Konzert: Revolver
Ort: La Cigale, Paris
Datum: 28.01.2010
Zuschauer: ausverkauft
Konzertdauer: 75-80 Minuten
Zu diesem Konzert kam ich wie die Jungfrau zum Kinde. Na ja, nicht ganz, schließlich hatte ich eine Akkreditierungsanfrage gestellt und somit dafür gesorgt, daß "etwas wachsen" kann. Allerdings war das schon ein paar Wochen her und da ich nichts mehr gehört hatte, bereits umdisponiert. Ich wollte zu dem jungschen Johnny Flynn ins Scopitone. Dann aber flatterte doch noch die Akkreditierungszusage mitsamt Fotopass in meinen virtuellen Briefkasten. Cool! Ein Konzert in der legendären Cigale sagt man nicht ab, dafür ist die Location einfach zu stimmungsvoll und heimelig. Die allergrößten der Indie-und Folkszene haben hier gespielt, Fleet Foxes, Calexico, Franz Ferdinand, Alela Diane seien hier nur beispielshaft genannt. Und heute eine blutjunge französische Formation, die bereits durch ihren Bandnamen zu erkennen gibt, wessen Geistes Kind sie ist: Revolver. Wie wir alle wissen, ein Album von den Beatles und so klingen Ambroise, Christophe und Jérémie dann auch, selbst wenn ihr Akzent ab und zu ihre gallische Herkunft verrät. Langsam aber sicher haben sich die Jungspunde von kleinen Konzertsälen und Auftritten als Vorgruppe hochgespielt bis in die sagenumwobene Cigale, die sie prompt bereits beim ersten Mal ausverkauften. Dicht an dicht standen die zahlreichen Besucher und warteten darauf, daß es losgeht. Die Vorgruppe Mustang war bereits durch, jetzt galt das alleinige Augenmerk der Band, die ihren Stil als Kammerpop (Pop de chambre) bezeichnet.
Ich sah mich um und war verblüfft, wie enorm jung das Publikum war. Die Zielgruppe schien weiblich, im Schnitt zwischen 14-16 Jahren und aus behütetem Hause zu sein. Brave und mitunter recht biedere Mädchen, die sicherlich in der Schule immer schön fleißig sind und mit dem verwahrlosten Pete Doherty nicht viel anfangen können. Den überlassen sie ihren verruchten und wilderen Klassenkameradinnen, die hyperventilieren, wenn sie hören, daß der Babyshamble in der Stadt der Liebe ist. Aber stille Wasser sind bekanntlich tief und so entpuppten sich auch die braven Mädchen in den ersten Reihen als partytauglich und amüsierfreudig. Meine direkten Nachbaren waren allerdings wesentlich älter, ich würde mich nicht wundern, wenn das gutbürgerliche Ehepaar neben mir, die Eltern von einem der Bandmitgleider waren. Durchaus ein bißchen stolz können sie auf ihre Zöglinge sein, denn in die Cigale schafft man es in der Regel nicht ohne Talent und zugkräftige Songs!
Dann ging das Licht aus und spitze Schreie erfüllten das alte Theater. Die Posterboys hatten sich aus der Kabine bewegt und marschierten ein. Revolver sind eine Art französiche Antwort auf die Amerikaner Vampire Weekend. Gute Manieren, gepflegte Klamotten im Collegelook und immer höflich lächelnd. Die jungen Mädchen könnten diese Burschen getrost ihren Eltern vorstellen, die würden sich diebisch freuen und sofort im Kreise der Familie aufnehmen. Alkohol trinken die Jungs keinen, stattdessen lassen sie stilles Wasser ihre Kehlen runterinnen, um die wunderschönen Chogesänge auch ja perfekt hinzukriegen. Und diese Chorgesänge sind wirklich herrlich! Seit den Fleet Foxes hat es keine Band geschafft, so harmonisch und im Gleichklang zu summen, wie Revolver. Nur der Weihrauch fehlte, um sich wie in der Kirche zu fühlen! Schon gleich beim ersten Lied A Song She Wrote war die Atmosphäre feierlich und entspannt. Erste Hände gingen nach oben, aber der Jubel war noch ein wenig verhalten. Dann aber drückten Ambroise, Jérémie und Christoph aufs Gaspedal und feuerten schon an dritter Stelle ihren beschwingten Up-Tempo Hit Get Around Town ab. Die unwiderstehlichen Dingel-Dengel Gitarren des Stücks sorgten für Endorphinausstöße en masse und der ganze Saal schunkelte. Die Jungs auf der Bühne hatten es geschafft, das Feuer in Gange zu bringen, das Konzert war lanciert und erreichte auch in der Folge immer mal wieder ekstatische Höhepunkte. Aber das Trio, das durch die spätere Verpflichtung eines Schlagzeugers zum Quartett aufgestiegen ist, bezauberte auch durch wunderschöne Balladen. Leave Me Alone ist ein Gedicht von einem Lied, durchzogen von dem gefühlvollen Cello von Jérémie und dem berührenden Gesang von Ambroise, der sich diese Aufgabe mit dem lockenköpfigen Christophe teilt. Eine tolle Truppe, die von Konzert zu Konzert bessser wird und für ihre ungemeine Disziplin und Perfektheit bekannt ist. Als besonders lobenswert ist hervorzuheben, daß heute jedes einzelne Lied leicht abgewandelt wurde und man somit nicht nur die CD Music for A While runtergeleiert bekam. Zudem war auch Platz für ein vielversprechendes neues Stück und zwei Cover. This Boy von den Beatles passte perfekt zum Retro-Stil der Franzosen und die letzte Zugabe Can't Help Falling In Love kam so gut an, daß vor allem die Mädchen in der Cigale auf wunderbarste Weise mitsangen und den altehrwürdigen Saal mit Wohlkängen erfüllten.
Ein brillantes Konzert einer hochtalentierten Band!
Setlist Revolver, La Cigale, Paris:
01:A Song She Wrote
02: Luke, Mike & John
03: Get Around Town
04: Leave Me Alone
05: Back To You
06: Untitled # 1
07: Do You Have A Gun?
08: My New Friend
09: This Boy (John Lennon Cover)
10: My Lady I
11: Birds In Dm
12: Wet Wet Wet
13: It's Alright
14: Balulalow
15: Get Around Town (schnellerer Version)
16: Cant't Help Falling In Love ( Elvis Presley Cover)
Aus unserem Archiv:
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2 Kommentare :
Ich kann Revolver wirklich jedem empfehlen!
Ich kenn die Band seit kurzem und bin von der Musik richtig begeistert!
nebenkriegsschauplatzbeitrag: akkreditierung! klasse! und nur so sollte Ihr zwei zukünftig in konzerte gelangen! es ist ein jammer, ein hammer, dass es nicht längst schon so ist. und wenn Euch nicht die bands einladen, sollten es die club-, bar- und konzertsaalbetreiber tun. denn die werbung, die sie dank konzerttagebuch erhalten, ist unbezahlbar. aber die sitzen wohl auf ihren augen, mündern, ohren! trotzen! weitermachen!
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