Mittwoch, 15. August 2012

Haldern Pop Festival zweiterTag, Rees-Haldern, 09.08.12


Konzert: Haldern Pop Festival 2012, 2. Tag, mit Wye Oak, Other Lives, Dan Mangan u.v.a.
Ort:Spiegelzelt und Mainstage
Datum:10.08.2012
Zuschauer: Tausende

Der zweite Festivaltag wurde von uns erst um 15 Uhr 30 mit Wye Oak angestochen. Vorher war ausschlafen angesagt, schließlich waren wir im Urlaub, vor allem meine Frau, die sonst immer früh raus muss, pochte auf ihr Recht, lange zu pennen.
Als wir die Vorhänge des Hotelzimmers (wir sind alt und komfortversessen, zelten kommt für uns nicht mehr in Frage) aufzogen, hielt sich die Sonne noch ein wenig zurück und es war leicht bewölkt, aber als wir das Festivalgelände erreichten, war Sonnenschein pur angesagt und die Temperaturen sommerlich warm. Beste Bedingungen für einen großartigen Festivaltag, auf den wir zudem durch ein spätes Frühstück mit herrlich starkem Espresso bei einem Italiener in dem Grenzstädtchen Goch gut vorbereitet waren.
Weniger ausgeschlafen erschienen Andy Stack und Jenn Wasner alias Wye Oak, die heute erst aus Baltimore eingeflogen waren und zugaben, ziemlich durch den Wind zu sein. Leistungsmindernd wirkte sich der Schlafentzug und das Jetlag aber nicht aus. Mit viel Einsatz und Spielfreude präsentierten die beiden ihren erdigen Indierock, der mitunter ordentlich laut wurde. Jen schien eine diebische Freude daran zu haben, ihre Elektrische aufheulen zu lassen, während ihr musikalischer Partner am Schlagzeug (und Keyboard, manchmal gleichzeitig bedient!) hingegen weitestgehend stoisch agierte. Ein Paar voller Gegensätze. Sie die wilde Pipi Langstrumpf, er der fleißige Streber. Trotzdem harmonierten die beiden fast blind miteinander und ihr Set flutschte reibunsglos. Erstaunlich, daß sie es mit ihrem reduzierten Instrumentarium schafften, abwechslungsreich, melodiös und spannend zu klingen. Die Songs ihrer drei Alben waren jedenfalls ziemlich dufte und am Ende war es etwas schade, daß das Set nicht sonderlich lang war. City Slang Chef Cristof Ellinghaus schien mit dem Auftritt seiner Schützlinge zufrieden gewesen zu sein und auch ich hatte meinen Spaß mit dem explosiven Duo.
Um 16 Uhr 30 dann die Begegnung mit einer der Bands der Stunde. Other Lives aus Oklahoma haben einen kometenhaften Aufstieg hinter sich, der sie sogar ins Vorprogramm von Radiohead katapultierte und etliche ausverkaufte eigene Shows beinhaltete. Dabei waren sie noch vor einem Jahr nahezu unbekannt, als sie vor ein paar glücklichen Zusehern in der kleinen Haldern Pop Bar aufspielten, da aber bereits erkennen ließen, daß mit ihnen unbedingt zu rechnen ist. Ihr drittes Album* Tamer Animals ist aber auch wirklich ein Schmuckkästchen, das mit unglaublich vielen Schätzen gefüllt ist. Kein Wunder, daß dann viele Musikfans auch hören wollen, wie die Liveumsetzung gelingt. Hervorragend nämlich! Jesse Tabish versteht es immer wieder, den tollen Songs der CD live mehr Druck, Schärfe und Tiefgang zu verleihen und seine hervorragende Liveband um die talentierte Cellistin, Geigerin und Autoharpistin Jenny Hsu zu dirigieren. Auch in Haldern 2012 spielten die Musiker wie aus einem Guß und verzauberten das in der Sonne schwitzende Publikum mit einem vielschichtigen, orchestralen Wildwestsound, den Jesse Tabish mit sensationeller Baritonstimme intonierte. Hit (ganz groß der sentimentale Titeltrack) reihte sich an Hit (For 12, Dark Horse) und auch hier hatte man sich durchaus Lust auf ein längeres Konzert, was aber auf Grund des dichtgedrängten Zeitplanes nicht möglich war.
Danach musste ich erst einmal in Ruhe etwas essen und ein wenig chillen. Dazu gab es im hinteren Teil des Geländes bei den Merchständen auf sandigem Boden herrlich Gelegenheit. Hier konnte man prima relaxen, Kraft tanken und fühlte sich fast wie in einer kleinen Hippie Kommune. Alles passte, das Wetter, die netten Leute in Haldern und meine Stimmung (lag das vielleicht am Bier?). Selbst meine Wadenmuskulatur hatte sich ein wenig gelockert, wenngleich es immer noch zwickte und zwackte und ich mich humpelnd wie ein alter Mann fortbewegte. Zu dieser Zeit, es war in etwa viertel vor sechs, spielten die Indierocker White Rabbits auf der Hauptbühne, während kurze Zeit später die Briten Zulu Winter im Spiegelzelt für Stimmung sorgten. Ich selbst war erst um 18 Uhr 50 mit Dan Mangan wieder mit von der Partie.

Der liebenswürdige Kanadier erschien schon bei den Aufbauarbeiten (ein Zeichen seiner Bodenständigkeit) mit grünem Parka und seinem obligtorischen Lächeln im runden Gesicht. Der sympathische Bursche aus Vancouver hat aber auch wirklich gut lachen, denn zusammen mit seiner powervollen Band hat er es geschafft, vom Spiegelzelt (2011) auf die Hauptbühne aufzusteigen. Ein Verdienst seiner explosiven, äußerst inbrünstig vorgetragenen Konzerte, die immer mehr Fans rund um den Globus anzogen.
Auch heute machte Dan Mangan seine Sache gut, konnte aber nicht mehr so ganz von dem "Aha- Effekt" im Publikum profitieren, dass ihn vor einem Jahr kennen- und lieben gelernt hatte. Damals war er ein unbekannter Newcomer und kaum einer wusste, wie wahnsinnig stimmungsvoll und berauschend seine Shows sind, heute aber erwartete jeder ein neuerliches Feuerwerk und noch mehr Extase. Trotzdem blieb es lange Zeit ziemlich ruhig auf den Rängen und erst beim Überhit Robots wurden letzte Blockaden endgültig gelöst. Zuvor hatten Mangan und seine Band einen wohlschmeckenden Cocktail aus den beiden letzten Alben Nice Nice Very Nice und Oh Fortune! bereitet und ein Lächeln auf so manches Gesicht gezaubert. Wir werden ihn also wiedersehen, diesen Pfundskerl mit dem diebischen Lächeln, dessen kann man sich sicher sein!

Gleich nach Ende des Konzertes von Dan Mangan, das auf der Hauptbühne stattgefunden hatte, bemühte ich mich, schleunigst ins Spiegelzelt zu Daughter aus England zu kommen. Hier machte sich mein Pressepass bezahlt, da ich die Möglichkeit hatte, über einen Seiteneingang schneller reinzukommen, ohne vorher in der Schlange zu stehen. Drinnen war es wahnsinnig voll und wegen des starken Nebels war es auch schwierig, die Protagonisten auf der Bühne zu erkennen. Dummerweise stand die britische Sängerin auch auf der rechten Seite, sodass ich die Seiten wechseln musste, da sie vorher im toten Winkel war. Durch meine Linse sah ich eine dünne, gutaufgelegte junge Dame mit E-Gitarre, die eine männliche Begleitgruppe anführte. Ihre Stimme klang sirenenhaft und herrlich verhuscht. Aber der verhallte Dreampop wich im weiteren Verlaufe einer noisigeren Instrumentierung und man konnte fast Postrockelemente erkennen. Laura Marling meets Sigur Ros, so schoss es mir durch den Kopf. Wie auch immer, ich genoß das Set und kann die Programmveranstalter des niederrheinischen Festivals nur beglückwünschen, diesen in Zukunft sicherlich dicken Fisch ans Land gezogen zu haben. Auf dem europäischen Festland waren Daughter noch nicht so oft, insofern waren die Haldener erneut früh am Ball und ich würde mich nicht wundern, wenn wir Daughter in Zukunft einmal auf der Hauptbühne erleben werden.

Erneuter Bühnenwechsel und zurück zur Mainstage auf der nun Thees Uhlmann und seine Band antraten. Mein Bloggerfreund Christoph hatte den Tomte-Sänger erst kurz vorher interviewt und von einem bestens aufgelegten und natürlich-sympathischen Kerl geschwärmt (der im Übrigen auch unser Konzerttagebuch liest! Yeah, baby). Und genauso kam Thees dann auch live rüber. Locker, gerade heraus und uneitel. Ein Typ, der seine Herkunft vom Lande nicht verleugnet und sich höchst erfreut zeigte, auf dem Dorf, sprich dem Haldern zu spielen. Das sei seit langer Zeit sein Traum gewesen. Beim Publikum kam er mit seiner unverkrampften Art ungemein gut an, viele Leute sangen die Texte mit und an dem satten, hochmelodischen Gitarrenrock hatte einfach jeder seinen Spaß. Ich persönlich erfreute mich zudem an dem Anblick der zuckersüßen Keyboarderin, die unverschämt jung aussah, aber sicherlich schon seit einer gewissen Zeit volljährig ist. Einzig der Anblick der Leute neben mir, mit den hässlichen T-Shirts, die unweigerlich auf einen dieser unsäglichen Junggesellenabschiede hindeuteten, irritierten mich ziemlich. Es gibt ja kaum etwas Schlimmeres als Junggesellenabschiede, finde ich zumindest und auch Hochzeitsgags wie das Entführen der Braut erscheinen mir absurd. Ich hätte möglicherweise jedem meine Freundschaft gekündigt, der mir damals bei meiner Eheschließung mit einem solchen Käse gekommen wäre. Aber Schluss mit diesem Exkurs, das Konzert von Thees war kurzweilig und in manchen Teilen gar berauschend. Musik mit deutschen Texten ist also nicht per se zu verdammen.

Gilt sicherlich auch für Niels Frevert, der nun im Spiegelzelt auflief.

Allerdings fehlte mir die Kraft, um mir den sensiblen Barden drinnen anzusehen und richtig aufzupassen. Stattdessen plauderte ich gemütlich auf einer der Bierbänke draußen mit einem Freund, denn wir sehen uns das Jahr über nur selten und haben kaum Gelegenheit, uns mal auszutauschen. Aber auch das gehört zu einem Festival dazu: Freunde treffen, soziale Kontakte pflegen, über die Qualität der Konzerte fachsimpeln. Zu Niels Frevert konnte ich mir keine richtige Meinung bilden, obwohl man den Auftritt auch draußen auf dem großen Bildschirm verfolgen konnte. Ich denke der Hamburger ex Nationalgalerie Mann ist gut, ansonsten hätte er nicht eine solch treue Gefolgschaft und wäre nicht bei dem glänzenden Label Tapete beheimatet.

Fraglich ist hingegen, was ich von Ben Howard zu halten habe. Der Engländer, der letztes Jahr noch beim Haldern Pop im Zelt spielte, hatte 2012 den Aufstieg auf die Hauptbühne geschafft und gefiel meiner Frau, die sich das Ganze aus der Nahe ansah, recht gut. Ich hörte das Konzert nur aus der Ferne, konnte demzufolge auch hier kein Urteil abgeben. In Frankreich, wo ich seit 10 Jahren lebe, ist er bereits ein Star, spielt 1.500er Locations und in Deutschland ist sein Aufstieg sicherlich auch noch nicht beendet. Ob ich dabei bin, wird die Zukunft zeigen.

Dabei war ich dann aber auf jeden Fall beim Konzert der Briten Diagrams. Von denen hatte ich viel erwartet, da sie mir in Paris vor ein paar Monaten ein fulminantes Konzert beschert hatten und meine Erwartungen wurden auch keineswegs enttäuscht. Ex Tunng Vorstand (der vor ein paar Jahren mit seiner alten Band bereits im Spiegelzelt aufgetreten war) Sam Genders und seine Truppe spielten druckvoll, abwechslungsreich und melodiesselig auf. Ihre Mischung aus funkigem Pop, Electronica und Folk war clever arrangiert und wartete auch mit einigen Hits auf. Tall Buildings beispielsweise zog irre gut, war groovy und catchy, ohne dümmlich und platt zu klingen. Unterstützt wurde Genders u.a. von einer hübschen rothaarigen Keyboarderin und einer im Hintergund agierenden Sektion aus Trompete, Saxofon und Geige. Einen Gag hatte sich die sympathische Band für den Schluß aufgehoben. Da wurden nämlich die Zuschauer gebeten, die anfänglich verteilten Luftballons in die Höhe zu werfen und so endete das prima Konzert wie auf einem Kindergeburtstag: Viele Ballons und viele glückliche lächelnde Gesichter. Schön!

Um 22 Uhr 55 ging es dann zurück auf die Mainstage. Dort warteten schon die Iren Two Door Cinema Club, um ihren bubblegumartigen Gitarrenpop abzufeuern. Das klang dann am Anfang auch noch frisch und teilweise enthusiasmierend, entwickelte sich im weiteren Verlaufe aber zu einer eher flachen Angelegenheit, weil einfach jedes Lied, jede Gitarrenmelodie und jeder Schlagzeugrhythmus ähnlich bzw. gleich klang. Immer deutlicher wurde, daß die junge Band keine eigene Identität hat und nur eine uninteressante Mixtur aus Franz Ferdinand, den Maccabees und Foals darstellt. Auch die wenigen neuen Lieder vom demnächst erscheinenden zweiten Album unterschieden sich kaum von den Hitsingles des ersten Albums. Einem Großteil des Publikums schien diese mangelnde Originalität aber egal zu sein. Viele tanzten zu den bisweilen karibisch anmutenden Rhythmen und den poppigen Melodien und gaben keine shit darauf, daß Two Door Cinema Club Klone sind, die dem Mainstream die Füße küssen.

Bessere Musik gab es dann wieder im Spiegelzelt. Es war schon nach Mitternacht als Wendy McNeill und ihre Band loslegten. Die Akkordeonspielerin aus Kanada hatte bereits 2010 das Halderner Publikum im Spiegelzelt entzückt und auch 2012 kam sie hervorragend an. Das lag zum einen Teil an ihrer äußerst liebenswürdigen herzlichen Art, zum anderen an ihrer markanten Stimme und ihren fein arrangierten Kammerpopsongs mit schwarzer Note. Zu jedem Lied erzählte McNeil übrigens auch eine Anekdote, sodass das gesamte Konzert eine Geschichte über den Fischer namens Eddie darstellte. Christoph hatte besonders gut aufgepasst. Er wird in seinem Bericht sicherlich detailliert auf diese interessante Story eingehen.

Ich hingegen verabschiede mich für heute, denn die anschließenden Konzerte waren mir zu spät und dies obwohl ich insbesondere Oberhofer sehr gerne gesehen hätte.

Morgen dann der Bericht vom dritten und letzten Festivaltag. Dann auch hoffentlich endlich Fotos!

* wenn man das Debüt unter dem Bandnamen Kunek hinzurechnet

Setlist Two Door Cinema Club, Haldern Pop Festival 2012:

01: Cigarettes In The Theater
02: Undercover Martyn
03: Do You Want It All?
04: This Is The Life
05: Wake Up
06: Something Good Can Work
07: You'reNot Stubborn
08: Settle
09: Costume Party
10: Handshake
11: Eat That Up, It's Good For You
12: What You Know
13: Sleep Alone
14: Come Back Home
15: I Can Talk

Setlist Other Lives, Haldern Pop Festival 2012:

01: As I Lay My Head Down
02: Old Statues
03: Landforms
04: Desert
05: For 12
06: Tamer Animals
07: Wheater
08: Dust Bowl III

Setlist Dan Mangan,
Haldern Pop Festival 2012:
01: Oh Fortune!
02: Sold
03: If I Am Dead
04: Post War Blues
05: Robots

Setlist Thees Uhlmann,
Haldern Pop Festival 2012:
01: Römer Am Ende Roms
02: Das Mädchen von Klasse 2
03: Vom Delta Bis Zur Quelle
04: Sommer In der Stadt
05: Zum Laichen Und Sterben Ziehn Die Lachse den Fluss Hinauf
06: Die Nacht War Kurz (Ich Stehe Früh Auf)
07: & Jay-Z Singt Uns Ein Lied
08: XOXO
09: Die Toten Auf dem Rücksitz
Setlist Ben Howard, Haldern Pop Festival 2012:

01: Oats In The Water
02: Diamonds
03: Old Pine
04: The Wolves
05: Everything
06: Black Flies
07: Keeo Your Head Up
08: The Fear




 

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