Dienstag, 14. November 2006

The Pipettes, Jarvis Cocker, Paris, 12.11.06

Konzert: Tapes 'n Tapes, Arman Melies, Plan B, The Pipettes, Jarvis Cocker
Datum: 12.11.2006
Ort: La Cigale, Paris, Festival des Inrocks
Ausverkauft

Der dritte Festivaltag in Folge hinterließ auch bei mir Spuren und so mußte ich dem Kräfteverlust Tribut zollen. Die Aufnahmefähigkeit für fünf Gruppen war einfach nicht vorhanden und so mußte ich zu meinem Bedauern insbesondere die Amerikaner von Tapes 'n Tapes, die auf den Spuren von den Pixies wandeln, ausfallen lassen. Wie können die Veranstalter einen solchen Topact bloß auf 17 Uhr 30 legen? Weniger schmerzhaft war für mich der Verzicht auf den melancholischen französischen Chansonier Arman Melies und den britischen Rapper Plan B.

Der Einstieg in den heutigen Tag erfolgte somit mit dem Brightoner Girltrio The Pipettes. Zumindest in England haben sie schon für ziemliche Furore gesorgt und so war ich gespannt, ob der Hype denn wohl gerechtfertigt ist. Der rote Vorhang ging auf und Rose, Becki und Gwenno stürmten auf die Bühne. Zu meiner Überraschung ertönte nicht der Opener des Albums "We are the Pipettes" sondern ein flotter Song mit dem provokanten Titel "Sex". Sollte der Titel Programm sein? Nett anzusehen waren die drei ja ohne Zweifel, mit ihren buntgepunkteten Sixties-Kleidchen, übrigens alle mit dem gleichen Basismodell, aber jeweils individuell abgewandelt. Am schärfsten sah die große Blonde aus, wie heißt die denn und wie ist ihre Telefonnummer? Das Publikum kam allerdings nicht sofort in Wallung, sondern stand etwas phlegmatisch herum. Das änderte sich auch mit dem nächsten Song "Why did you stay" nicht wirklich und ich kann es vorwegnehmen, bis kurz vor Schluß sprang der Funke nicht über. Woran lag's? Vielleicht waren die Pariser noch etwas müde, möglich ist aber auch, daß den Leuten auffiel, daß sich die Songs letzlich doch alle sehr ähneln. Die Pipettes, die übrigens von einer vierköpfigen männlichen Backgroundband begleitet wurden, bemühten sich aber nach Kräften, Stimmung aufkommen zu lassen. Immer wieder animierten sie die Leute zu tanzen ("The best thing you can do in live") oder in die Hände zu klatschen. Sämtliche Hits wurden abgefeuert, aber weder "Judy", noch "Dirty mind" schafften es, die Halle in einen Dance-Floor zu verwandeln. Das Trio ließ aber nicht locker und so schafften sie es schließlich mit dem vorletzten und besten Titel "Pull shapes" die Menge aus der Reserve zu locken. Jetzt hätte es eigentlich so richtig los gehen können, aber es kam nur noch der letzte Song "We are the Pipettes", der ebenfalls sehr gut ankam. Ich fragte mich am Ende, ob es am Publikum lag, oder daran, daß sich das Konzept euphorischer Sixties-Pop doch zu schnell abnutzt.

Mit dem Ex-Pulpmastermind Jarvis Cocker stand nun nur noch ein Künstler aus. Ich wußte nicht so genau, was mich erwarten würde, denn sein Soloalbum war bis dato noch nicht erschienen. Der Opener, unter freundlichem Applaus der Besucher aufgenommen, fiel auf jeden Fall schon mal rockiger aus, als angenommen. Dann stelle sich der schlacksige Hornbrillenträger artig vor und vergaß auch während des ganzen Konzertes nicht, immer wieder französische Phrasen einzustreuen, was erwartungsgemäß nicht seine Wirkung verfehlte. Einmal fragte er zum Beispiel die Audienz, ob sie schon mal im Euro-Disney gewesen sei und ob das gut sei. An anderer Stelle ließ er sich zum illegalen Downloaden aus, ein Phänomen des modernen Lebens, wie er meinte. Er sprang dabei immer wieder vom Französischen ins Englische und zurück. Netterweise nannte er vorher immer jeden Namen der Lieder, denn man könne die Sachen mangels Veröffentlichung ja noch nicht kennen, es sei denn man hätte sie bereits illegal geladen. Sehr gut gefiel mir zum Beispiel "Heavy wheather", welches er allerdings als "Stormy wheather" ankündigte. Kennt er vielleicht selbst noch nicht so genau die Namen der Stücke? Fabelhaft war auch "One man show", welches er zum Aufhänger dafür nutzte, darauf hinzuweisen, daß das hier keine One man show sei, sondern daß auch die Band wichtig sei, die er daraufhin vorstellte. Für Schmunzler sorgte er mit einer Songzeile aus dem gelungenen "Tonite", die da lautete: "Let's have some drugs, let's have some sex". Ein Schlingel, der Jarvis, der hat's faustdick hinter den Ohren! Für den größten Beifall sorgte das opulente "Black Magic", bevor er mit dem provokanten Titel "Cunts are still running" das sehr schöne Konzert beendete. Jarvis, hör zu, ich kaufe die Platte im Original, o.k.?

Setlist Jarvis Cocker:
01: Fat children
02: Don't let him waste your time
03: Heavy Wheather
04: One man show
05: I will kill again
06: From.....to Ipswich
07: Tonite
08: Big Julie
09: Disney time
10: Big stuff
11: Black Magic
12: Cunts are still running the world

von Oliver



 

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