Donnerstag, 1. Mai 2008

The Indelicates, Münster, 30.04.08


Konzert: The Indelicates
Ort: Amp, Münster
Datum: 30.04.2008
Zuschauer: gut 100 (recht voll)
Konzertdauer: 60 min.


Bis Köln lief alles prima. Um 18 Uhr war ich mit den Indelicates zu einem Interview verabredet. Und weil es ja ein Quasi-Freitag an diesem Mittwoch war, so vor dem ersten Mai, war ich großzügig beim Einplanen der Reservezeit. Bis Köln rollte der Verkehr dann ja auch gut. Das erste Viertel meiner Reserve verlor ich am Dreieck Heumar. Viel erschreckender waren aber die Aussichten. Die Stauschau sprach von 220 km Stau in NRW, schnell anwachsend. Mich hätten davon schon einmal direkt 26 km betroffen. Um das Interview irgendwie zu retten, entschied ich mich für eine Flucht durchs Sauerland. Ohne Erfolg, denn je näher ich mich der A1 näherte, desto langsamer kam ich voran. Über (und durch) Dortmund und viele Flüche später hatte ich mich um 18 Uhr dann Münster immerhin bis auf 40 km genähert, worüber ich mich eine ganze Weile freuen konnte, am Kamener Kreuz ging nämlich nichts mehr. Da auch die Telefonnummer des Amp nicht ging ("der Anschluß ist vorübergehend nicht erreichbar"), blieb mir nichts, als mich damit zu vertrösten, daß ich immerhin noch ein schönes Konzert sehen würde - irgendwann.

Zweieinhalb Stunden später als geplant erreichte ich das Amp wirklich noch. Recht schnell begegnete ich in dem extrem süßen Club dann auch Julia Indelicate, der Sängerin und Keyboarderin, bei der ich mich eigentlich nur für das Versetzen entschuldigen wollte. Julia sagte aber gleich, daß wir das Interview noch machen sollten, wir müssten nur kurz auf Simon warten, der gerade eine Gitarre kaufe! Zeit war glücklicherweise reichlich, denn die Engländer sollten erst um 23 Uhr auftreten.

Nach dem Interview mit dieser unglaublich sympathischen Band (das morgen hier folgt) und Abendessen in der Stadt, kamen meine Konzertbegleiter und ich um kurz vor elf wieder im Amp an. Da spielte gerade noch die Vorgruppe The Sellers aus Münster, die ihrem Namen alle Ehre machte und eindrucksvoll viele Merchandising Artikel anbot. Musikalisch kann ich die Band mit Sängerin nicht beurteilen, da ich dafür zu wenig von ihr hörte.

Das Amp ist einfach wundervoll. Der Club ist verwinkelt, überall stehen Sofas und Sessel. Auf die Bühne geht man eigentlich direkt zu, wenn man reinkommt. Allerdings ist dies die Bühnenrückwand, die durch einen schwarzen Vorhang abgetrennt ist. Man geht einmal um dieses Vorhangkonstrukt herum, an einer großen Bar vorbei und kommt in einen kleinen Raum auf der anderen Seite der Bühne. Ich habe mich gleich in diesen Laden verliebt! Allerdings hatte ich mir natürlich auch die richtige Band dafür ausgesucht, schließlich sind mir die Indelicates in den letzten Monaten extrem ans Herz gewachsen.

Warum das so ist, war ganz schnell wieder klar. Die fünf Bandmitglieder sind unglaublich sympathisch und vermitteln, daß ihnen Auftritte großen Spaß machen. Daher sind Konzerte der Indelicates (das war mein viertes) eine ganz große Freude. Dazu kommt die Musik. Live ist die Band eine ganze Ecke härter als auf Platte. Die beiden Gitarren sind ordentlich rockig und laut. Julias wundervoll hohe Stimme wird ab und zu richtig punkig. Der Sound im Amp war zwar sicher nicht der beste, das tat einem großartigen Konzert aber keinerlei Abbruch.

Los ging es mit "
The last significant statement to be made in Rock'n'Roll", also schon einem der Hits der Indelicates. Simon benutzte noch seine alte Gitarre. Im Gegensatz zu Köln vergangene Woche war er aber wieder fit. Seiner Stimme merkte man keine Grippeschädigung mehr an. In Köln hatte er sich sichtbar durch das Konzert gequält. Das war durch große Begeisterung des Publikums honoriert worden. Hier war die Stimmung gleich gut. Der vielleicht 30 qm große Raum vor der Bühne war knallvoll. Ich kann nicht beurteilen, wie viele der Besucher die Indelicates vorher kannten. In einer indiephilen Stadt wie Münster waren das sicher einige. Sicheres Indiz dafür sind die Mitsänger bei B-Seiten oder anderen non-Album-Tracks (liebe Indelicates, wenn ich Euch das nächste Mal sehe, wünsche ich mir das herrliche "The sequel to Peter Pan and Wendy"!). Viele der Zuschauer haben vermutlich aber vorher nichts von der englischen Band gehört. Aber auch bei denen kamen sie bestens an, die Stimmung im Amp war nämlich ausgezeichnet.

Das Set war ein anderes als vor ein paar Tagen, was bei mir weitere Pluspunkte eingebracht hätte, wäre das noch möglich gewesen. Neu war für mich "Better to know" von "America Demo", das ich noch nicht live gesehen hatte. Nicht neu war aber, daß es so viele kleine Momente gibt, die einfach zauberhaft sind. Julia und Simon sind nicht nur Musiker, sie sind auch große Entertainer. "
Julia, we don't live in the 60's" beginnt live wie auf Platte mit der Flöteneinlage der Sängerin. Sie nutzte die Metallflöte aber erst einmal für ein wenig "Scarborough fair". Den Interpreten, der das traditionelle englische Lied auch einmal gesungen hat, imitierte Simon wieder bei" Heroin". In Köln hatte er offenbar spontan "Heroin" als Tom Waits und Bob Dylan gesungen. Daran hatte er scheinbar ähnlich viel Spaß wie das Kölner Publikum, im Amp fing er "my heroine is on heroin" wieder mit Bob Dylan Stimme an!

Nach "
"Julia, we don't live in the 60's" (und dem Abfeuern einer kleinen Konfettibombe) kündigte Simon das letzte Lied an. Julia erwiderte: "No, it's not our last song." Er kontrollierte die Setlist, hielt den kleinen Zettel, der unter ihrem Keyboard lag, hoch und beschwerte sich, daß er mit so etwas arbeiten müsse.

Wirklich der letzte Song vor den Zugaben war "
Our daughters will never be free", das ich schon immer mochte, das mich aber im Amp vollkommen vom Hocker gerissen hat. Im Gegensatz zu den zwei oder drei Versionen, die ich kenne, ist das Lied live viel spärlicher arrangiert. Am Anfang ist da nur Julias traumhafte Stimme, dann setzt der Bass von Kate Newberry ein. Und die Stelle war für mich die schönste des Abends!

Die Zugaben waren diesmal "Pete Doherty", das Simon alleine sang und am Ende "We hate the kids". Dazwischen spielten sie "Heroin", mit einem Moment, der mir auch eine Antwort auf meine Ausgangsfrage, warum ich die Indelicates so sehr liebe, gab. Nach seiner Bob Dylan Strophe hatte Simon den Faden verloren. "Wie geht es weiter, Julia?" - "She's not dirty, she's past thirty".

Konzerttermine The Indelicates:

02.05.08 Biel, Schweiz
03.05.08 Berlin, Bang Bang Club
05.05.08 Wien, B72
06.05.08 Dresden, Beatpol
07.05.08 Erfurt, Engelsburg
14. - 16.08.08: Frequency Festival Salzburg

Setlist The Indelicates, Amp, Münster:

01: The last significant statement to be made in Rock'n'Roll
02: Sixteen
03: America
04: Stars
05: New art for the people
06: Fun is for the feeble minded
07: Vladimir
08: Better to know
09: Julia, we don't live in the 60's
10: Unity Mitford
11: Our daughters will never be free

12: Waiting for Pete Doherty to die (Z)
13: Heroin (Z)
14: We hate the kids (Z)

Links:

- aus dem Archiv:
- The Indelicates, Köln, 24.04.08
- The Indelicates, Köln, 04.10.07
- The Indelicates, Frankfurt, 30.09.07



 

Konzerttagebuch © 2010

Blogger Templates by Splashy Templates