Montag, 23. März 2015

Sleater-Kinney, Antwerpen, 21.03.15


Konzert: Sleater-Kinney
Ort: Trix, Antwerpen
Datum: 21.03.2015
Dauer: Sleater-Kinney 85 min, PINS gut 40 min
Zuschauer: gut 1.000 (nicht ganz ausverkauft)



Je mehr Bands sich wiedervereinigen, desto häufiger hört man, wie unnötig so etwas doch ist. Die wollten ja alle nur das große Geld machen und seien musikalisch eh nicht mehr relevant. Ich sehe das (vielleicht, weil ich in den 90er Jahren so gut wie kein Konzert gesehen habe) ganz anders. Solange eine Band gut ist, ist sie auch relevant. Ganz einfach. Und das große Geld wünsche ich jeder Band, die ich mag. Das ist deren Beruf und den machen sie hervorragend, also sollen sie gefälligst auch gut damit verdienen. Die Realität ist ja leider eine andere.

Auch über die Sleater-Kinney Reunion hatte ich mich riesig gefreut. Sie kam für mich überraschend, meine Reaktion, natürlich eines der wenigen Festlandskonzerte sehen zu wollen, dann aber nicht. Wir einigten uns schnell auf Antwerpen. Eine Stadt in striking distance an einem Wochenende, das klang gut.

Das Trix ist ein moderner Konzertbau in direkter Autobahn-Nähe. Und wie alle Benelux-Auftrittsorte, die ich kenne, ist es ein Beispiel dafür, wie sehr unsere westlichen Nachbarn auch nicht-E-Musik fördern. Jede niederländische und belgische Stadt hat solche Konzertgebäude, die einzig zum Zweck, Rockkonzerte zu veranstalten, gebaut wurden - von der öffentlichen Hand. Bei uns fördert die lieber die Formel eins oder fordert Steuergelder für die Sicherstellung der Grundversorgung aller mit Fußballübertragungen. Aber wir sind trotzdem das Land der Dichter und Denker, glaube ich.



Auch das ganze Drumherum eines Konzertabends ist in Belgien vorbildlich. Wir mussten zwar unsere E-Tickets noch gegen Bändchen tauschen, was ein wenig lästig war aber schnell ging. Taschenkontrollen oder etwa Leibesvisitationen gibt es aber genausowenig wie die Politik der Betreiber, die Besucher über die Startzeiten der Bands im Unklaren zu lassen, damit die früh kommen und viel Bier trinken.


Der Innenraum des Trix fasst wohl 1.000 Zuschauer, es dauerte aber lange, bis der Saal annähernd voll war. Viele verpassten damit die Chance, die hervorragende Vorgruppe PINS aus Manchester zu sehen. Ich hatte PINS im vergangenen Sommer beim Best Kept Secret Festival gesehen und sehr gemocht. Damals erinnerte mich die junge britische Band an Savages oder die Dum Dum Girls oder irgendetwas dazwischen. Natürlich kaufte ich mir ihr tolles Album Girls like us, aber natürlich hörte ich das hinterher viel zu selten. Umso glücklicher war ich, als vor einigen Wochen bekannt wurde, daß die Engländerinnen Sleater-Kinney auf der ganzen Tour supporten würden.

PINS spielten gut 40 Minuten und obwohl mein anderes Konzert erst neun Monate her ist, war dieser Auftritt komplett anders. Die Band hatte zwei neue Mitglieder, eine Keyboarderin und eine andere Bassistin und von den Liedern kannte ich kaum eines. Viele Stücke scheinen neu zu sein. Was geblieben ist, ist die fantastische Live-Qualität der Band (und der Lieder). Wenn man als junge Band bei Support-Auftritten in riesigen Hallen auf einen Großteil der veröffentlichten Stücke verzichten kann, spricht das für Selbstvertrauen und Talent.


Herausragende Stücke waren Oh Lord, Too little too late (das einen wundervollen Tempowechsel hat) und Girls like us am Ende. Sängerin Faith erinnerte mich gesanglich nicht mehr an Savages, ihre Stimme klang punkiger, bilde ich mir ein. 


Wir standen vor der irre unterhaltsamen Gitarristin Lois, die jedes Lied mitschmettert - stumm vor sich hin - und nur ab und zu in ein Mikro singt. Daher fiel mir erst spät auf, daß die neue Bassistin auch die von Fear Of Men ist, Becky. Nach dem Konzert erfuhr ich, daß die eigentliche Musikerin sich ein Bein gebrochen habe.


Besonders eindrucksvoll fand ich die Souveränität, mit der PINS auftraten. Die riesige Bühne schien sie nicht weiter zu beeindrucken. Wenn da nichts schiefgeht, werden PINS eine Ecke größer als bisher. Einzig die Keyboarderin wirkte manchmal ein wenig unsicher. Als sie bei Girls like us gemeinsam mit Lois Gitarre spielte und ins gleiche Mikro sang, musste sie immer zwischendurch auf ihre Griffe gucken. Gitarre scheint sie noch nicht lange live zu spielen, wenigstens nicht singend.

Setlist PINS, Trix, Antwerpen:

01: Lost lost lost
02: Get with me
03: Young girls
04: Curse these dreams
05: Oh Lord
06: Too little too late
07: Wild nights
08: Got it bad
09: Dazed by you
10: Waiting for the end
11: Hybrid moments (Misfits Cover)
12: Girls like us


Als zwei Stunden später Sleater-Kinney zu den Zugaben zurück auf die Bühne kamen, sagte Carrie Brownstein sie seien als Band wieder da, "weil sie noch nicht alles gesagt hätten." Das mag eine übliche Floskel sein (a-ha werden ihr Comeback vermutlich ähnlich begründen), bei Sleater-Kinney glaube ich die aber. Vermutlich wäre auch das neue Album bei weitem nicht so gut, ginge es hier vor allem ums Geld.



Sleater-Kinney spielten Stücke aller Platten mit Ausnahme des Debüts. Erstaunt hat mich dabei vor allem, wie wenig Unterschiede zwischen den neuen und den alten Liedern festzustellen sind, obwohl der Altersunterschied vermutlich* immer mindestens 10 Jahre beträgt (The woods, das bis Januar aktuellste Album ist von 2005). Das ist mir aber ehrlicherweise erst hinterher aufgefallen. Während des knapp anderthalbstündigen Konzerts war keine Zeit, über irgendetwas nachzudenken. Pausen und Ansagen passen nicht ins Konzept eine Punk- (oder wie ich irgendwo las Postpunk-) Band. 


Doch, einen (wichtigen) Unterschied gab es bei den neuen Stücken. Bei denen stand naämlich neben den beiden Gitarristinnen Corin Tucker und Carrie Brownstein und Schlagzeugerin Janet Weiss eine Gastmusikerin auf der Bühne. Auch bei der handelt es sich um eine alte Bekannte, um die wundervolle Katie Harkin von Sky Larkin, die ich für eine der talentiertesten jungen Musikerinnen halte. Zuletzt war sie als zusätzliche Keyboarderin mit den Wild Beasts unterwegs, auf der kompletten Sleater-Kinney Tour spielt sie eine weitere Gitarre und ab und zu Keyboard und Rassel. Nicht nur, weil sie manchmal alle drei Instrumente gleichzeitig spielen musste, war ihr Job anstrengend. Katie ging siebenmal von der Bühne (aber sie kam dann auch immer wieder zurück - puh!). 


Etwas Angst hatte ich vor dem Konzert vor den großen Rockstar-Posen, die mir auch gute Bands ordentlich vermiesen können. Ich weiß nicht mehr, wie es bei Wild Flag war, der Band, die Janet und Carrie eine Weile betrieben und mit der sie im Gebäude 9 waren. Corin Tucker ist die ruhige der beiden Gitarristinnen. Vielleicht hat sie auch keine Gelegenheit für Unsinn, weil sie die Haupt-Verantwortung für den Gesang trägt. Carrie dagegen kickte ab und zu die Beine wahnwitzig hoch, riss (nur einmal glücklicherweise) ihre Gitarre in die Senkrechte, stand bei Words and guitar minutenlang auf einem Bein oder lehnte bei Entertain ihr ganzes (bescheidenes) Gewicht auf ihr Instrument, das sie scheinbar in den Bühnenboden rammen wollte. Selbst das heikle Thema Rockgesten lösten die drei Amerikanerinnen also äußerst stilvoll. Die synchronen Roboter-Bewegungen von Carrie und Katie beim sagenhaften Surface envy und später bei Gimme love waren wunderbar und meilenweit von Ekel-Rockposen (bzw. Ekelrock-Posen) entfernt!

Schade irgendwie, daß PINS vor solch eine brillanten Band spielen mussten. Deren hervorragendes Konzert verblasst in meiner Erinnerung nämlich jetzt schon, weil ich nur noch die coolen Punkrockerinnen aus Washington (und Katie) vor Augen habe.  

Wer solche Comebacks für nicht relevant und cool genug hält, bestraft sich selbst mit dem ständigen Hinterherrennen hinter dem neuesten heißen Scheiß, den in drei Jahren kein Mensch mehr kennt.

Setlist Sleater-Kinney, Trix, Antwerpen:

01: Price tag
02: Fangless
03: Oh!
04: The end of you
05: Ironclad
06: What's mine is yours
07: No anthems
08: One beat
09: A new wave
10: Youth decay
11: Bury our friends
12: Rollercoaster
13: No cities to love
14: Words and guitar
15: Get up
16: Surface envy
17: Entertain
18: Jumpers

19: Gimme love (Z)
20: I wanna be your Joey Ramone (Z)
21: Dig me out (Z)
22: Modern girl (Z)
23: One more hour (Z)

Links:

- aus unserem Archiv:
- PINS, Hilvarenbeek, 21.06.14


1 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

Ich kam auch aus Köln. Die Startzeiten wurden auf der Trix-Seite gepostet, und an allen Wanden beim Venue. Mein Deutsch ist aber nicht so gut.

 

Konzerttagebuch © 2010

Blogger Templates by Splashy Templates