Konzert: Paul Simon und Sting
Ort: Lanxess-Arena, Köln
Datum: 25.03.2015
Zuschauer: 18.000 (ausverkauft)
von Dirk aus Mönchengladbach
34 Songs Nostalgie. Wie auch heute noch für viele jüngere Menschen, war auch für mich früher der Begriff der Nostalgie negativ besetzt. Heute aber glaube ich das Nostalgie, im Gegensatz zur Sentimentalität, eine positive Eigenschaft sein kann. Die Kraft des Gehirns, angenehme und schöne Dinge länger in Erinnerung zu behalten ist doch tröstlich.
Und so erinnere ich mich noch genau an die Zeit, in der ich als Jugendlicher in Ermangelung von 24 Stunden sendenden TV-Kanälen, Handys oder Videospielen begann, die überschaubare Vinylsammlung meines Vaters zu durchstöbern.
Musik von Vätern war ja schon zu allen Zeiten uncool, trotzdem fand ich es wichtig zumindest einige der vermeintlichen Meisterwerke zu hören, die in der damaligen Zeitung Sounds immer wieder erwähnt wurden. Eine dieser Platten zeigte ein schrecklich verwaschenes Bild zweier Männer, die schon äußerlich so gar nicht zueinander passten.
Und obwohl ich damals nichts von Harmoniegesang, Folk oder dem schwierigen Verhältnis der beiden Musiker wusste, nahm mich diese Musik sofort mit in eine andere, zartere Welt. Ich zählte fünf mir bekannte Stücke, ohne je von Simon und Garfunkel gehört zu haben und wertete dies als Zeichen wahren Erfolgs.
Der Zugang zu Sting war im gleichen Jahr ein ganz anderer. An der Musik von The Police war erstmal gar nichts zart. Sie fand damals in verrauchten Jugendkellen statt und trieb auch ungelenke Jungs durch Ihren treibenden Punk-/Reggae-Rhythmus auf die Tanzfläche. So lonley war der Song der Stunde, und der Klang jung und wild.
In den weiteren Jahren entwickelten wir uns alle weiter. Indierock war mein neues Ding, während Sting und Paul Simon sich dem Jazz und der Weltmusik zuwandten. Ganz aus den Augen verlor man sich nie, immer wieder fand ich Respekt für den Mut beider Künstler, komplett neue Wege zu gehen. Zu einer echten Begeisterung reichte es aber nicht mehr.
Im Herbst letzten Jahres wurde dann mit erstaunlich wenig TamTam eine Europa-Tour der beiden Herren angekündigt: „Together on stage“. Jetzt könnte, wie so oft, das Klagelied über perverse Ticketpreise (z.B. Ultimate-Front Row 559,00 EUR) gesungen werden, und ich meine hier nur die offiziellen Preise des Veranstalters. Oder das Konzerte in Eishockey-Mehrzweckhallen grundsätzlich verachtenswert sind. All das ist sinnlos. Das Konzert findet nun mal in der Kölnarena statt und ist ausverkauft. Sting ist 63 Jahre und Simon 73, warten auf bessere Zeiten ist also keine echte Option.
Das Konzert, oder besser gesagt der Songzyklus umfasst heute 34 ! Stücke die in mehreren Blöcken von den Künstlern im Duett zusammen oder mit ihren einzelnen Bands aufgeführt werden. Aufführen ist hier das korrekte Wort, da fast jeder Song ein neues Gewand erhält.
Die beiden Bands der Musiker bestehen aus Lieblingsmusikern diverser Touren und sind ein Ohrenschmaus: David Sancious an den Keyboards und Vinnie Colaiuta an den Drums, um nur zwei zu benennen.
Brand new day eröffnet, die Halle swingt sofort und die Band(s) klingen nicht nur gut, sie klingen fantastisch. Jede Triangel, jeder Bongoschlag ist auszumachen, die Stimmen sind klar und ergänzen sich begleitet von Stings Backgroundsängerin hervorragend.
Nach vier gemeinsamen Stücken übernimmt Sting das Kommando. Alles verläuft fließend, Musiker kommen und verlassen die Bühne im Minutentakt, alles wirkt lebendig und frisch. Sting, äußerlich stark verändert mit langem Vollbart und neuem Haarwuchs nutzt seine fünf Songs um die Bandbreite des Abend um Rock (So lonely), Jazz (Englishman) und Raegee (Walking on the moon) ins fast Unendliche zu erweitern. Alle Versionen sind so bisher nie zu hören gewesen, So lonely erhält ein Tuba !! – Solo, Driven to tears gibt Gelegenheit die Band vorzustellen.
Nächster Übergang zu Paul Simon nach einem Duett von Mrs. Robinson. Simon spielt leiser, singt leiser, dafür hat seine Band noch mehr Groove. Besonders Highlight in seinem ersten Set Dazzling Blue in einer Traumversion.
Vor dem nächsten Akt singt Simon noch das überspielte Fragile mit Sting an der Gitarre in seiner eigenen, fast sprechenden Singstimme bevor Sting mit America von Simon and Garfunkel ein weiteres Highlight platziert. Weitere fünf Welthits später ist das Publikum nicht mehr zu halten, mit Roxanne und dem afrikanisch angehauchten Desert Rose scheint keine Steigerung mehr möglich.
Wäre nicht schon als nächstes Lied The Boxer fällig, dieser zärtliche Song der jeden mitnimmt und atemlos zurücklässt.
Der letzte Block von Simon verläuft ruhiger, er spielt hier eher seine Lieblingslieder ohne, wie Sting auf sein Best of.. zu vertrauen. Das bietet seiner Band mehr Raum, macht die Stücke länger und eleganter. Am Ende kommen dann natürlich doch noch die Graceland-Hits und nach 2,5 Stunden ohne Pause geht der reguläre Set mit You can call me Al“ tanzend zu Ende.
Interessant war bis dahin, dass beide Musiker fast gleich frenetisch gefeiert wurden, auch auf der Bühne war der große Respekt beiderseits immer spürbar. Oft berührten sich beide, lachten viel und schienen voll und ganz bei der Sache zu sein.
Was dann noch als Zugabe folgt, ist Weltkulturerbe: Cecilia, ein als charmantes, kleines Liebeslied getarnter Track bei dem es unmöglich ist nicht zu tanzen. Das unvermeidliche aber immer noch tolle Every breath you take, das nur nochmals überboten werden kann durch Bridge over troubled water, der Song zu dem wohl jeder eine persönliche Geschichte erzählen könnte.
Mehr geht nicht, Tränen überall…aber immer ist noch nicht Schluss, ein Cover der Everly Brothers (When will I be loved?) muss die Emotionen bändigen und die Halle in die Nacht entlassen.
34 Stücke Nostalgie, es war nicht eins zu viel. Nichts weist an diesem Abend in die Zukunft, außer toller Musik.
Once in a lifetime, und nächste Woche sehen wir uns wieder im Luxor.
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