Donnerstag, 5. März 2015

Archive, Köln, 04.03.15


Konzert: Archive
Ort: E-Werk, Köln
Datum: 04.03.2015
Dauer: knapp 120 min
Zuschauer: vielleicht 1.500 (nicht ausverkauft)



Ich sehe zwar viele Konzerte, streue aber auch kräftig. Meine mit Abstand meistbesuchte Band ist Get Well Soon, die ich zwar in den letzten neun Jahren erschütternd oft gesehen habe (17x), im Vergleich zu echten Konzertprofis bin ich damit aber ein Waisenknabe. Mein Gewissen ist also recht rein, trotzdem sehe ich eine ganze Menge Bands immer wieder. Obwohl das natürlich Sinn macht, wenn sie gut sind und noch nicht langweilen, habe ich mir irgendwann vorgenommen, eine interne Quote einzuführen. 50% der im Jahr gesehenen Künstler sollen mir neu sein.* Was in der französischen Kulturpolitik klappt, kann ja nicht so verkehrt sein. Meinen Horizont um Archive zu erweitern, eine Band, die bisher vollkommen an mir vorbeigegangen ist, hatte ich trotzdem nicht eingeplant. Bis mich ein mail mit der Erinnerung "du wolltest doch auch dieses Jahr verstärkt Bands sehen, die du noch nicht oder noch nicht 10mal gesehen hast" erreichte und all meine Ausreden (Pokal, bestimmt ausverkauft, gestern schon Element Of Crime) mich selbst nicht überzeugten. Also standen wir um kurz nach acht im E-Werk nach schlimmen Stauanfahrten (im Palladium spielten Katzenjammer vor offenbar vollem Haus) und sahen, daß bereits der Vorgruppen-Ersatzfilm Axiom (ein Kurzfilm mit Archive Musik)** lief. 

Nach dem Ende des Films wurde erst einmal die Bühne vorbereitet. Warum, erschloß sich mir nicht. Es war ja alles bereits da. lediglich die hängende Leinwand musste entfernt werden. Aber es ist eben Rock-Folklore, daß vor einer Band noch gebaut werden muß.

Archive traten dann um 21 Uhr auf. Ich hatte von acht bis zehn, irgendwo auch von einem Dutzend Musikern gelesen (wobei ich nicht sicher war, ob da mit einem Dutzend nicht vielleicht acht oder zehn gemeint war). Auf die breite E-Werk-Bühne kamen zunächst sieben. Wir standen schräg am Rand und konnten nicht alles sehen, ich gehe aber davon aus, daß die anderen sieben (zwei Keyboarder, zwei Sänger, ein Gitarrist, ein Bassist in den Ecken und ein Schlagzeuger) immer da waren. Das erste Lied Feel it kannte ich nicht. Kein Wunder, ich kannte fast nichts. Trip-Hop habe ich lange erfolgreich ignoriert. Als Archive Mitte, Ende der 90er Jahre auftauchten, habe ich vor allem Lush und Pulp gehört. Irgendwann entdeckte ich meine Liebe zu Portishead. Mehr Trip-Hop musste ich nicht kennen, besser als die könnte ja schließlich niemand sein. Archive haben sich vom Trip-Hop zu Progressive Rock entwickelt, las ich. Ich hatte das verpasst und die Band bis gestern weiter ignoriert. Offenbar hatte ich viel verpasst, denn obwohl ich das Konzert im E-Werk als hervorragend empfand, waren meine Archive-Profi-Begleiter der Meinung, sie schon viel besser gesehen zu haben

Ich kannte nur ein oder zwei Lieder, ich weiß also beim besten Willen nicht, was alt und was neu war (You make me feel kannte ich, das war also alt). Ich will aber auch nicht blenden und mir das schnell anlesen und so zun, als kennte ich die Band perfekt. Ich habe das fast zweistündige Konzert auf mich wirken lassen und sehr genossen. Das erste Lied Feel it überzeugte mich gar nicht. Die Stimme des (rechten) Sängers  gefiel mir anfangs nicht, das Stück war lahm. Aber ab da wurde es kontinuierlich besser. Trotz unseren schlechten Plätze (wegen der Sicht und ab 21:45 h wegen des Lärms der sich unterhaltenden Leute hinter und, deren Aufmerksamsspanne exakt eine Dreiviertelstunde hielt) gab es viel zu sehen. Die beiden Sänger (der linke spielte außerdem Gitarre, der rechte ab und zu Schlagzeug und sonst Gitarre) wechselten ihre Aufgaben, zu vielen Liedern kam das achte Mitglied, eine Sängerin auf die Bühne und machte das Dutzend voll. Wenn es nichts zu sehen gab, konnte ich mich auf Dinge wie das faszinierend tolle Schlagzeug-Spiel konzentrieren. Auch da sind Portishead live uneinholbar, die Drums bei Archive entzückten mein Laienohr aber schon sehr. 

Die erste phänomenal gute Phase des Konzerts begann mit Blood in numbers. Das und die nachfolgenden Bullets, Ruination, Crushed und Conflict begeisterten mich extrem! Auch Numb und die Zugabe Lights waren fasziniernd gut, dafür musste man sie nicht vorher kennen.

Archive waren ein hervorragender Blick über den Tellerrand. Die werde ich jetzt immer und immer wieder sehen! Es sei denn, ich kaufe mir irgendwann eine dieser Handy-Selfie-Stangen wie neben uns, denn dann höre ich aus Selbstschutz-Gründen sofort mit dem Konzertgehen auf!


Setlist Archive, E-Werk, Köln:

01: Feel it
02: Kid corner
03: You make me feel
04: Dangervisit
05: Black and blue
06: Sleep
07: Blood in numbers
08: Bullets
09: Ruination
10: Crushed
11: Conflict
12: Violently
13: End of our days
14: Third quarter storm
15: Ride in squares
16: Bridge scene
17: Ladders
18: Numb

19: Lights (Z) 

* Stand heute: 18 Bands gesehen, davon acht zum ersten Mal
** frisch angelesenes Wissen (wie alles in diesem Bericht)


2 Kommentare :

der saarländische Konzertbekannte hat gesagt…

kann den Begleitern zustimmen, waren auf anderen Touren schon viel besser!

Anonym hat gesagt…

Danke für die Setlist! Ich bin zwar seit einigen Jahren Archive Fan, kenne aber auch nicht alle Songs. Auch hier im E-Werk waren ein oder zwei unbekannte dabei. Ich kann dir nur empfehlen, Archive mit guten Kopfhörer zu genießen. Da sind einfach phantastische Nuancen, die nur so richtig wahrzunehmen und zu genießen sind.
Die Anfahrt und Park Katastrophe zum E-Werk kann ich bestätigen. Ebenso das ständige Gequatsche einiger Besucher während des Konzerts. Was wollten die dort überhaupt? Ich stand zwar relativ weit vorne, aber gerade bei ruhigeren Melodien empfand ich die Nebengeräuschkulisse als extrem störend.
Nichts desto trotz, beim nächsten Mal bin ich wieder dabei!
Maria

 

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