Konzert: Wooden Peak
Ort: Insterburg in Karlsruhe
Datum: 18. September 2015
Dauer: 60 min
Zuschauer: etwa 40
Ich hatte im Zuge des Auftritts von lilabungalow im August schon darüber berichtet, dass mir die Künstler vom Leipziger label analogsoul besonders sympathisch sind. Als sich die Gelegenheit ergab, Wooden Peak nach Karlsruhe zu holen, war ich deshalb sofort begeistert und zum Glück haben ein Paar Leute im Studentenwohnheim Insterburg hier in der Karlsruher Waldstadt den Staffelstab übernommen und eine Auftrittsmöglichkeit für Wooden Peak geschaffen. So konnte Sebastian Bode Drums, Electronics, ein paar Tasteninstrumente und sein Mikro aufbauchen und Jonas Wolter fand genug Platz für seine Gitarre, die Fußorgel und sein Mikro. Das hätte meinen Wohnzimmer-Rahmen ordentlich gesprengt - sowohl von der Lautstärke als auch vom Platz...
Vor dem Konzert waren wir ein wenig gespannt. Würden die Leute aus dem Wohnheim das Angebot annehmen und würde das den Turnhallen-Sound besänftigen? Es zeigte sich schließlich, dass beides gut funktionierte. Zur angegebenen Anfangszeit strömte es auf einmal und wir alle fanden den gebotenen Sound danach ganz gut. In der Liveumsetzung des Abends legten die beiden Musiker den Schwerpunkt auf Titel aus dem Album Polar von 2013. Es begann klickernd und vibrierend und die beiden schufen eine einladende Soundlandschaft. In dem Moment, wo fragend die Stimme von Jonas Wolter einsetzte war klar, diese Geschichte musste gut ausgehn. Und es war ein tolles Gefühl, Teil eines gebannt zuhörenden Publikums zu sein, das wirklich Wohnzimmer-Konzert-Atmosphäre schuf! Laut wurde es nur beim Applaus.
Im zweiten Stück ging der Blick ein Stück mehr ins Weite und wir hörten Sebastian als zweite Stimme. Factory Park schwebt im Intro so ein bisschen durch die Glockenspielmelodie und wird erst durch die entschieden gespielte Drumlinie am Boden festgezurrt. Sebastian hatte hier eine sehr interessante Körperhaltung. Gerade vor dem Konzert hatten wir uns noch über den Betriebsausflug meines Sitznachbarn zum gigantomanischen BASF-Werk in Ludwigshafen unterhalten und ich ertappe mich dabei, dass ich es im dunkeln liegend (auf dem Rückweg vom Maifeldgelände über eine lange Bahnbrücke hatte ich schon öfter dieses surreale Erlebnis) vielleicht ähnlich zauberisch erlebte wie dieser Song das in meinem Kopf malte.
Ich weiß nicht, ob der Begriff Anorak schon ganz aus dem Sprachgebrauch verschwunden ist. In meiner Kindheit und Jugend war das der Name für die Jacke, die ich außer im Sommer fast immer anziehen musste - warm und etwas regensicher. Beim Stück dieses Namens nahm ich zum ersten Mal wahr, dass das Drumset herkömmlich gespielt wurde und dass ich mir angewöhnt hatte, den Remix von Miss Emily Brown und Alex Binder als eigentliche Version anzusehen... Sie ist zweifellos etwas verspielter und weicher und hat damit nicht so viel des Bedrohungspotentials was in der Live-Version des Originals irgendwie mitschwang (ob das nun beabsichtigt ist oder nicht).
Vertraut, weil in letzter Zeit oft gehört fiel mir der Song Floe von der aktuellsten Scheibe Polygon fröhlich in den Schoß und ich war wohl am Ende am glücklichsten darüber, dass ganz am Schluss tatsächlich noch mein Lieblingslied Ms Goodman vom gleichen Album gespielt wurde. Es ist mit all seinen schwer nachsingbaren Taktwechseln etwas sperring zum mitsummen und schüttelt mich so ein bisschen hin und her. Aber die zarten Bläsern euphorisieren und irgendwie schafft es der Song mich ganz und gar zu bezaubern. Auch an diesem Abend. Was für ein herrlicher Abschluß! Aber natürlich war uns das noch nicht genug. Quasi mit dem letzten Akkord von Ms Goodman (das als letztes Stück angekündigt war) rief es von hinten schon fordernd Zugabe, ZUGABE!!
Vorbereitet war dafür einen Song vom ersten Album Frog (2009) mit der irre Bilder erzeugenden Anfangszeile Cows collide. Man könnte das als ein bisschen sperriges Ende ansehen, aber ich empfand es eher als Destillat dessen, was wir in der letzten Stunde gehört und erlebt hatten. Der Applaus sagte jedenfalls, dass das Publikum auch weiteren Zugaben nicht abgeneigt gewesen wäre. Statt dessen gab es aber nun die Gelegenheit am Merchstand etwas mit nach Hause zu nehmen und mit den Musikern auch noch persönlich ins Gespräch zu kommen. Ich war (und bin auch heute morgen noch) sehr froh, dass das Experiment in der Insterburg geglückt ist und dieser gelungen Abend dort auch Lust auf mehr gemacht hat. Danke an die Jungs von Wooden Peak als hervorragende Beta-Tester...
Setlist:
01: Polar
02: Ping Pong Village
03: Factory Park
04: Anorak
05: Floe
06: Shrimp
07: Who blinks first
08: Paper Scissor Stone
09: Ms Goodman
10: Cows Collide
Tourdaten:
16.09.15 STUTTGART // galao
17.09.15 STUTTGART // secret & open air
18.09.15 KARLSRUHE // insterburg
19.09.15 LUZERN // neubad
21.09.15 WINTERTHUR // portier
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