Konzert: Alamaailman Vasarat
Ort: Tollhaus in Karlsruhe (im Rahmen des Zeltivals)
Datum: 02.08. 2012
Zuschauer: über 500
Dauer: 100 min
von Gudrun aus Karlsruhe
''Fünf Musiker auf der Bühne und keine Gitarre weit und breit.'' An diesen Ausspruch von Christoph musste ich gestern spontan denken (*).
Alamaailman Vasarat (dt. ''Hämmer der Unterwelt'') brachten sogar sechs Mann auf die Bühne - und keine einzige Gitarre. Trotzem fühlte es sich zwischenzeitlich an als wäre das Tollhaus Außenstelle von Wacken (die Dependance mit dem schönen Wetter...) geworden - so eine Rockshow mit Heavy Metal Anklängen wurde geboten.
Ich hatte von der Band noch nie etwas gehört aber die Einladung zum Abend im Tollhaus hatte für mich sehr verlockend geklungen: ''Mit dem finnischen Sextett kommt wahrscheinlich die unwahrscheinlichste Band zum Zeltival. In ihrer Musik wächst zusammen, was nicht zusammengehört, als wäre alles aus der selben Suppe entstanden. Tango, Klezmer, Jazz, Psychobilly, Balkan-Brass, Cabaret, Zircusmusik, New Age, Progressive, Avantgarde und allerschwerster Heavy Metal. Mal todtraurig, dann wieder übermütig sprudelnd, mal in allergrößter Ruhe und Langsamkeit, dann wieder atemlos treibend nehmen Alamaailman Vasarat ihr Publikum auf eine unbeschreibliche Achterbahnfahrt der Gefühle und Stile, die mit Saxophon, Trompete, Horn, Tuba, Posaune, Theremin, Pump-Organ, hart Akzente setzendem Cello, Schlagzeug und Perkussion vielfältigst instrumentiert unerbittlich ihrer Spur folgt. 1997 hervorgegangen aus der legendären Avantgarde Prog Kult Band Höyry-Kone, veröffentlichte das finnische Sextett seit seiner Gründung bislang fünf hochgelobte Alben und hat nun mit „Valta“ gerade das sechste Werk herausgebracht....''
Der versprochene Spaß begann schon beim Betreten des Saales, denn es stand ein Kontrabasssaxophon am Bühnenrand. Wer bittesehr hat schon so ein Instrument aus der Nähe gesehen? Es ist so groß und schwer, dass es auf einem Ständer stehend gespielt werden muss. Der zu diesem schwergewichtigen und gleichzeitig ganz besonderen Instrument perfekt passende Musiker betrat gegen 20:40 Uhr als erster der Band die Bühne und wickelte fortan die 500 Leute im Tollhaus um den kleinen Finger. Jarno Sarkula ist ein absolutes Faktotum und Unikum mit Strubbelbart, langem Zopf, Zylinder und schwarzem Anzug, der sich im Laufe des Abends als Tanzbär erwies. Mit ihm musizierten Erno Haukkala (Trompete und kleine B-Tuba) als zweiter Frontmann, Miikka Huttunen an den Tasten (Flügel, Keyboard, Melodika), Tuukka Helminen und Marko Manninen an je einem Cello und schließlich Santeri Saksala in der Schießbude.
Im ersten Stück ''Riistomaasiirtäjä'' wurde gleich vorgeführt, was die Stärken ihrer Musik sind: mitreißende Melodien, das grunzende oder hoch quäkende Saxophon oft im Duett mit der Trompete, ein druckvolles Schlagzeug und viele Rhythmuswechsel. Die Celli klangen manchmal ein bisschen wie die Landsleute Apocalyptica. Aber dann übernahmen die beiden Frontmänner an den Blasinstrumenten wieder die treibende Rolle und spielten sich die Läufe und Melodien hin und her. Es war eine Freude für Augen und Ohren und die Mischung der musikalischen Einflüsse ist wirklich atemberaubend. Es wurde viel mitgetanzt oder wenigstens mit den Hüften gewippt, zwischendurch auch mal der Atem angehalten, wenn es gar zu verrückt abging oder laut gelacht, wenn sich die Musiker selbst nicht so ernst nahmen. Aber jedes einzelne Stück wurde abgefeiert und die Zeit verging wie im Flug.
Dafür, dass es in den instrumentalen Stücken ja gar keine Texte gibt, führte uns der schwergewichtige Saxophonist mit seinem sehr eigenen leicht schwarzen Humor (**) sehr beredt durch das Programm. Jede Ansage war schräg und komplett nicht ernst zu nehmen. Da wanderte Ägypten in die Nähe von Neuseeland oder eine Übersetzung eines finnischen Titels ins Englische lautete angeblich ''chingchong''.
Aber schließlich lief es fast immer auf irgendeine Geschichte hinaus über (giftige) Spinnen und Schlangen von denen es in den finnischen Bergen so viele gibt...
Eine Ausnahme und für mich persönlich den Höhepunkt bildete das Stück ''Vanha Lapsuudenystävä'' für einen toten Schulfreund in der zweiten Hälfte des Sets. Hier wurde erstmals der Flügel eingesetzt und es war ein sehr ruhiges und nachdenkliches Stück - fast mit geisterhaften Anklängen.
Es ist schwierig, den schrägen Humor hier aufgeschrieben wieder zu geben, aber ich versuche es mal am Beispiel der letzten Ansage des regulären Sets:
''The next is the last song" (im Publikum rumort es und er macht eine bedächtige Pause) "of course, the last one can have been the last one" (Pause) "since we could die any minute !!" (Gelächter im Publikum nach einem Denkmoment) "but let's hope not.'' (endgültiges Gelächter, das von Musik abgelöst wird)
Das begeisterte Publikum erklatschte sich noch Zugaben und kaufte anschließend fast den ganzen Vorrat an CDs und DVDs auf.
Das Resümé des Tollhauses nach dem Abend liest sich kurz und prägnant so (ich zitiere ein bisschen neidisch auf die Formulierungskunst): ''Als skurrilstes Beerdigungsinstitut der Welt präsentierte sich dieses finnische Sextett das mit seiner zwischen tieftraurigster Melancholie und Hochgeschwindigkeitspolka, Balkan, Klezmer und Heavy Metal pendelnden Musik und ungesungenen Liedern über Spinnen und Schlangen im Nu das Publikum hinriss. Alleine die Besetzung mit zwei Celli, Kontrabass- und Sopransaxophon, Trompete, Keyboard und Schlagzeug bescherte einen außergewöhnlichen Sound.''
Wer nun neugierig geworden ist, findet musikalische Eindrücke aus verschiedenen Alben in der Soundcloud.
Aber ich würde jedem ein Liveerlebnis ans Herz legen, denn das kriegt man wirklich ganz selten geboten. Unbedingt auch weitersagen und die Band wieder nach Deutschland holen - das kann man unmöglich nur den Finnen lassen.
(*) Das war zum Konzert von Dark Dark Dark am 15. April in der Brotfabrik in Frankfurt. Wir waren beide vor Ort, haben das aber erst hinterher bemerkt.
(**) In der Tat ist Jarno Sakula in Finnland in Gamerkreisen sehr bekannt. Er hat eine TVShow über Computerspiele moderiert und war dort für seinen Humor bekannt. Inzwischen hat er eine eigene Firma die Games und Musik produziert unter dem Namen "Stakula"
Setlist Alamaailman Vasarat, Tollhaus, Karlsruhe:
01: Riistomaasiirtäjä (Valta 2012)
02: Meressä Ei Asuta (Huuro Kolkko 2009)
03: Luu Messingillä (Valta 2012)
04: Mamelukki & Musta Leski (Vasaraasia 2000)
05: Haudankantaja (Valta 2012)
06: Eläimet Huutaa (Maahan 2007)
07: Hajakas (Valta 2012)
08: Maahan (Maahan 2007)
09: Kyyhylly (Maahan 2007)
10: Henkipatto (Valta 2012)
11: Tujuhuju (Huuro Kolkko 2009)
12: Vanha Lapsuudenystävä (Käärmelautakunta 2003)
13: Mielisaurus (Huuro Kolkko 2009)
14: Lentävä Mato (Käärmelautakunta 2003)
15: Hirmuhallinto (Valta 2012)
16: Häntä Hellii Käärme (Vasaraasia 2000)
17: Uurnilla (Valta 2012) (Z)
18: Katkorapu (Maahan 2007) (Z)
19: Astiatehdas (Käärmelautakunta 2003) (Z)
Ort: Tollhaus in Karlsruhe (im Rahmen des Zeltivals)
Datum: 02.08. 2012
Zuschauer: über 500
Dauer: 100 min
von Gudrun aus Karlsruhe
''Fünf Musiker auf der Bühne und keine Gitarre weit und breit.'' An diesen Ausspruch von Christoph musste ich gestern spontan denken (*).
Alamaailman Vasarat (dt. ''Hämmer der Unterwelt'') brachten sogar sechs Mann auf die Bühne - und keine einzige Gitarre. Trotzem fühlte es sich zwischenzeitlich an als wäre das Tollhaus Außenstelle von Wacken (die Dependance mit dem schönen Wetter...) geworden - so eine Rockshow mit Heavy Metal Anklängen wurde geboten.
Ich hatte von der Band noch nie etwas gehört aber die Einladung zum Abend im Tollhaus hatte für mich sehr verlockend geklungen: ''Mit dem finnischen Sextett kommt wahrscheinlich die unwahrscheinlichste Band zum Zeltival. In ihrer Musik wächst zusammen, was nicht zusammengehört, als wäre alles aus der selben Suppe entstanden. Tango, Klezmer, Jazz, Psychobilly, Balkan-Brass, Cabaret, Zircusmusik, New Age, Progressive, Avantgarde und allerschwerster Heavy Metal. Mal todtraurig, dann wieder übermütig sprudelnd, mal in allergrößter Ruhe und Langsamkeit, dann wieder atemlos treibend nehmen Alamaailman Vasarat ihr Publikum auf eine unbeschreibliche Achterbahnfahrt der Gefühle und Stile, die mit Saxophon, Trompete, Horn, Tuba, Posaune, Theremin, Pump-Organ, hart Akzente setzendem Cello, Schlagzeug und Perkussion vielfältigst instrumentiert unerbittlich ihrer Spur folgt. 1997 hervorgegangen aus der legendären Avantgarde Prog Kult Band Höyry-Kone, veröffentlichte das finnische Sextett seit seiner Gründung bislang fünf hochgelobte Alben und hat nun mit „Valta“ gerade das sechste Werk herausgebracht....''
Der versprochene Spaß begann schon beim Betreten des Saales, denn es stand ein Kontrabasssaxophon am Bühnenrand. Wer bittesehr hat schon so ein Instrument aus der Nähe gesehen? Es ist so groß und schwer, dass es auf einem Ständer stehend gespielt werden muss. Der zu diesem schwergewichtigen und gleichzeitig ganz besonderen Instrument perfekt passende Musiker betrat gegen 20:40 Uhr als erster der Band die Bühne und wickelte fortan die 500 Leute im Tollhaus um den kleinen Finger. Jarno Sarkula ist ein absolutes Faktotum und Unikum mit Strubbelbart, langem Zopf, Zylinder und schwarzem Anzug, der sich im Laufe des Abends als Tanzbär erwies. Mit ihm musizierten Erno Haukkala (Trompete und kleine B-Tuba) als zweiter Frontmann, Miikka Huttunen an den Tasten (Flügel, Keyboard, Melodika), Tuukka Helminen und Marko Manninen an je einem Cello und schließlich Santeri Saksala in der Schießbude.
Im ersten Stück ''Riistomaasiirtäjä'' wurde gleich vorgeführt, was die Stärken ihrer Musik sind: mitreißende Melodien, das grunzende oder hoch quäkende Saxophon oft im Duett mit der Trompete, ein druckvolles Schlagzeug und viele Rhythmuswechsel. Die Celli klangen manchmal ein bisschen wie die Landsleute Apocalyptica. Aber dann übernahmen die beiden Frontmänner an den Blasinstrumenten wieder die treibende Rolle und spielten sich die Läufe und Melodien hin und her. Es war eine Freude für Augen und Ohren und die Mischung der musikalischen Einflüsse ist wirklich atemberaubend. Es wurde viel mitgetanzt oder wenigstens mit den Hüften gewippt, zwischendurch auch mal der Atem angehalten, wenn es gar zu verrückt abging oder laut gelacht, wenn sich die Musiker selbst nicht so ernst nahmen. Aber jedes einzelne Stück wurde abgefeiert und die Zeit verging wie im Flug.
Dafür, dass es in den instrumentalen Stücken ja gar keine Texte gibt, führte uns der schwergewichtige Saxophonist mit seinem sehr eigenen leicht schwarzen Humor (**) sehr beredt durch das Programm. Jede Ansage war schräg und komplett nicht ernst zu nehmen. Da wanderte Ägypten in die Nähe von Neuseeland oder eine Übersetzung eines finnischen Titels ins Englische lautete angeblich ''chingchong''.
Aber schließlich lief es fast immer auf irgendeine Geschichte hinaus über (giftige) Spinnen und Schlangen von denen es in den finnischen Bergen so viele gibt...
Eine Ausnahme und für mich persönlich den Höhepunkt bildete das Stück ''Vanha Lapsuudenystävä'' für einen toten Schulfreund in der zweiten Hälfte des Sets. Hier wurde erstmals der Flügel eingesetzt und es war ein sehr ruhiges und nachdenkliches Stück - fast mit geisterhaften Anklängen.
Es ist schwierig, den schrägen Humor hier aufgeschrieben wieder zu geben, aber ich versuche es mal am Beispiel der letzten Ansage des regulären Sets:
''The next is the last song" (im Publikum rumort es und er macht eine bedächtige Pause) "of course, the last one can have been the last one" (Pause) "since we could die any minute !!" (Gelächter im Publikum nach einem Denkmoment) "but let's hope not.'' (endgültiges Gelächter, das von Musik abgelöst wird)
Das begeisterte Publikum erklatschte sich noch Zugaben und kaufte anschließend fast den ganzen Vorrat an CDs und DVDs auf.
Das Resümé des Tollhauses nach dem Abend liest sich kurz und prägnant so (ich zitiere ein bisschen neidisch auf die Formulierungskunst): ''Als skurrilstes Beerdigungsinstitut der Welt präsentierte sich dieses finnische Sextett das mit seiner zwischen tieftraurigster Melancholie und Hochgeschwindigkeitspolka, Balkan, Klezmer und Heavy Metal pendelnden Musik und ungesungenen Liedern über Spinnen und Schlangen im Nu das Publikum hinriss. Alleine die Besetzung mit zwei Celli, Kontrabass- und Sopransaxophon, Trompete, Keyboard und Schlagzeug bescherte einen außergewöhnlichen Sound.''
Wer nun neugierig geworden ist, findet musikalische Eindrücke aus verschiedenen Alben in der Soundcloud.
Aber ich würde jedem ein Liveerlebnis ans Herz legen, denn das kriegt man wirklich ganz selten geboten. Unbedingt auch weitersagen und die Band wieder nach Deutschland holen - das kann man unmöglich nur den Finnen lassen.
(*) Das war zum Konzert von Dark Dark Dark am 15. April in der Brotfabrik in Frankfurt. Wir waren beide vor Ort, haben das aber erst hinterher bemerkt.
(**) In der Tat ist Jarno Sakula in Finnland in Gamerkreisen sehr bekannt. Er hat eine TVShow über Computerspiele moderiert und war dort für seinen Humor bekannt. Inzwischen hat er eine eigene Firma die Games und Musik produziert unter dem Namen "Stakula"
Setlist Alamaailman Vasarat, Tollhaus, Karlsruhe:
01: Riistomaasiirtäjä (Valta 2012)
02: Meressä Ei Asuta (Huuro Kolkko 2009)
03: Luu Messingillä (Valta 2012)
04: Mamelukki & Musta Leski (Vasaraasia 2000)
05: Haudankantaja (Valta 2012)
06: Eläimet Huutaa (Maahan 2007)
07: Hajakas (Valta 2012)
08: Maahan (Maahan 2007)
09: Kyyhylly (Maahan 2007)
10: Henkipatto (Valta 2012)
11: Tujuhuju (Huuro Kolkko 2009)
12: Vanha Lapsuudenystävä (Käärmelautakunta 2003)
13: Mielisaurus (Huuro Kolkko 2009)
14: Lentävä Mato (Käärmelautakunta 2003)
15: Hirmuhallinto (Valta 2012)
16: Häntä Hellii Käärme (Vasaraasia 2000)
17: Uurnilla (Valta 2012) (Z)
18: Katkorapu (Maahan 2007) (Z)
19: Astiatehdas (Käärmelautakunta 2003) (Z)
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