Montag, 26. Mai 2008

Dinosaur jr., München, 23.05.08


Konzert: Dinosaur jr.
Datum: 23.05.2008
Ort: Moffathalle, München
Zuschauer: ausverkauft


Wo passiert Bewegung? Es muss nicht immer die sichtbare Sequenz sein, die Wirkung hinterlässt. so steht man denn etwas ungläubig einem stoisch dreinblickenden Joseph Donald Mascis jr. gegenüber und fragt sich, wo all die emotionsgeschwängerten Töne herkommen. Es kann nicht mit rechten Dingen zugehen, sollte wirklich der unter J. Mascis bekannte Frontmann der berühmt berüchtigen Dinosaur jr. daran beteiligt sein. Denn mit völlig ausdrucksloser Miene vollführt er seine Gitarrenläufe und läßt das Gerät, das ihm lässig über die Schultern hängt, singen. Er ist der Zeremonienmeister einer alt gedienten und zugleich überaus agilen Dreimanngemeinschaft, die das zuhauf angegraute Publikum in zunächst zögerliche, später ausgereifte Ekstase zu versetzen weiß. Murph und Lou Barlow, zurückgekehrt in den Bannkreis des weißhaarig behangenen Chefs, beleben neben dem straffen Rhythmusgerüst auch die harmonische Komponente des musikalischen Konzepts dieser Band, die ihre Höhen und Tiefen nie zu verbergen wusste. Mit der Reunion in 2005 und dem aktuellen Album "Beyond" wird Mascis und co. kein Geldsegen behelligen, aber dafür bekommen sie eine mittelgroße Muffathalle an einem Freitag abend fast vollständig befüllt.

Und es werden keine Gefangenen gemacht. Mascis, eingehüllt in einen Halbkreis aus Marshallboxen, die ihm den Abend auf eine für jeden unkundigen unheimliche Weise versüssen, singt, als wäre seine Anwesenheit nicht gefragt, ein Pressen, ein Nuscheln, kaum hörbare unterschiede zwischen den einzelnen Worten, Sätzen, Liedern. und doch kennt die Crowd jeden Fetzen und singt, da die Band Stillstand übt gelassen mit. Wer bei dieser Veranstaltung kein Eingeweihter ist, wird sich nicht nur über die Gestalt Mascis' wundern, sondern über die Brachialgewalt einer Musik, die wie aus einem entfernten Jahrtausend, angestaubt und auf sympathische Art konventionell, herüberweht, nein -stürmt! Lou Barlow, der mit seinem immer noch auf Milchbubimodus eingestellten Gesicht, gegenüber seinem Paten geradezu euphorisch wirkt, wenn er mit offen kreisendem Arm seinen Bass bedient, als sei es ein weniger virtuos denn strafend zu handhabendes Instrument. Die Wucht dieses Geräts lenkt ab von Murphs dynamischen und punktgenauen Schlagzeugspiel. Ein Wunder, was der Kerl aus den kleinen, grünfunkelnden Drums herausholt. und doch bleiben beiden nur Sideparts an diesem und vermutlich allen anderen Abenden, die sie mit Mascis die Bühne teilen. Seine ausgewachsenen, schreienden, fein ausgearbeiteten Soli beherrschen die Szenerie und werden vom Publikum mit Oberkörperkreisen in den hinteren Reihen und wildem Moshpit in vorderster Front gefeiert. So stehen sich Kultfigur und Auditorium auf denkbar konträrste Weise gegenüber. Hier der Stoiker, dort die wilde Brandung. Und die Liebe ist dennoch gleichsam groß und wird von Seiten der Band mit Songs des aktuellen Albums, aber auch mit einigen Gassenhauern beantwortet, von Seiten der Fans mit Applaus, pfiffen und allerlei weiteren Bekundungen unumwundener Zuneigung und Dankbarkeit. Wer glaubt, dass ich übertreibe, suche bei nächster Gelegenheit ein Konzert von Dinosaur jr. auf! Dass an diesem Abend zwei Vorbands am Start waren, ist eine Marginalie dieses Berichts. Denn die Band aus Amherst strahlte und in ihrem Glanz versengt sich jeder noch so gut gemeinte Auftritt. Über Mondo Fumatore möchte ich den Mantel des Schweigens hängen, denn sie waren ausgesprochen schlecht, langweilig und neben memorablem Material mangelte es auch an Bühnenpräsenz und leider nicht an schlechten Witzen. Die waren vermutlich der Nervosität geschuldet. Eine deutliche Steigerung gegenüber den Deutschen waren Awesome Colour aus den Staaten, deren Mixtur aus Garage, Metal und psychedelischem Rock 'n Roll mehr als unterhaltsam war. Ihr letztes Album erschien auf Ecstatic Peace, allemal ein Grund aufmerksam zu bleiben, was das Treiben der drei Jungspunde (Dame an der Schießbude!) betrifft.

Einziger Minuspunkt des Abends, vernachlässigen wir das Treiben von Mondo Fumatore, war die fehlende zweite Zugabe des Hauptacts. Aber angesichts einer langen Tournee muss man verstehen, dass die alten Säcke Energien sparen müssen.

Setlist Dinosaur jr., München:

01: Been there all the times
02: Budge
03: Lou2 (?)
04: Crumble
05: Pick me up
06: Out there
07: This is all I came to do
08: Feel the pain
09: Raisans
10: Freakscene
11: Kracked
12: Sludgefeast

13: The wagon (Z)
14: Tarpit (Z)

von Eike vom klienicum

Links:

- aus unserem Archiv:
- Dinosaur Jr., Paris, 24.08.07
- Dinosaur Jr., Hohenfelden, 18.08.07





4 Kommentare :

E. hat gesagt…

mein gott, christoph, jetzt sehe ich das erst. hast du dir echt die mühe gemacht, und den ganzen kleingeschriebenen kram eingedeutscht? du armer!

Anonym hat gesagt…

Hi Eike, neidvoll lese ich deinen unterhaltsamen Bericht, und ärgere mich plötzlich wieder, dass ich das Kölner Dinosaur Konzert wegen schlechter Urlaubsplanung verpasst habe ;-)

E. hat gesagt…

dafür treibst du dich aber in durchaus gefälligen gefilden umher! alle achtung! wenn ich tauschen hätte können sollen müssen, dann...

Anonym hat gesagt…

das konzert war definitiv nicht ausverkauft. die halle war doch kaum halb voll. aber das ist jetzt egal. bald kommt "FARM", das neue dinosaur album. ja ja ja. so so so.

 

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