des Auftritts kam eine weitere Gitarristin dazu. Lily Rae spielte akustische Gitarre und ist auch neues Bandmitglied.

Die Indelicates haben vor einigen Wochen ihr zweites Album veröffentlicht. Weil sie allerdings nicht mehr von einem herkömmlichen Label abhängig sein wollen, erschien Songs for swinging
lovers bei einem Netlabel (und kann hier gekauft werden!). Auch künftige Platten werden auf diesem Wege verarbeitet werden, u.a. das noch 2010 erscheinende Mottoalbum über David Koresh, den (ehemaligen) Chef der Davidianer-Sekte.

The last significant statement to be made in Rock'n'Roll eröffnete das Konzert - und damit den Mund zum Dauergrinsen. Al (ist das eigentlich Simons Bruder?), der zweite Gitarrist beherrscht sie alle, die ganz
großen Gitarristenposen. Allerdings sind die bei ihm nicht peinlich sondern so überzeichnet, daß es eine helle Freude ist, dem Mann zuzusehen. Eigentlich gilt hier schon die schöne Zeile des ersten Stücks "everything that follows is a footnote", wären da nicht die vielen anderen lustigen Details.

Nach dem Knüller America kam das erste von zahlreichen neuen Stücken -
passenderweise Europe. Gerade bei den neuen Sachen merkte man der Band an, nicht hundertprozentig eingespielt zu sein. Da Improvisieren irgendwie bei den Indelicates dazugehört, war das alles andere als schlimm, die Engländer sind keine Band für die Philharmonie.

Da stimmte mal ein Liedende nicht ganz oder der ein oder andere Einsatz. Das
überspielen vor allem Julia und Simon aber so charmant, meist entwaffnend lachend, daß ich sicher bei einem pannenfreien Konzert enttäuscht wäre.

Großartig auch die Versuche von Simon deutsch zu reden und zu singen. Er hat das
in der Schule kurz gelernt und versucht sich immer wieder in deutschen Ansagen. Julia, die österreichische Wurzeln hat, spricht gut deutsch, hält sich aber in der Regel zurück und beschränkt ihre Ansagen auf Anweisungen an Simon, was als nächstes gespielt würde. Hinterher habe ich die Sängerin gefragt, wie sie das Konzert fand. "Ich weiß nicht, ich hatte die ganze Zeit die Augen zu." Das ist das was ich meine...

Von den neuen Liedern, die ich noch nicht gut kenne, gefielen mir ganz besonders
We love you, Tania, Roses und Savages. Am komischsten war allerdings Sympathy for the devil - nicht das Lied, das Ende. Als würden sie nach Zeit bezahlt, hörte der instrumentale Teil am Schluß überhaupt nicht auf, herrlich!

Natürlich fehlen mit vielen neuen Songs im Programm auch einige alte Lieblinge. Es waren aber genug vorhanden, um nicht allzu wehmütig zu werden.
Julia, we don't live in the 60's mit dem Flötenbeginn, der aber nicht zu hören war, weil das Mikro aus Angst vor Flötenrückkopplungen runtergedreht war und Sixteen gehörten dazu.

Nach gut einer Stunde beendete Our daughters will never be free das Konzert. Ganz sicher nicht mein letztes. Und vielleicht waren einige der cool wegguckenden Leute wirklich nur cool und nicht uninteressiert und kommen im Herbst auch zum nächsten Kölner Indelicates Konzert.


Setlist The Indelicates, festival contre le racisme, Köln:


01: The last significant statement to be made in Rock'n'roll
02: America
03: Europe
04: Be afraid of your parents
05: Stars
06: Flesh
07: Roses
08: Savages
09: We love you, Tania
10: Jerusalem
11: Sympathy for the devil
12: New art for the people
13: Julia, we don't live in the 60's
14: Sixteen
15: Your money
16: Our daughters will never be free

Links:

- The Indelicates, Heidelberg, 14.08.08
- The Indelicates, Frankfurt, 12.08.08
- The Indelicates, Münster, 30.04.08
- The Indelicates, Köln, 24.04.08
- The Indelicates, Köln, 04.10.07
- The Indelicates, Frankfurt, 30.09.07
- Interview mit den Indelicates

* geschlechtsneutral verfasster Artikel, liebe FreundInnen vom AStA! Immer wenn die männliche Form genannt ist, ist auch die weibliche gemeint!



1 Kommentare :

Claudia hat gesagt…

studentenumsonstfestivals sind im allgemeinen immer eher doof. studenten sind ein undankbares publikum.

 

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