Dienstag, 22. September 2015

Mercury Rev, Incubate Festival Tilburg, 18.09.2015, Schouwburg Tilburg,


Konzert: Mercury Rev
Ort: Tilburg
Datum: 18.09.2015
Dauer: 105min
Zuschauer: 800


Der Abend im Dezember 1991 wird mir immer in Erinnerung bleiben. Der Tipp des besten Freundes "hör mal rein, klingt wie Pink Floyd" erweiterte meinen damaligen musikalischen Horizont um ein Vielfaches. Mercury Rev spielten damals zwar das wohl schlechteste Konzert unserer jetzt fast 25jährigen Beziehung, trotzdem war es ein Meilenstein. 

Der damals noch schwergewichtige Frontman eilte während der ausufernden Songs zur Bars um neue Drinks zu ordern, das Luxor stand im Bühnennebel und entdampfte danach auf die kalte Straße. Die Zeiten änderten sich, Jonathan spielte zeitweise bei den Flaming Lips Gitarre, David Baker konsumierte wohl auch härtere Dinge als Drinks und verließ die Band. Der Sound wurde melodischer und "normale" Songstrukturen rückten stärker in den Vordergrund. Deserter`s Songs wurde Platte des Jahres im NME und alles schien perfekt. 

Leider konnten sich Mercury Rev aber danach nicht mehr in der oberen Liga halten. Obwohl sie live ständig tolle Konzerte gaben waren die Abstände zwischen den Platten einfach zu groß. Immer wieder starteten sie neu und verloren an Kraft. Die letzte CD aus dem Jahr 2008 war für mich das erste Desaster seit ihrer Gründung, sie sollten sich Jahre nicht davon erholen. Umso erstaunlicher dann die Ankündigung des Incubate Festivals in Tilburg: "Mercury Rev mit Orchester im Theatersaal". 

Mit gemischten Gefühlen fuhr ich Freitag in die Niederlande. Würde mich die Band nochmals bezaubern oder ist es das letzte Aufeinandertreffen ?. Der Saal leuchtet beim Betreten in samtigen Rot. Auf der Bühne links ein echtes Orchester, rechts die Band, getrennt durch eine Plexiglaswand. Das Konzert beginnt mit einem Solo für die Streicher, zunächst scheint es ein klassisches Stück zum Auftakt zu sein, doch dann hört man es heraus: Es ist Neil Youngs "A man needs a maid". Jonathan und Grasshopper betreten die Bühne und mein kippenvel (holl. für Gänsehaut) ist sofort aktiviert. Beide wie immer stilvoll gekleidet, drei weitere Musiker an Bass, Keyboard (Querflöte) und Schlagzeug ergänzen den Sound.

Es geht los, und ich merke: Jahre habe ich keine Songs mehr von Mercury Rev gehört. Was für ein Fehler. "The funny bird" eröffnet, die Streicher rasen, Carwash Hair direkt danach in einer ruhigeren Version als früher aber immer noch genau so anmutig. Jonathan erzählt, er erzählt unglaublich viel an diesem Abend. Über Freundschaft, die Probleme in der Band, die Familien, die Kindheit. Alles scheint an diesem Abend von ihnen abzufallen, es ist ihr Abend, das Orchester macht sie und ihre Songs perfekt. 



Er wirkt entwaffnend ehrlich wenn er sagt, dieses Angebot hätte ihr komplettes Jahr gerettet. Von der neuen CD werden nur wenige Songs gespielt, auch sie klingen hervorragend. Er spricht von der Zeit mit den Flaming Lips im Kleinbus und ohne Geld, von Gespenstergeschichten ihrer Kindheit in den Catskill Mountains und wie ihr Sound daraus entstanden ist. Daher folgt auch "Love yer brain" von den Lips, und die Kracher "Holes" und "Opus 40". Letzteres in einer unfassbaren Version mit krachigen Gitarren, einem Irren am Schlagzeug und Streichern die einfach weiterspielen bis Schluss ist. 

Ich würde jedem wünschen dieses Konzert würde auf DVD veröffentlicht, so ein Genuss darf nicht nur mit einem Theater geteilt werden. Die Noten sind geschrieben, vielleicht gibt es ja in Zukunft öfter eine Gelegenheit so aufzutreten.



Zur fälligen Zugabe muss Jonathan dann nochmals weiter ausholen. Er erzählt die traurige Geschichte als ihm jemand durch einen Anruf mitteilte, das sein Freund Mark Linkous gestorben sei. Mark war der geniale und leider auch verrückte Leader der Band Sparklehorse, die ich leider nur einmal erleben durfte. Damals spielte Linkous das komplette Set mit einem Gips im Rollstuhl, bevor er zu den Zugaben ohne Gips auf die Bühne schlenderte. Zu seinen Ehren spielt die Band daher seinen Song "Sea of Teeth". Und Jonathan singt den Text seines toten Freundes als hätte er ihn verfasst : "Can you feel the wind ? Of his soul upon your skin..Oh can you feel the wind ?"

Danach beendet ein kraftvolles und elegisches "Dark is rising" das emotionalste Konzert seit Jahren. Es war kein reines Best of..wie viele erwartet hatten, auch keine sentimentale Rückschau oder eine peinliche Aufführung in neuem Gewand. Es war einfach nur perfekt. 




Hoffen wir, das die ersten Eindrücke der guten, neuen Songs sich auf der CD Bewahrheiten und es wieder einen neuen, diesmal besseren Start in die nächsten Jahre gibt. Mercury Rev sind im Herbst auf Clubtour in Deutschland zu sehen. 

Wer schon lange keine Mercury Rev Platte mehr gehört hat sollte, wie ich seit 3 Tagen, einfach nochmal in sich gehen und seine Lieblingsscheibe auflegen. Bei mir läuft Yerself is steam aus dem Jahr 1991 seitdem wieder ständig. 

Aus unserem Archiv:
Mercury Rev, Barcelona, 28.05.11



 

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