Freitag, 12. November 2010

Warpaint, Frankfurt, 11.11.10


Konzert: Warpaint (& etwas Lokales vorher)
Ort: Brotfabrik, Frankfurt
Datum: 11.11.2010
Zuschauer: recht voll, allerdings nicht ausverkauft
Dauer: Warpaint 70 min


An Warpaint kommt man zur Zeit einfach nicht vorbei, zumindest in unserem musikalischen
Mikrokosmos. Mir ist durchaus bewußt, daß vermutlich höchstens ein, zwei Tausend Landsleute schon einmal von dieser Band gehört haben, in dieser Szene allerdings werden die Amerikanerinnen gerade enorm gehypt. Auch wenn ich mich nicht davon freisprechen kann, vielen dieser Hypes aus Neugierde Aufmerksamkeit zu widmen, liegt der Fall bei Warpaint anders, da ich die Kalifornierinnen im Mai im Rahmen der Nuits Botaniques in Brüssel im Vorprogramm von Wolf Parade gesehen und mich sofort unsterblich in ihre Musik verliebt hatte. Dabei waren wir damals spät dran und erlebten leider nur noch die letzten 2,5 Stücke der Band, aber Billie Holiday und Elephants hatten mich tief beeindruckt. Vor allem dieses Billie Holiday... so ein tolles Stück hatte ich seit The Organ oder deren Nachfolger Lovers Love Haters nicht mehr gehört. Alleine dieser Buchstabier-Anfang!

Ihr Konzert in Frankfurt war das dritte und letzte einer ersten Deutschland-Tour. Booker aus Köln hatten sich diese Perle entgehen lassen, also spielte Warpaint nur in
Berlin, Hamburg und Frankfurt. Als ich in der Brotfabrik ankam, spielte eine leider sehr belanglose örtliche Vorgruppe (Borgenine), bei der das einzig Erwähnenswerte war, daß Warpaint Bassistin Jenny Lee Lindberg im Publikum zusah.

Der Saal der Brotfabrik ist perfekt für Konzerte. Die Bühne ist breit, der Saal luftig, und er scheint nicht überbucht zu werden. Daß trotzdem die beiden einzigen Leute im Raum, die sich laut unterhalten wollten, immer wieder meine Nähe suchten, kann ich der Brotfabrik sicher nicht vorwerfen.

Die vier Musikerinnen hatten nichts von mondänem L.A. Style, als sie auf die Bühne kamen. Jenny Lee in der Mitte trug einen riesigen Jeans Overall, Gitarristin Emily
Kokal eine Jogginghose, die links stehende Theresa Wayman (auch Gitarre) ein Holzfällerhemd. Aber irgendwie ist ihre Musik ja genauso: unaufgeregt und alles andere als auf Effekte ausgerichtet.

Wie toll der reduzierte Sound funktioniert, merkte man sofort. Dezente Instrumentierung, dazu meist mehrstimmiger Gesang, der nicht immer laut aber jederzeit eindrucksvoll ist. Stars von der 2008er EP Exquisite Corpse, das als zweites gespielt wurde, war bisher in meinen Ohren nur eins von vielen schönen Liedern. Wie wundervoll das Stück ist, fiel mir erst live auf.

Erstaunlicherweise spielten die alten Lieder wie Stars eine größere Rolle als üblich, Warpaint hatten fünf der sechs Titel der EP im Programm. Aber das ist musikalisch vollkommen unwichtig, weil zwischen EP und Platte keinerlei Qualitätsunterschiede festzustellen sind.

Für eine junge Band schienen die Musikerinnen extrem vertraut mit dem zu sein,
was sie machen. Junge Band ist allerdings auch nicht ganz richtig, Warpaint existiert bereits seit 2004. Damals hatten sich Theresa und Emily, die sich in Oregon kennengelernt hatten, mit den beiden Schwestern Jenny Lee und Shannyn Sossamon (die später ausstieg, um sich aufs Schauspielern zu konzentrieren - sie spielt unter anderem alle drei Wochen die Lady Jocelyn in Ritter aus Leidenschaft im deutschen Fernsehen) getroffen und gemeinsam Musik gemacht. Obwohl einige Musiker kamen und gingen (u.a. Josh Klinghoffer von den Red Hot Chili Peppers, während Ex-Red Hot Dings Gitarrist und Theresas Exfreund* John Frusciante das Album produziert hat), bilden die drei Freundinnen das Grundgerüst der Band. Und das merkt man eben von A bis Z.

Nur einmal kam da doch die junge Band durch. Nachdem Warpaint ihr reguläres Set beendet hatten, kam ein Roadie und stimmte Theresas und Emilys Gitarren. Das war
insofern spektakulär, weil es ewig dauerte und das Zugabeklatschen immer leiser wurde. Ob die beiden ihre Instrumente nicht stimmen können oder da doch ein Hauch Hollywood durch die Brotfabrik schwebte, weiß ich nicht, ich fand die Situation enorm komisch aber auch wahnsinnig charmant.

Vielleicht wollte der Roadie aber auch sicher gehen, daß das schönste Lied der Band auch ja nicht schief klang, die erste Zugabe war nämlich Billie Holiday, und es war perfekt!

Warpaint werden vollkommen zurecht überall gelobt. Die Band hat einfach zu viel Substanz, um nur eine flüchtige Erscheinung zu sein. Standard für solche Bands mit überschaubarem Repertoire ist doch zum Beispiel, daß Konzerte gerade mal eine Dreiviertelstunde dauern. Warpaint hatten das Selbstvertrauen 70 Minuten auf der
Bühne zu stehen. Und sie haben natürlich auch das Songmaterial dafür. Fasziniert hat mich auch, daß trotz des eigentlich monotonen Grundsounds (hier: monoton=gut!) ein treibender Beat entstehen konnte, im Saal das Wippen immer mehr in Tanzen überging. Damit sind Warpaint, obwohl eigentlich vollkommen anders, machmal auch nicht weit weg von The xx, die sie bereits supportet haben.

Am Wochenende treten die Amerikanerinnen beim Rolling Stone Weekender auf. Es ist wohl nicht zu gewagt vorherzusagen, daß sie auch da mächtig beeindrucken werden...


Setlist Warpaint, Brotfabrik, Frankfurt:

01: Bees
02: Stars
03: Composure
04: Undertow
05: Warpaint
06: Set your arms down
07: Beetles
08: Burgundy
09: Elephants

10: Billie Holiday (Z)
11: Majesty (Z)**


* wir machen hier zu wenig Indietratsch
** noch nicht endgültig kontrolliert. Mir scheint, es fehlt eines.



6 Kommentare :

Guido hat gesagt…

Besser hätte ich es auch nicht schreiben können :-)
War selbst die längere verregnete Fahrt wert.

Christoph hat gesagt…

Danke!

Der verfluchte Regen hat sehr genervt!

Oliver Peel hat gesagt…

"Besser hätte ich es auch nicht schreiben können" ist einer der besten Kommentare, den wir hier je hatten.

Martin hat gesagt…

Absolut berechtigter Bericht!!! Bin schon lange nicht mehr so dermaßen verzaubert worden auf einem Konzert!! Fande es auch toll, dass die EP so zelebriert wurde. Die Songs gefallen mir noch einen Tick besser (wenn man davon auf so einem hohen Niveau überhaupt sprechen kann).

big fox hat gesagt…

gibts vielleicht noch mehr fotos von dem gig?

Christoph hat gesagt…

Ja, hier habe ich ein paar zusätzliche Fotos:

http://www.flickr.com/photos/-christoph-/sets/72157625243851727/

 

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