Konzert: 65daysofstatic
Ort: Evreux, Festival Le Rock Dans Tous Ses Etats
Datum: 27.06.2008
Zuschauer: ein paar Hundert
Bühne: Papa Mobil
Konzertdauer: 50 Minuten
Nach dem letztwöchigen Aufgalopp in die Festivalsaison in Luxemburg, stand heute mein erstes französisches Open-Air Festival an.
In Evreux war ich bereits in den letzten zwei Jahren und hatte sowohl was die Anlage, als auch Zuschauer und Bands betrifft sehr positive Erfahrungen gemacht.
Das Gelände liegt eingebettet in ein herrliches Waldstück und ist weitläufig, aber dennoch überschaubar und auch nicht überlaufen. Die zwei Hauptbühnen sind nicht sehr weit auseinander und man kann bequem von der Scène A zur Scène B kommen.
Mein Augenmerk galt aber bei dem heutigen ersten von insgesamt zwei Festivaltagen, der Nebenbühne, dem lustig benannten Papa Mobil. Das hatte ich eigentlich vom letzten Jahr als (zumindest halb) überdacht in Erinnerung, aber neuerdings ist es es offen und luftig.
Bei dem herrlichen Wetter, das in Evreux herrschte, war das aber überhaupt kein Problem, vor Regentropfen musste man jedenfalls nicht geschützt werden!
Die Engländer 65daysofstatic waren die erste Band, die ich genauer unter die Lupe nahm. Eine vierköpfige Truppe, die mich bereits als Vorgruppe von The Cure aufhorchen liess. Vor ein paar Monaten in Paris-Bercy hatte ich noch meine Witzchen darüber gemacht, dass der Sänger eine fabelhafte Stimme habe, wohlwissend, dass bei 65daysofstatic nie gesungen wird. Die vier wilden Kerle lassen eher ihre Gitarren ,den Bass, das Piano und das wuchtige Schlagzeug sprechen und schaffen es auch ganz ohne Texte, Bilder, ja richtige kleine Filme im Kopf ablaufen zu lassen!
Äusserst wuchtig, aber gleichzeitig hochmelodisch, kreieren sie verblüffende Soundteppiche und regelrechte Gitarrenwände, die höher sind, als die gothische Kathedrale von Evreux, die ich mir am nächsten Tag angesehen habe.
"The next song is about orgasm!", kündigte dann auch der langmähnige Frontmann und Gitarrist schmunzelnd eines ihrer zahlreichen, atemberaubenden Lieder an und erkundigte sich auch noch, wie man denn das auf französisch sage.*
Nachdem er das in Erfahrung gebracht hatte, schleuderten er und seine Kumpels mir und den anderen begeisterten Besuchern beinharte, aber dennoch sehr melodische Riffs in die Fresse und liess seine langen Haare durch die Luft wirbeln. Der Drummer drosch auf sein Instrument ein, als wolle er es in kleinste Stücke zerhacken, schafft es aber dennoch punktgenau und präzise zu spielen. Der Typ würde auch in einer Death-Metal Band einen guten Part abgeben!
Auffällig war auch der kurzhaarige blonde Bassist, der mit seinen stahlblauen Augen völlig verträumte und hypnotische Blicke aussendete.
Das Set, das Lieder aller drei Alben beinhaltete, war ausgewogen und stark ("Primer", eine Wucht!), erreichte aber nach knapp vierzig Minuten einen gigantischen Höhepunkt. Zu der Singleauskopplung von 2006 "Radio Protector" ertönten wunderschöne Pinaoklänge und süssliche Glöckchen, bevor die Band ihre unwiderstehlichen Riffe und Schlagzeugsalven abfeuerte. Allein dieser sensationelle Titel war das Eintriitsgeld wert! Ich konnte nicht unterscheiden, ob es an der Hitze, oder an dem Smasher lag, aber eins war klar: mir lief eine eiskalte Gänsehaut über den Rücken!
Die Band holte hierzu alles heraus, was in ihnen steckte. Zwei der Typen headbangten regelrecht am Synthesizer und der Schlagzeuger liess sich theatralisch auf den Boden fallen und stiess mit seinem Kopf wuchtig gegen eine Box. Völlig abgedreht!
Und hoffentlich stimmt, es was der Frontmann am Ende sagte. "Wir werden in nächster Zeit noch viel öfter in Frankreich auftreten."
So ästhetisch und kraftvoll kann also Instrumentalmusik sein! Der Auftakt des Festival hätte nicht besser ausfallen können, 65daysofstatic sei herzlich gedankt!
* angeblich "La Petite mort", aber diesen Ausdruck benutzen die Franzosen eigentlich fast nie. Wo hat die Band diesen Spruch aufgeschnappt? Auch Rosenstolz sprechen übrigens davon in einem Lied...
Links:
- 65daysofstatic in Paris
- und in Oberhausen
- mehr Fotos von 65daysofstatic
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