Montag, 20. August 2012

Entertainment For The Braindead, Köln, 16.08.12



Entertainment For The Braindead
Ort: Baustelle Kalk, Köln-Kalk
Datum: 16.08.2012
Zuschauer: etwa 70
Konzertdauer: ungefähr 50


von Oliver


Julia Kotowski alias Entertainment For The Braindead hatte ein paar Stunden vor ihrem Konzert auf ihrer Facebook Seite von einer total abgefahrenen Location geschwärmt und damit nicht übertrieben. In der Tat war die Baustelle Kalk sehr ungewöhnlich und heimelig. Durch einen unscheinbaren privaten Innenhof gelangte man zu dieser verrückten Spielstätte, deren Hauptraum wie ein Wald angelegt war. Auf dem Boden lag Baumrinde, die den Geruch von Holz ausströmte und an der Betondecke hingen ein paar Äste runter. Ich vermute, daß der Raum ursprünglich eine Garage war, bin mir da aber nicht ganz sicher. Auch eine Bar gab es, an der eine nette blonde Bedienung sehr günstiges Kölsch (2 Euro die 0, 5 Liter Flasche) und selbstgebackenen Kuchen (1 Euro) verkaufte.

Julias Konzert begann um kurz nach 9 und wir waren, die Vorgruppe wieder einmal verpassend, gerade noch rechtzeitig gekommen, da wir uns in Kalk nicht auskannten.

Entertainment For The Braindead spielte alleine und nur mit ihrer Akustikgitarre (die ihr ein Freund, der auf Weltreise gegangen war, geliehen hatte), einem Banjo (das nur bei einem überaus tollen Stück zum Einsatz kam) und ihrer obligatorischen Loop-Maschine, zum Widergeben von gesampelten Sequenzen. Eine Ukulele hatte sie aber erstaunlicherweise nicht dabei, obwohl das eigentlich ihr Paradeinstrument ist.

Ungemein behutsam und zart begann sie und sang (bzw. flüsterte) so leise, daß man die englischen Texte kaum verstand. Ihre fragile Stimme klang betörend schön, es fühlte sich an, als würde man von einer Feder gestreichelt. Mir fiel auf Anhieb nur Vashti Bunjan als Vergleich ein, die ebenfalls hauchzart intoniert und Worte wie rohe Eier behandelt, damit sie nicht zerbrechen. Aber das Werk von Entertainment For The Braindead ist eigentlich frei vom Ballast klassischer Referenzen, sie hat sich nie sonderlich mit Singer/Songwriterinnen wie Joni Mitchell, Judee Sill oder eben Vashti Bunjan beschäftigt, sondern tüftelt ganz unvoreingenommen an ihrem selbstgebastelten Lofi- Sound. Ganz persönlich sind auch ihre teils autobiografischen Texte, die eine erstaunlich reife und intelligente Persönlichkeit offenbaren, die mit viel Sanftmut, aber auch Ironie, Weltklugheit und Güte schreibt und singt.

In der schwülen Hitze des künstlichen Waldes in der Baustelle Kalk war es allerdings gar nicht so leicht, sich zu konzentrieren. Im Nu war ich durchgeschwitzt und atmete schwer. Wie gerne wäre ich kurz in den Hof gegangen, um Luft zu schnappen! Aber das ging natürlich nicht, denn es wäre auch verdammt schade gewesen, auch nur eine Minute dieses bewegenden Konzertes zu verpassen. Es setzte sich zum Großteil aus neuen, noch unveröffentlichten Liedern zusammen, von denen eines ein absolutes Juwel war. Es ging um ein «Bycicle» und die ängstlich sorgenvolle Aufforderung »you should were a helmet», was darauf hindeutete, daß es ein Lovesong war. Die Melodie jedenfalls geht mir jetzt schon nicht mehr aus dem Kopf und der liebliche Gesang von Julia jagte mir eine Gänsehaut über den Rücken. Auch ein Cover wurde zum Besten gegeben, aber ich erkannte es leider nicht. Textlich ging es um «sharks», was mir jedoch nicht weiterhalf, um es zu identifizieren. In Darmstadtbei einem vorigen Konzert hatten es die Leute übrigens auch nicht erkannt, was Julia schmunzelnd als «Armutszeugnis» bezeichnete...

Schließlich wurde an eine der heutigen Gastgeberinnen (ich glaube bei der Baustelle Köln handelt es sich um einen gemeinnützigen Verein) ein Geburtstagsgeschenk überreicht und dann wurde es kurzfristig gefühlsduselig, aber keineswegs kitschig. Im Gegenteil, so wurde der private und intime Charakter dieser Show noch einmal verstärkt und man fühlte sich wie auf einer Party bei Freunden.

Das Konzept ging in jedem Falle voll auf und sowohl die immens talentierte Seelentrösterin Entertainment For The Braindead (die mit einem alten Lied von Hydrophobia von 2008 endete) als auch eine Veranstaltung in der Baustelle Kalk würde ich liebend gerne wiedersehen!



1 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

der song war 'white chalk' von pj harvey.

 

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