Sonntag, 9. August 2009

Jarvis Cocker, Berlin-Festival, 08.08.09


Konzert: Jarvis Cocker
Ort: Main Stage, Flughafen Tempelhof, Berlin
Datum: 08.08.2009
Zuschauer: ca. 8000
Konzertdauer: ca. eine Stunde


Jarvis Cocker, mit seiner Hornbrille und seinen Tweed- oder Cordjackets der Inbegriff des britischen Intellektuellen, beehrte den inzwischen stillgelegten Flughafen Tempelhof mit seinem Besuch und hatte gleich zu Beginn auch schon den passenden Spruch parat: "Hello, welcome to the airport!" Ein schlagfertiger und charismatischer Bursche dieser Jarvis der mehrfach deutlich machte, daß er ein durchgeknallter Rockstar und kein handzahmer Teetrinker ist, den sich konservative Schwiegermütter erträumen. Seine Michael Jackson- Störaktion während der Britawards 1996 ist ja legendär und auch heute noch hat es der Mitvierziger faustdick hinter den Ohren. Anstatt mit fortschreitendem Alter vom Britpoper zum gediegenen Folksänger zu mutieren, zieht es Mister Cocker vor, zünftig zu rocken. Sein aktuelles, zweites Soloalbum nach der legendären Karriere mit Pulp ist deutlich vom Blues-und Hardrock der 70er Jahre infiziert und einige der heute performten Songs klangen konsequenterweise mehr nach Black Sabath als nach Dandy-Pop.

Gleich als zweites Lied des Sets schmetterten Jarvis und Band das Highlight des
neuen, von Steve Albini produzierten Albums Further Complications und zwar den in die Beine gehenden Stampfer Angela. Zuvor hatte der kesse Brite behauptet, seine Hände haben magische Kräfte und könnte die Vornamen der Besucher identifizieren, wenn er sie in die entsprechende Richtung lenke. Natürlich landete man nach etlichen anderen Namen irgendwann bei Angela und dies obwohl die Kanzlerin nicht im Publikum ausgemacht wurde. Ein witziger Gag, der noch durch den auf deutsch formulierten Satz: "Du riechst nach Nuttendiesel" (wer ihm wohl diesen Spruch beigebracht hatte?) getoppt wurde.

Ansonsten faselte der in Paris lebende Engländer davon, daß ein Saxofon nicht
unbedingt beknackt klingen müsse (der musikalische Beweis folgte auf dem Fuße), oder von Kuchen, der die Kinder dick mache, was natürlich eine glänzende Überleitung zu dem besten Lied des ersten Soloalbums, Fat Children, war. Leider überzeugte aber nicht jeder Song gleichermaßen und so waren ein paar durchwachsenere Phasen zu beklagen. Jarvis turnte zwar beweglich wie ein Gummimensch eine Stunde über die Bühne, strafte sich somit selbst Lügen ("I'm quite old") und performte Stücke wie Further Complications, I Never Said I Was Deep, oder Don't Let Him Waste Your Time, konnte damit aber selten absolute Euphorie im Publikum entfachen. Vielleicht waren die Zuschauer einfach zu jung, elektronisch musiksozialisiert und unreif, um vor dem intelligenten Songwriting und den etwas altmodischen Rocksongs einer britischen Musiklegende auf die Knie zu gehen. Die älteren Haudegen wie ich zum Beispiel, konnten der Sache aber so einiges abgewinnen. Zwischen etlichen hippen Elektronikacts auch mal eine leicht ergrauten Sänger zu erleben, fand ich persönlich erfrischend. Das Kompliment geht somit vor allem an die Programmveranstalter des Berlin-Festivals, die in den zwei Tagen eine ordentliche musikalische Mischung hinbekommen haben.

Links:

- Jarvis Cocker am 10.05.2009 in Paris
- und am 25.08.2007 bei Rock En Seine
- sowie im November 2006 in... Paris
- mehr Fotos von Jarvis beim Berlin Festival




 

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