Samstag, 27. Oktober 2012

MaMa Festival, 25 & 26. 10.12



Konzert: MaMa Festival, Paris, mit Erevan Tusk, Peter Kernel, Clara Luzia, Me And My Drummer (und vielen anderen, die ich nicht gesehen habe)
Orte: Galerie W, Le Petit Moulin und Café de la Cigale
Daten: 25 & 26.10.2012
Zuschauer: Erevan Tusk erstes Set etwa 80, zweites Set etwa 20, Peter Kernel zweites Set etwa 80 Leute; Clara Luzia erstes Set etwa 15 Zuschauer, zweites Set ungefähr 40, Me and My Drummer circa 60
Konzertdauer: pro Set 30 Minuten





Bei dem MaMa Festival handelt es sich um ein Event, das in kleinen und mittelgroßen Bars und Clubs im verruchten Pigalle-Viertel von Paris stattfindet. Hier in der Nähe der berühmten Moulin Rouge, der unzähligen Sexshops und des Sacré Coeur mühen sich Newcomer und bereits etablierte Bands ab und bereichern so das kulturelle Leben des ohnehin schon trubeligen Viertels. Die Showcases sind teilweise gratis, teilweise bezahlpflichtig, je nachdem wo sie stattfinden. Ich habe mich wie gewohnt an die kleineren Acts gehalten und die Konzerte in der überfüllten Cigale vermieden. So konnte ich gratis in den Genuß erstaunlicher Musik kommen. Im Einzelnen.

Erevan Tusk (Galerie W)

Die Pariser Band trat in der Galerie W auf. Diese befindet sich in der Nähe einer Bar, die in einer Filmszene für Amélie Poulain verwendet worden war. Die Galerie verfügt über zwei Räumlichkeiten, einem großen, kargen Ausstellungsraum und einer kleinen Ladenboutique. Erevan Tusk spielten in dem größeren Raum , Peter Kernel in der Boutique. Die Franzosen agierten schwungvoll und hochmelodisch wie eh und jeh. Ein betörender Ohrwurm nach dem anderen wurde abgefeuert und die Harmoniegesänge waren unfassbar schön. Wenn Erevan Tusk Amerikaner wären spielten sie wie die Fleet Foyes vor 2000 Zuschauern, so aber dürfte ihre aktive Fangemeinde auf 500 zahlende Konzertgäste beziffert werden. 


Locations wie das Café de la Danse füllen sie also immerhin schon. Insofern erstaunlich, daß heute deutlich weniger Leute da waren. Lag aber vor allem an der frühen Uhrzeit (das erste Set fand um 18 Uhr 40 statt) und an dem Umstand, daß viele Musikfans gar nichts von den Konzerten im Rahmen des MaMa Festivals wussten. Da bedurfte es schon ein wenig Eigeninitiative, um alle Veranstaltungsorte und die Spielzeiten der jeweiligen Bands herauszufinden. Diejneigen, die da waren, genossen allerdings das Set in vollen Zügen. Songs wie Frostbitten, In Your Shadow oder Cassidy warem aber auch einfach unwiderstehlich! Was für ein Drive! Welche ein Rhythmus! Welch fantastische Melodien! Kurzum , das Ganze gefiel mir wieder so gut, daß ich mir von Erevan Tusk später auch noch das zweite Set ansah.


Peter Kernel (Galerie W)



Zwischen den beiden Sets von Erevan Tusk fand aber auch ein 30- minütiges Konzert von Peter Kernel statt und zwar in der anderen Räumlichkeit der Galerie W, von der ich oben schon erzählt hatte. Hier war es so eng und voll, daß man die Musiker auf der Bühne nicht richtig sah. Den männlichen Part (Aris an der Gitarre) bekam ich ein paar mal halbwegs zu Gesicht, die wie eine Furie schreiende blonde Sängerin und Bassistin namens Barbara allerdings nie. Die beiden bezeichen ihre Musik als Art-Punk, man könnte allerdings auch mit Kategorien wie Noise oder Post Rock kommen. Aris und Barbara stammen aus Kanada bzw der Schweiz und leben in Paris. Dennoch hatte ich sie live nie erlebt, ein Versäumnis, wie sich herausstellte. Die Musik von Peter Kernel war nämlich herrlich explosiv, aggressiv und durch und durch indie. Als Vorgruppe haben sie immerhin schon für Wolf Parade, Sunset Rubdown und Why? fungiert und wenn sie so weitermachen, werden sie selbst mal zumindest mittelgroße Indieclubs füllen. Eine schöne Entdeckung!


 

Clara Luzia (Le Petit Moulin)




Die talentierte junge Dame aus Östterreich hatte ich in der Vergangenheit bereits schon einmal mit einer ausgewachsenen Band erlebt. Im atmosphärischen Divan Du Monde war das, anläßlich des Festivals "les femme s'en mêlent". Der Auftritt ist mir in bester Erinnerung geblieben. Ich war schwer angetan von den hochmelancholischen Indie Pop Liedern, den feinen Arrangements, der wundervollen Instumentierung (Cello, Akkordeon!), der berührend-brüchigen Stimme von Clara Luzia und den klugen Texten. Heute musizierte Clara Luzia allerdings alleine auf ihrer E-Gitarre. Das Ganze spielte sich in einem urigen Gewölbekeller eines Kaffes ab und war genau das Richtige für Freunde intimer, authentischer Musik. Ohne Netz und doppelten Boden gab die hübsche Songwriterin Zeugnis ihres Seelenlebens, hauchte, greinte, klagte in ihr Mikro und berührte mich enorm. Für ihre emotionale Art der Liedkunst bin ich äußerst empfänglich und die Lieder sind auch so herrlich markant, das sie im Ohr hängenbleiben. Das Mädel mit dem Karohemd, den original Bue Jeans und den Cowboyboots  perfomte alte und neue Stücke, wobei die neueren Sachen auf einem 2013 erscheinenden Album drauf sein werden. Absolute Perle war für mich das altbekannte The Waving Ones: "the waving ones are us, don't you recognize us? been waiting here for years for someone to guide us home"...
Ich schmolz wirklich dahin, als ich diese Zeilen hörte. Seelentröster dieses Kalibers gab es gleich mehrfach, manchmal war ich fast den Tränen nah.

Nach einem dreißigmiütigen Set gab es eine kurze Pause und dann später nochmal einen ebenfalls halbstündigen Nachschlag. Wow, das war sooo schön! Mit wundervoll ist nicht hinreichend beschrieben, wie die Musik von Clara Luzia klingt.


Me And My Drummer (Le Café de la Cigale)

Für mich ging es nach Clara Luzia aber dennoch weiter, schließlich will man ja bei einem solchen Festival mehrere Bands für sich entdecken. Ich rannte also von der Petit Moulin rüber ins Café de la Cigale, welches... drei mal dürft ihr raten!... gleich neben der berühmten Cigale liegt. Eigentlich kein richtiger Konzertort, aber anläßlich des Festivals wurden alle möglichen Locations genutzt, um Musik erklingen zu lassen. Im vorderen Teil des Cafés hingen Leute rum, die mit dem Café nix am Hut hatten, hinten drängten sich die Musikfans und lauschten dem deutschen gemischten Duo, Charlotte Brandi (Gesang und Keybord) und Matze Prölloch (Schlagzeug). Schon nach einer kurzen Zeit kamen mir so manche Assoziationen und Referenzen in den Sinn. Das erinnerte mich an Lykke Li, Dillon, Bat For Lashes oder Wildbirds and Peacedrums und ging auf Anhieb gut ins Ohr. 

Zwar war die soulig angehauchte Stimme der aparten Blondine Charlotte nicht unbedingt mein Fall, aber sie steckte so viele aufrichtig erscheinende Emotionen in ihren Gesang, unterstrich das alles noch durch eine expressive Gestik, daß ich keinesfalls gleichhgültig bleib. Von dem Set (Highlight natürlich der Hit You're A Runner) sah ich allerdings nur gut 15 Minuten, so daß meine Eindrücke nicht sehr fundiert sind. Angenehm fiel mir auf, wie gerührt die Band über den Empfang in Paris war. Man merkte, daß es etwas Besonderes für sie war, in der Stadt der Liebe aufzutreten und ich denke sie haben die Chance genutzt, sich hier ein paar neue Fans hinzuzugewinnen. Wir werden sie in Paris 2012 wiedersehen, dessen bin ich mir sicher.


CD Kritik: Me And My Drummer- The Hawk, The Beak, The Prey bei http://www.plattentests.de/rezi.php?show=9346





 

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