Donnerstag, 18. Oktober 2012

Prag, Köln, 17.10.12


Konzert: Prag
Ort: KulturKirche Köln
Datum: 17.10.2012
Zuschauer: sehr gut gefüllt aber nicht ausverkauft
Dauer: gut 70 min 



Heute mittag habe ich die letzte Platte der wundervollen Sky Larkin endlich einmal wieder gehört und enorme Sehnsucht nach dieser fabelhaften Band aus Leeds entwickelt. Mein Lieblingsstück auf Kaleide ist Anjelica Huston. Lieder über Schauspielerinnen sind nicht selten, ein besonders eingängiges verfolgt mich seit ein paar Wochen und war der Grund, heute in die KulturKirche nach Nippes zu fahren.

"Wir waren alle so verliebt in Sophie Marceau, sag nicht, es war nicht so, und alle Mädchen standen auf Pierre Cosso." Einfach, aber sehr wahr!


Diese Zeile stammt von Erik Lautenschläger (Erik & Me), der mit seinen Kollegen Tom und Nora die junge Berliner Band Prag bildet (doof zu googeln, aber daran denken Musiker ja nie). Ob Prag schon Prag hießen, bevor sie die Stücke für ihr im Januar erscheinendes Debüt dort mit dem Czech Film Orchestra aufnahmen, weiß ich nicht - wie ich überhaupt wenig von Prag (Band) weiß - außer, daß Nora und Erik sich aus dem Schulchor kennen und Tom u.a. bei Stereo Deluxe gespielt hat. Also quasi ein Blinddate, nachdem man mal ein zerknittertes Foto gesehen hat, das aber vielversprechend war. "Sag nicht, es war nicht so."


In der Nippeser Lutherkirche war groß aufgebaut. Die Instrumente und Stationen hätten für drei Bands gereicht, als Gemeindepfarrer Thomas Diederichs herzlich wie immer die Besucher begrüßte. Keine Vorgruppe, also gehörten all die tollen Instrumente zu Prag!

Bevor die dies aber bewiesen, ging erst einmal der Fernseher an, um in einem zehnminütigen Film von den Arbeiten am unveröffentlichten Album zu berichten. Das war neu und sicher aus Marketing-Gesichtspunkten sehr clever, wirkte aber auch ein wenig merkwürdig.


Nachdem wir dann also auf dem neuesten Stand über Prag (in Prag) waren, erschienen die ersten der reichlich vielen Musiker. Drei Streicherinnen (Violine, Bratsche, Cello), Schlagzeuger, Trompeter, Bassist und Keyboarder kamen zunächst, bevor Nora, Erik und Tom auftraten. Das erste Lied (Leisestreichler) war noch instrumental aber enorm schmissig. "Opulent", habe ich in mein Notizbuch geschrieben. Aber als Einordnung der Pragschen Musik reichte dies noch nicht, es fehlte der Gesang.

Das zweite Stück Zeit sang Erik. Es handelte von Leonard Cohen und den Beatles, löste bei mir aber Assoziationen zu Bands wie Wolke oder Erdmöbel aus. Auch wenn die Bandbreite der Musik der Berliner von Chanson über Pop bis zu Jazz-Anleihen reichte, war Wolke-Erdmöbel immer wieder der Referenzrahmen, der mir in den Sinn kam (und auch einmal Karel Gott, ganz unabhängig von dessen Heimatstadt - und diese Assoziation ist gar nicht böse gemeint). Je höher Erik sang, desto weniger gefiel es mir (zum Beispiel bei Sie ham's ja so gewollt).


Toll wurde es, wenn Erik und Nora Duette sangen (mit unterstützender Stimme von Tom). Warten, Zweiter und Einfach (ist gar nichts) sind Beispiele dafür und nach dem ersten Hören die stärksten Stücke der Band! Neben dem Ohrwurm natürlich! Sophie Marceau wurde erstaunlich früh angestimmt, als viertes Stück. Erik erklärte das damit, daß sie unsicher gewesen seien, wie die unbekannten Lieder ankämen. Daher sollten wir früh das einzig bekannte Stück hören (der andere veröffentlichte Titel Wieder gut, die B-Seite, stand nicht im Set).


Vermutlich bekamen wir die ganze Platte serviert. Nicht alles davon eignet sich als Singles. Das komplexe Jeder hält die Luft an, das sie gar nicht mit auf Tour nehmen wollten, weil es zu kompliziert sei, wie Erik sagte, enthält einen radikalen Bruch und geht dann in New Orleans Jazz über. Warten dagegen, das die zweite Single werden soll, war sehr catchy.

Man merkte den drei Prags an, daß sie trotz unterschiedlicher Bühnenerfahrung diese neue Bandsituation noch ungewohnt finden. Das war überaus sympathisch, auch wenn es ein paar mal kurz davor war, daß der Fluß zwischen den Stücken verloren ging. Das ist nicht ganz leicht zu beschreiben. Während der Lieder saß alles, auch wenn es beim ersten Stück eine Panne gab und bei Drehbuch Nora und Erik in einen Lachanfall ausbrachen. Insbesondere die Sängerin war hochbeschäftigt, weil sie bis zu vier Instrumente pro Lied spielte (Gitarre, eine sehr eindrucksvolle riesig große - 50 cm vielleicht - Mundharmonika, Glockenspiel, Hackbrett, Vibraphon). In den Pausen war die Routine dann verflogen, es kam etwas Unsicherheit durch. Aber auch das mochte ich.


Daß Prag schon vor den Zugaben knapp eine Stunde spielten, empfand ich als sehr ungewöhnlich. Noch keine Platte aber 55 min Konzert, das ist nicht selbstverständlich. Darauf packten die zehn Musiker noch drei Zugaben (die ersten allerdings ohne die drei Streicher). Drehbuch, die erste, war wieder eines dieser schönen Duette, das mich ein wenig an Rue Royale erinnerte.

Zum Abschluß Schicht im Schacht kamen die Streicher zurück, allerdings singend. Sie seien dazu überredet worden, "die sind eigentlich sehr unmusikalisch."


Ich tue mich schwer damit, einzuschätzen, wie die Karriere von Prag verlaufen wird. Der Auftritt in Köln wirkte (alleine wegen der vollen KulturKirche) enorm professionell, obwohl die Band noch nicht viele Konzerte gespielt haben kann (bei lastfm gab es nur zwei vorher). Dabei blieb aber der Charme von fehlender Routine oder besser Abgezocktheit immer präsent. Am Merch-Stand gab es neben einer Sophie Marceau 7" Vinylsingle (mit von Eric gemaltem Bandporträt auf dem Cover) Postkarten und Prag-Briefmarken, damit wir nicht nur per Facebook zu Hause erzählen sollten, wie das Konzert war (meine Patenkinder werden staunen!). Das alles sieht zwar viel zu clever für eine DIY Band aus, aber genauso ist es. Prag vertreiben ihre Musik auf einem eigenen Label, der Marketingapparat, den man hinter den vielen guten Ideen vermuten könnte, sind die Bandmitglieder.

Ich hoffe sehr, daß Prag mit ihrer Platte Erfolg haben werden. Die Musik legt ihnen da auch sicher Steine in den Weg. Ich habe heute einige sehr schöne Stücke gehört, über die ich mich im Radio freuen würde. Es war also kein enttäuschendes Blinddate. So richtig "blind" war es auch nicht, Erik erinnerte mich nämlich frappierend an eine jüngere Version von Steve Buscemi!

Setlist Prag, KulturKirche, Köln: 

01: Leisestreichler 
02: Zeit 
03: Sie ham's ja so gewollt 
04: Sophie Marceau 
05: Zweiter 
06: Einfach (Du liebst es einfach) 
07: Ende
08: Jeder hält die Luft an 
09: Vögel 
10: Bis einer geht 
11: Warten 
12: Einfach (ist gar nichts) 
13: Argumente 1000fach 

14: Drehbuch (Z) 
15: Einkauf (Z) 
16: Schicht im Schacht (Z)



3 Kommentare :

Gudrun hat gesagt…

Es hat ja jeder so seine Privatmeise(n) - ich wäre für Nora Tschirner sogar nach Köln gekommen (egal welche Musik sie spielt) wenn ich es denn gewusst hätte. So schließt sich der Kreis mit dem verrückt sein nach bestimmten Schauspieler-Leuten...
Jedenfalls toll, dass Du dort warst und wunderschöne Bilder mitgebracht hast.

Anonym hat gesagt…

Hi! Ich war in München und fand das Konzert dort auch wirklich gelungen. Danke für den sehr schönen Artikel, nur ein gaaanz kleiner Fehler ist noch drin: das Cello hat Valentin Priebus (mit drei Tagebart eigentlich eindeutig als Mann zu identifizieren ;-)) gespielt. Somit waren war die Geige und Bratsche weiblich, der Cellist aber männlich

Christoph hat gesagt…

Vielen Dank, ich habe den Cellisten nie richtig gesehen, daher habe ich geraten :-)

Beim Verbeugen am Ende hätte es mir auffallen müssen.

 

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