Konzert: Fee Reega mit Javier Bejarano
Ort: Hole of Fame in Dresden
Datum: 5. September 2015
Dauer: 75 min
Zuschauer: 14
Diese atmosphärisch dichten Bilder vom Abend sind von Stephen Burch (vielen Dank!)
Eine mehr glimmende Glühlampe liefert spärliches Licht im Raum - draußen gehen Schauer nieder. Es ist ein Abend am Umbruch zwischen Sommer und Herbst. Drinnen erschafft Fee Reega mit ihren Liedern ihre eigene Welt - unterstützt von Javier Bejarano (*), der Gitarren mit einem Bogen streicht. Der Raum des Hole of Fame war offensichtlich mal ein Laden - es riecht nach Räucherkammer - vielleicht ein Fleischer? Ich versuche mich zu erinnern, denn hier war einmal mein Zuhause, mein täglicher Weg zwischen Wohnung und Kindergarten, zum einkaufen, zu Freunden, ins Kino. Aber es will mir nicht mehr einfallen, welche Waren hinter diesen Schaufenstern damals auslagen.
Vieles andere ist mir aber in dieser reichlichen Stunde wieder gegenwärtig, steigt auf als Erinnerung an dieses Leben, das nicht nur viele Jahre zurück liegt, sondern einer anderen Zeitrechnung unterworfen ist. Aus einem Land, das es nicht mehr gibt und dem im offiziellen Sprachgebrauch stets das Wort ehemalig beigefügt wird, als wäre es untot und das Nennen des Namens bräuchte unbedingt diese Beschwörung des VORBEI! Aus dem großen Riß, der mein Leben in vorher und nachher einteilt steigt unerwartet die Trauer auf um das was hätte sein können. Ein Gefühl, das ich mir normalerweise nicht erlaube, sind wir doch im Vergleich Glückskinder.
Fee Reegas Musik ist mir vertraut und fremd zugleich. Seit dem Konzert von The great park in meinem Wohnzimmer habe ich nach dieser pyromanischen Freundin geschaut und mich heran getastet, aber ihre Musik verstört mich. Sie erzählt vom zerstörerischen, von den Extremen, dem zügellosen, exzessiven. Ich mag nicht hineingezogen werden in Tragik und Drama ohne aushaltbares Ende - obwohl ich weiß, dass die Schicht der Sicherheit unseres Lebens arg dünn ist ... oder wohl eher weil ich das weiß und fürchte.
Aber Ehrfurcht nötigte mir die Frau auch schon aus der Ferne ab, wie sie sich scheinbar furchtlos in einer Welt bewegt, wo Kinder entführt und ermordet werden, wo Drogen und beliebiger Sex Ersatzstoffe sein müssen für menschliche Geborgenheit und Wärme. Sie arbeitet sich ab an dem genialen russischen Dichter, einem Trinker, und dem traurigen Alltag auf der Arbeitsstätte ihres Bruder, am Thema des Inzests und der Verlassenheit. Das in drei Sprachen: Deutsch, Englisch und Spanisch.
Sie ist so etwas wie ein Klageweib - aber ohne das stützende Ritual, eine Grenzgängerin und Abenteurerin der Menschlichkeit. In der Livedarbietung erwächst mir die Freiheit dieser Seite des Lebens mein Herz ein Stück weit zu öffnen und es geschehen zu lassen. Traurig und wütend zu sein. Ohne das Versprechen, es würde alles gut. Das wäre sowieso gelogen. Aber in dem Wissen, ich bin nicht allein. Und mir etwas Kraft zu borgen bei dieser starken, schönen und wilden Frau.
Das Publikum ist vom ersten Moment an ganz aufmerksam und enthusiastisch beteiligt. Nach etwa einer Stunde möchte Fee das Konzert beenden, wird aber entschieden von unserer kleinen Gruppe zurückgerufen und entscheidet sich, solo zur Gitarre noch einige Lieder des gerade erschienen Albums Shoot zu spielen.
Setlist (unvollständig):
01: Taubstumm
02: Der Mann der Heroin raucht
03: La Raptora
04: Wenedikt Erofeev, der große Trinker
05: Summer wine (Lee Hazelwood Bearbeitung)
06: Dorian (machte einen roten Teufel)
07: Tribunal
08: Cover eines spanischen Sängers aus Gijón
09: Inzest
10: Warum kommst Du mich nicht besuchen ?
Zugaben vom Album Shoot
z.B. Motherfucker
(*) eigentlich auch Fotograph und Maler aus Gijón, der z.B. das aktuelle Albumcover gestaltet hat.
Deutschland-Tour im Duo-Format mit Javier Bejarano
04.09. - Nochbesserleben - Leipzig
05.09. - Hole of Fame - Dresden
08.09. - Madame Claude - Berlin
09.09. - Hasenschaukel - Hamburg
10.09. - Prinz Willy - Kiel
weitere Tourdaten:
23.10. - Besen 66 - Stuttgart
24.10. - Bahnhof - Balingen
30.10. - Salon Goldschlag - Wien
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