Konzert: Lush
Ort: Oslo, London
Datum: 11.04.2016
Dauer: ca. 85 min
Zuschauer: 325 (ausverkauft)
"Kann mir jemand wirklich innovativ designte Band-Webseiten nennen?" - "Asking for a friend." Als Emma Anderson das vor einem Jahr bei Facebook postete, begann meine Träumerei, wirklich einmal meine liebste Lieblingsband Lush live zu sehen. Das schien bis dahin kategorisch ausgeschlossen. 1996 hatte sich Schlagzeuger Chris Acland das Leben genommen, die Band spielte danach kein Konzert mehr und löste sich anderthalb Jahre später auf. Eine Lush-Reunion war, glaubte man den Experten, etwa so wahrscheinlich wie eine der Smiths. Dieses "asking for a friend" änderte zumindest in meinem Kopf einiges.
Ein paar Monate später gaben Emma und Miki Interviews über zwei der Studioalben der Bands. In einem der beiden las ich eine Formulierung, die die Endgültigkeit der lushlosen Zeit relativierte. Spätestens da stand für mich fest, daß es nicht mehr um das Ob sondern um das Wann eines Lush-Konzerts geht. Daß Miki einen Gastauftritt bei The Jesus And Mary Chain mit Bassist Phil King in London hatte, passte ins Bild.
Ende September postete Emma Anderson bei Facebook "7 days". Da es da aber schon eine neue Website gab und auf der ein Booker genannt wurde, war ausgeschlossen, daß es sich bei der Ankündigung nur um Neuauflagen der Platten handeln würde. Lush waren wieder da. Spätestens mit dem Antwortmail des Bookers (Nähkästchen-Talks) "please make an offer!" wusste ich das sieben Tage vor der Veröffentlichung am 28.09.
Irgendwann gab es dann auch erste Termine, allen voran, das Reunion-Konzert Anfang Mai im Roundhouse in London. Emma fragte schon damals, ob ihr jemand einen kleinen Club für ein Warm-up Konzert nennen könne.
Als nach den beiden Konzerten im Roundhouse eine ganze Menge anderer Termine dazukamen, die meisten schon vorher im April (Coachella und andere US-Auftritte), stieg mein Wunsch, dieses Vorab-Konzert zu sehen. Da das aber alle würden sehen wollen, rechnete ich mir keine Chancen auf ein Ticket aus. Gestern abend stand ich dann kurz vor halb acht im Oslo in Hackney, vor mir Leute mit Lush-Shirts und beobachtete, wie ein Mitarbeiter des Clubs einen Zettel mit dem Zeitplan aufklebte. Das Ticket ging für Leser des Bandnewsletters einen Tag vor dem offiziellen Verkaufsstart in den Handel. Ich saß um zehn vor dem Rechner und hatte sofort Glück. Allerdings dauerte es noch Tage, bis das kleine Konzert ausverkauft war. Lush kündigten den ersten Auftritt nach fast 20 Jahren an, in einem 325er Club und das war nicht sofort überrannt? Mir war es egal! Ich würde meinen großen Fehler, meine Lieblingsband (das sie seit ihren ersten Veröffentlichungen war und seitdem ist) damals weder in Köln noch in Gießen gesehen zu haben, schon Anfang April korrigieren.
Am Nachmittag postete Bassist Phil, der die letzten Jahre musikalisch als The Jesus And Mary Chain Bassist verbracht hat, ein "nervous". Gitarristin Emma antwortete "Du auch?" Es ist sicher nicht immer eine gute Idee, Helden in sozialen Netzwerken zu folgen, bei den beiden schon.
Gut für die Nervensituation war sicher nicht, daß die Konzertvorbereitungen nur bis acht Minuten vor dem Beginn glatt gingen. Als letzten Akt stimmte der Gitarrenmann eines von Mikis zwölfsaitigen Instrumenten, das plötzlich fies brummte. Der Sound- und der Gitarrenmann überprüften die Kabel, die Verbindung zum Verstärker, es brummte weiter. Letzte Lösung: der Verstärker musste ausgetauscht werden.
Die beiden langsam hektischer werdenden Techniker klonten die Einstellungen des Brumm-Verstärkers eins zu eins, hatten aber keine Chance mehr, das auch live zu überprüfen. Durch das plötzliche Chaos war die Spannungskurve des Auftritts der alten Helden vollkommen weg. Der kaputte Verstärker verschwand, das Licht ging aus, Emma, Miki, Phil und Drummer Justin Welch (von Elastica) kamen auf die Bühne. „It’s been a long time. I had red hair.“ Es war sofort großartig! Und laut! Und Lush! Und zwar die Shoegaze-Lush von den ersten Alben und EPs, nicht die Britpop-Lush mit Hits wie 500, Single girl oder Ciao.
Das erste Live-Lied seit 20 Jahren war De-luxe von der 1990er EP Mad love. Mikis Gesang war leise, aber so ist es eben gedacht. Von den Verstärkerproblemen war nichts zu hören, die Musikanlage im Oslo gilt als die beste in Clubs seiner Größe in London, es war enorm laut, klang aber auch hervorragend.
Auch von der Nervosität der Band war nichts zu merken. Phil und Miki tauschen häufig vor dem Start eines Lieds Blicke aus, das wird mit der wiederkehrenden Routine sicher weniger werden. Nur eine kleine Panne gab es. Bei Etherial, einem der ersten Lush-Lieder, war Justin noch nicht fertig, zeigte das Phil an, der versuchte, die beiden Gitarristinnen zu erreichen, die fingen aber schon an. Justin stieg dann einfach später ein.
Ich hatte mir vorher wenige Gedanken über die Setlist gemacht. Lush sind bekanntlich eine dieser Nur-Hits-Bands. Da ist es dann auch vollkommen egal, was gespielt wird. Und solange das Repertoire einer dieser Gruppen größer ist als das, was man in einem Konzert spielen kann, fehlen immer Lieblinge. Geht gar nicht anders. Lush haben zwar eine neue EP veröffentlicht, deren vier Stücke nahtlos zum Rest passen, sind aber vor allem eine Band, die seit 20 Jahren nicht mehr da war. Ein Best-of quer durchs Archiv war also naheliegend. Allerdings wurde es ein Best-of bis zum letzten Album Lovelife. Von der Platte von 1996 spielten Lush nur Ladykillers fast schon am Ende des Konzerts. Daß Lovelife nicht ihr liebstes Werk ist, ist bekannt. Aber auch darauf sind objektiv nur Hits. Auch wenn ich auf einige Lieblinge verzichten musste, beeindruckt mich die Entscheidung statt Ciao oder Single girl eben Scarlet oder Monochrome zu spielen!
Wenig überraschend war alles super. Kiss chase, das gigantische Light from a dead star (das ein schöner Mottosong wäre, hätten Lush nicht auch in ihrer Abwesenheit hell gestrahlt), For love, Lit up, Sweetness and light, Thoughtforms, Hypocrite (einer der besten Songs der Welt), De-luxe…
Mein (zweit-)größter Lush-Wunsch wäre, die Band spielte im Rahmen der Reunion alle Lieder live. Die Mad love EP ist erledigt, Split zum großen Teil. Aber das ist wie gesagt eigentlich auch egal.
Die ersten drei Zugaben Stray, Desire lines und Leave me cold standen exemplarisch für das Konzert. Nur Desire lines war eine Single. Andere Künstler spielen in Zugaben gerne erst einmal etwas Abwegiges (oder Neues), danach aber die Publikumsschmeichler, die großen Hits. Lush lösen das anders. Auch beim letzten Stück: nicht Superblast! oder so, Monochrome, auf den ersten Blick unspektakulär, auf den zweiten wahnsinnig toll!
Out of control von der 2016er EP Blind spot kündigte Miki mit „this is a new song. Normalerweise geht an der Stelle jeder an die Bar.“ Natürlich ging niemand! Ich glaube, hier traut mir niemand zu, objektiv über ein Lush-Konzert zu schreiben. Ein Trugschluß! Das Konzert war ganz objektiv grandios! Und in dreieinhalb Wochen geht es weiter. In love with you!
Auch das Kloß-im-Hals-Thema löste die Band stilvoll. Vor den Zugaben sagte Miki, sie widmeten diese zwei Menschen, natürlich Chris und Justin Welch.
Setlist Lush, Oslo, London:
01: De-luxe
02: Breeze
03: Kiss chase
04: Hypocrite
05: Lovelife
06: Thoughtforms
07: Light from a dead star
08: Undertow
09: Lit up
10: Etherial
11: Scarlet
12: For love
13: Out of control
14: Ladykillers
15: Downer
16: Sweetness and light
17: Stray (Z)
18: Desire lines (Z)
19: Leaves me cold (Z)
20: Monochrome (Z)
Links:
- Lush, London, 07.05.16
- Lush, London, 06.05.16
3 Kommentare :
Toll, ich neide für das Konzert! Wir fliegen am Freitag nach Manchester für den letzten Auftritt der Tour. Ich freue mich drauf! :-)
Ich auch :-)
Daran habe ich keine Sekunde gezweifelt! Uns beiden viel Spaß! Die "last-ever performance"... *sniff*
Kommentar veröffentlichen