Donnerstag, 19. Juni 2008

Pollyanna, Kim Novak & Pamela Hute, Paris, 18.06.08


Konzert: Pollyanna, Kim Novak & Pamela Hute

Ort: La Flèche d'or, Paris
Datum: 18.06.2008
Zuschauer: 300-400
Konzertdauer: Pollyanna: 40 Minuten, Pamela Hute: 40-45 Minuten, Kim Novak: 36 Minuten


Auf schelmische Weise habe ich bei früheren Konzertberichten schon einmal über Brillenträger gelästert. Natürlich war das nicht böse gemeint, aber Eike vom Klienicum verleitete das trotzdem zu einem Kommentar, indem er sich über diese Stigmatisierung beschwerte.

Als der bayrische Starblogger dann etwas später über Laura Veirs, "die Dame mit der Brille", referierte, nahm ich das zum Anlass, ihn ein wenig zu sticheln. "Diskriminierst Du Laura wegen ihres Gestells auf der Nase?", fragte ich zynisch und bekam natürlich zur Antwort, dass dies mitnichten der Fall sei, die Brille aber bei Fräulein Veirs "so symptomatisch wie beim Elefant der Rüssel" sei.

Herrlich, dieser Schlagabtausch! Ich musste sofort daran zurückdenken, als ich heute in der Flèche d'or zahlreiche Brillenträger(innen) sah. Ich fragte mich kurz, ob das ein Zufall sei, merkte dann aber anhand der Aufschrift auf dem Bügel (Pamela Hute's Glasses), das dies nur eine witzige Idee war, um den Abend humorig zu untermalen. Thema war nämlich: "Pamela Hute reçoit...", Pamela Hute empfängt...

Und aus diesem Anlass lagen am Merchandising-Stand gratis schwarze dickrahmige Brillengestelle aus Pappe aus, die man sich über die Ohren klemmen konnte, wenn man dies denn wollte. Viele Leute machten diesen Gag mit und so schliesslich war ein Grossteil der Flèche d'or "kostümiert".

Schon als die Band Paganella, angeführt von einer sexy Frontlady, ihre letzten Titel schmetterte war dies der Fall und dies blieb auch bis zum Ende des amüsanten und musikalisch guten Abends so. Paganella stimmten schon einmal darauf ein, was heute hauptsächlich geboten wurde: saftiger Rock, gespielt von Freunden von Pamela, die ausschliesslich französische Bands eingeladen hatte.

Eine Ausnahme gab es aber hierzu (ich meine hinsichtlich des Musikstils, nicht bezüglich der Nationalität) und zwar das gemischte Duo Pollyanna, die als zweite dran waren. Bei Isabelle (Gitarre, Gesang) und David (Drums, Glockenspiel, Ukulele, Back Vocals) kann man eher von intimen Folk-Pop sprechen, der nicht selten reduziert dargeboten wurde, allerdings auch bisweilen beherzt und forsch.

Die meisten Stücke waren jedoch getragen und auf sanfte Weise melancholisch. Dass diese Art von "Kaminfeuermusik" auch bei warmen Junitemperaturen funktionieren kann, bewiesen die beiden natürlich- sympathischen Musiker eindrucksvoll. Filigran, komplex und ohne grossen Rockstargesten auskommend, bot das Duo Folk von internationaler Güteklasse und machte deutlich, dass Frankreich voller Talente ist. Die warme Stimme von Isabelle, ein Genuss! Ruhig und ausgeglichen sang sie hübsche Titel mit bitter-süssen Texten, wie z.B. das fabelhafte "Chocolate Jesus" ("the chocolate Jesus will now taste bitter on my tongue; so I hate sugar and sweets") und David begleitete sie hierzu gekonnt auf dem Schlagzeug. Die beiden waren froh hier zu sein, das sah man ihnen an. So schafften sie es auch, kleine Pannen zu überbrücken, z.B. als die Gitarre von David aufmuckte und ausgewechselt werden musste, was Isa dazu verleitete, ein wenig über "diese Schicki-Micki-Gitarre, dieses teure 50-er Jahre Teil" zu lästern. Aber, was soll's, dachten sie sich wohl und brachten dies auch textlich zum Asudruck: "It doesn't matter, if it hurts" ("A Landscape")...

Circa in der Mitte des rund 40 minütigen Sets gab es ein weiteres Highlight und zwar eine Cover-Version der genialen Postpunker Young Marble Giants, die ich noch letztes Jahr auf der Bühne erleben durfte. "Brand New Life" stammt von 1980 zeigte aber keinerlei Altersschwäche, schon gar nicht in der wundervollen Version von Pollyanna, die dieses Lied für eine Webseite aufgenommen haben, die auf Cover-Versionen spezialisiert ist.

Und auch der Schluss war eine Adaption klassischen Materials, in diesem Fall eine Neuinterpretation eines traditionellen amerikanischen Folk-Songs, welche die Vielseitigkeit der jungen Franzosen unterstreicht. Wer auf den Geschmack gekommen ist, sollte sich ihr aktuelles zweites Album "On Concrete" zulegen, oder -noch besser- gleich beide CDs bestellen. Denn das Debüt "Whatever They Say, I Am A Princess" dürfte ebenfalls stark sein. Auch hiervon gab es übrigens eine gelungene Kostprobe. Erlesen!


Setlist Pollyanna, La Flèche d'or, Paris: (Merci beaucoup à Isabelle!)

01: Friends
02: A Landscape
03: In The Cornfields
04: Untitled
05: You Hold The World In Your Hand
06: Chocolate Jesus
07: Brand New Life (YMG arr. Pollyanna)
08: Almost
09: Folk Song
10: Railroad Boy (Trad US arr Pollyanna)


Nach diesem Ausflug in folkigere Gefilde, ging es mit der Gastgeberin Pamela Hute mit knackigem Rock weiter. Die knabenhaft wirkende Blondine mit der markanten schwarzen Hornbrille und den Skinny Jeans gab von Anfang an Vollgas und entlockte ihrer Gitarre so manches brachiale Riff. Die Kleine hatte Feuer unter dem Arsch, keine Frage! Und erstaunlicherweise war das Ganz keineswegs banal oder platt. Erstaunlicherweise deshalb, weil ich hier in der Flèche d'or schon so einige beknackte französische Rockbands gesehen habe. Im Bereich Folk-Pop haben die Frenchies inzwischen genauso viel Stil und Geschmack wie in allen anderen Lebensbereichen, aber wenn Gitarren in französischen Händen losheulen, wird es oft beschissen! Nicht so bei Pamela Hute! Bei ihr fühlte ich mich in den besten Phasen an Courtney Love, PJ Harvey, oder My Brightest Diamond erinnert und selbst wenn sie noch nicht die Klasse der genannten Referenzen erreicht, hebt sich ihre Musik wohltuend von der in Paris üblichen Durchschnittskost ab. Schade, dass die Songs bei MySpace eine Spur zu produziert und brav rüberkommen, denn live war z.B. ein Stück wie "Don't Help me" ein Highlight, die Stimme von Pamela sinnlich und facettenreich.

Der Grossteil des Sets war also fetzig und laut, aber mit "Parachute" wurde zur Abwechslung auch eine beschwingte Stepp-Nummer und mit "Pink Safari" eine Ballade gebracht.

Das überwiegend weibliche und pärchenweise erschienene Publikum war begeistert, Mademoiselle Hute (ausgesprochen "üt"), scheint eine Ikone der Pariser Lesben-Szene zu sein. Auch ich war durchaus angetan von soviel Frauen-Power. Und dass es bei Pamela auch noch zwei Männer in der Band gab, die für die Drums und das Keyboard verantwortlich zeichneten, störte nicht weiter. Hier hatten ganz klar die Frauen die Hosen (und Papp-Brillen) an. Gut so!

Setlist Pamela Hute, Flèche d'or, Paris:

01: You Call Me Dear
02: Identical
03: Hysterical
04: You Made Me Lady
05: Parachute
06: Chocolate Soup
07: Pink Safari
08: Friend
09: Tie
10: Don't Help Me
11: My Dear

Den Konzertbericht über Kim Novak habe ich abgetrennt, man kann ihn hier finden.

Links:

- Lesenswerter Artikel von Eike über Pollyanna




1 Kommentare :

E. hat gesagt…

1.) der riesige bilderrahmen ist geil!
2.) pollyanna finde ich superklasse!
3.) "bayerischer starblogger" klingt irgendwie aufregend!
4.) brillen sind utensilien, ergänzungen, auch nur produkte und manchmal windschief!
5.) dein bericht ist "escht priema"!

 

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