Konzert: Wilco
Ort: Haldern-Pop Festival, Rees-Haldern
Datum: 11.08.2012
von Oliver
Der Headliner des diesjährigen Haldern Pop Festivals, Wilco aus Chicago, verdient natürlich auch einen separaten Bericht. Schließlich ist die Band um Jeff Tweedy in den USA eine ganz große Nummer und in Europa nur recht selten anzutreffen. Wilco haben meine letzten 15 Jahre musikalisch entscheidend mitgeprägt, mir mit Alben wie, Yankee Hotel Foxtrott (2002), A Ghost Is Born (2004) und Sky Blue Sky (2007) wunderschöne Stunden bereitet. Ich liebe die zarte, leicht rauchige Stimme von Jeff, sie ist so verletzlich, tröstlich, anrührend. Und live ist natürlich auch der baumlange Gitarrist Nels Cline eine absolute Wucht. Gegen seine schwindelerregenden Soli ist kein Kraut gewachsen, er stellt wirklich das Idealbild eines «guitar hero» dar. Aber natürlich ist die gesamte Band Wilco trotz vieler Line Up Wechsel exzellent und jeder trägt sein Teil zur Unternehmung bei.
In Haldern war es bereits 0:25 h geworden, als Wilco endlich in See stachen. Sie begannen mit Dawned, War und I Might, bevor sie mit At Least That’s What She Said den ersten Riesenhit zum Besten gaben. Der Sensations-Track von A Ghost Is Born, der so langsam und anschmiegsam beginnt und dann in einen völlig überraschenden noisigen Gitarrenpart einmündet, wurde auch von den im Publikum stehenden Musikern von Megafaun und Bowerbirds begeistert aufgenommen. Die Künstler freuten sich wie kleine Kinder, als Nels Cline seine Riffs in den Halderner Nachthimmel entsendete, headbangten phasenweise fast ein wenig.
Packende Abschnitte wie diesen gab es ein paar, so auch bei Klassikern wie Handshake Drugs oder Shot In The Arm, aber nichts kam an den überragenden Mittelteil heran, als mit Hummingbird, Impossible Germany und dem wunderbar melodiösen Born Alone drei besondere Bonbons ins Publikum geworfen wurden. Da wurde deutlich, wie verdammt gut doch diese Amis sind. Kaum eine Gruppe beherrscht ihre Instrumente so gut, nur wenige haben das Händchen dafür, solch zeitlos schöne Melodien zu schreiben und keine einzige Formation schafft es wie Wilco, den Brückenschlag zwischen Classic Rock aus den 70 er und frühen 80er Jahren, US-Indierock der 90er Jahre und Noiserock im Stile von Sonic Youth hinzubekommen. Wilco beherrschen alles. Sobald man glaubt, ein Song sei zu bieder und bodenständig, wird man von experimentellen, oft sehr lauten Passagen überrascht, die dann wie von Gotteshand geführt wieder zum ursprünglichen Thema zurückkehren. Wilco ist beides, Old school und Moderne. Und immer merkt man, daß hinter dieser Truppe, die oft in Stadien spielen, noch «richtige» Menschen stecken und keine ausgebufften Rockstars, die nur auf Kohle aus sind. Wenn hinterher Besucher auf dem Haldern Forum beklagten, dieser heutige Auftritt sei zu routiniert und lustlos ausgefallen, muss man auch um die Launen und die Leiden des Jeff Tweedy wissen. Der Bursche hat in den vergangenen Jahren teilweise Höllenqualen miterlebt, Depressionen und Panikattacken inklusive. Wenn ihm mal nicht danach ist, rumzualbern und auf Verbrüderung zu machen, dann sollte man das akzeptieren. Klar, seine Kommunikation mit dem Publikum am Niederrhein beschränkte sich weitestgehend auf ein «hello», «thank you» und how are you?» aber er bleibt halt eben lieber authentisch, als ein gekünsteltes Bubblegum Smile aufzusetzen.
Mir jedenfalls hat das ungefähr 90minütige Konzert von Wilco gefallen. Natürlich fehlten ein paar Klassiker im Set, allen voran Jesus etc., aber das Ganze war dennoch musikalisch hochstehend. Schade insofern, daß im Laufe des Gigs so einige Zuschauer frühzeitig das Gelände verließen, sodass die Stimmung am Ende eher mau war und auch die eigentlich eingeplanten Zugaben ausgelassen wurden.
So ging dann das Haldern 2012 etwas abrupt zu Ende, ein paar Dankesworte des unermüdlichen holländischen Moderators, das war’s. Macht nichts, das Festivals war insgesamt wieder traumhaft und ein voller Erfolg. Natürlich sind wir 2013 wieder mit dabei!!
Setlist Wilco, Haldern-Pop Festival:
01: Dawned
02: War
03: I Might
04: At Least
05: Heart
06: One Wing
07: Handshake
08: Poor Places
09: Art
10: Standing O
11: Hummingbird
12: Impossible Germany
13: Born Alone
14: Wishful
15: Whole Love
16: Always
17: HMD
18: I’m The Man
19: Shot
20: Late Greats (vorgesehen, aber nicht gespielt)
21: I’m A Wheel
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