Sonntag, 28. Oktober 2012

Sizarr, Köln, 27.10.12


Konzert: Sizarr
Ort: Gebäude 9, Köln
Datum: 27.10.2012
Zuschauer: fast ausverkauft
Dauer: gut 70 min

 


Auf der Hinfahrt nach Köln fehlten mir die Ideen, welche Musik ich hören könnte, also blieb die beste Alternative, der Deutschlandfunk. Da diskutierten gerade Denis Scheck und Buchkritikerkollegen mit der Schriftstellerin Jenny Erpenbeck deren Buch "Aller Tage Abend". Dabei kam die Frage auf, wie man als endliches Wesen seine Lebenszeit freiwillig damit verbringen könne, drei Jahre an einem Roman zu arbeiten - oder als Kritiker schwierige (und oft schlechte) Bücher zu lesen und darüber zu schreiben. Solange ich Konzerte nur zum Spaß und nebenher angucke, gibt mir das die Sicherheit, daß dies nicht die unsinnigste Beschäftigung ist, mit der ich meine Lebenszeit verbringe. Kein Grund also auch, nicht zu Sizarr zu fahren und an der nächsten Ausfahrt zu wenden.

Allerdings hatte ich auch keine großen Zweifel daran, daß das Konzert gut werden würde. Die Debütplatte der Landauer, die so gar nicht nach Pfalz klingen (wenigstens wenn sie singen), ist schließlich sehr hörenswert.

Als ich um neun ankam, spielte der Support I Confess schon. Eine gute Viertelstunde des Sängers, der seine Songs mit akustischer Gitarre und Keyboard begleitete, bekam ich noch mit, das war nett, aber nicht ausreichend für ein richtiges Urteil. Beim Bericht vom Frankfurter Konzert gibt es mehr zu I Confess!

Christian Kühn (I Confess) war um Viertel nach neun durch. Da Sizarrs Equipment schon aufgebaut war, ging deren Vorbereitung erfreulich flott über die Bühne. Es war nämlich warm im Gebäude 9. Der WDR Rockpalast war da, um das Konzert aufzuzeichnen und hatte LKW-Ladungen Scheinwerfer mitgebracht. Dafür sind Kameras heutzutage erfreulich klein geworden. Noch vor kurzem bedeuteten Konzerte mit dem Rockpalast miese Sicht, weil überall diese lokomotivgroßen Monster standen. Heute scheinen Kameraleute nur noch mit aufgemotzten Spiegelreflexkameras zu filmen, es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis sie die gegen Smartphones eintauschen. Die WDR Leute standen als nicht im Weg, also bestand die Haupteinschränkung der Filmerei darin, auszuweichen, um nicht im Bild zu sein. 


Blöderweise hatte man beim Sounddesign offenbar mehr ans Fernsehen als an die zahlenden Besucher gedacht. Wenigstens am Anfang war der Klang vorne immer wieder mies, viel zu basslastig, und der Gesang kaum verständlich. Das wurde besser, aber es gab immer wieder Aussetzer.

Das schöne Licht entschädigte aber für die anderen Einschränkungen. Es war schon manchmal fast zu hell, bei einigen der Fotos dachte ich vorhin, ich hätte irgendwelche Hinterköpfe erwischt, es war aber nur sehr helles Scheinwerferlicht.


Sizarr hatte ich bisher nicht gesehen. Der Name macht schon eine ganze Weile die Runde. Beim Maifeld-Derby waren Sizarr auf der Openair-Bühne angesetzt, mussten aber wegen eines heftigen Unwetters gestrichen werden, was Festival-Chef Timo Kumpf (Get Well Soon) sehr niedergeschlagen ankündigen musste. Damals kannte ich noch nichts von Sizarr, sie hatten mich aber auf dem Papier sehr gereizt. Sizarr stammen aus Landau und bestehen aus Fabian Altstötter (Gesang, Gitarre), Philipp Hülsenbeck (Gitarre, Keyboard) und Marc Übel (Schlagzeug). Das Cover ihrer Debütplatte Psycho Boy Happy erweckt noch den falschen Eindruck, es handele sich um Rockmusik mit psychedelischen Einschlag, womit man mich jagen kann. Glücklicherweise ist Sizarr deutlich spannender - aber auch schwieriger zu beschreiben. Live drängte sich mir immer wieder Wu Lyf als vergleichbare Musik auf, nicht nur wegen Fabians toller (und dreckiger) Stimme. Bands aus meiner Musiksammlung wie Bréton, die Maccabees oder die Foals sind auch nicht schrecklich weit von Sizarr entfernt. Nur eins hört man sicher bei ihnen nicht raus: die rheinland-pfälzische Provinz, aus der sie stammen. Das gilt allerdings nur für die Lieder, in den Pausen dazwischen redete Fabian viel und mit pfälzischen Einschlag. Das - und das Bemühen, dabei möglichst cool zu klingen, waren deutlich sympathischer, als dies sich hier anhört. Die Situation war für die Band sicher herausfordernd. Ein fast ausverkauftes Gebäude 9, dazu die Fernsehaufzeichnung mit den vielen hellen Scheinwerfern und (wichtigen WDR-Mitarbeitern) sind sicher nicht nervenneutral. Sizarr meisterten dies hervorragend. Allerdings waren die Umstände nicht nur erschwerdend, das Publikum kannte die Band zum Großteil gut und schien sie im Gegensatz zu mir schon häufiger gesehen zu haben. 


Sizarr spielten alle Titel vom Album sowie Fake foxes, das es nicht auf die Platte geschafft hatte, wofür sich der Sänger entschuldigte. Auf die Zugabe nach rund einer Stunde war ich durch Ursulas und Dirks Bericht aus Frankfurt schon vorbereitet. Would I lie to you von Charles und Eddie, eines der scheußlichsten Stücke der Popgeschichte und von mir bis Samstag erfolgreich verdrängt, klang zwar von Sizarr schon besser, blieb aber sehr fies. Wirsing bleibt ja auch widerlich, wenn er von einem Sternekoch zubereitet wird. 

Die Single Boarding time beendete das sehr kurzweilige Konzert. Ich bin ziemlich sicher, daß wir von Sizarr noch viel hören werden. Auch was das Styling angeht sind die drei schon auf größere Auftritte vorbereitet, alle schienen frisch frisiert und Schlagzeuger Marc hatte mit seinem Hündchen-Shirt auch modisch alles richtig gemacht!

Setlist Sizarr, Gebäude 9, Köln:

01: Mushin 
02: Word up 
03: Pocket Walt
04: PBEW
05: Run dry 
06: Fake foxes 
07: Cat mountaineer 
08: Blade 
09: Icy Martini 
10: Mulo 
11: Tagedieb 
12: Purple fried

13: Would I lie to you (Charles & Eddie Cover) (Z)
14: Boarding time (Z)



1 Kommentare :

Gudrun hat gesagt…

Ich mag die Bücher von Jenny Erpenbeck - danke für den Tipp, dass es ein neues gibt... ;)

 

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