Mittwoch, 29. August 2012

Beach House, Duisburg, 28.08.12


Konzert: Beach House
Ort: Grammatikoff, Duisburg
Datum: 28.08.2012
Zuschauer: ca. 250 (ausverkauft)
Dauer: 75 min


Beach House und ich, wir brauchten eine Weile, um uns zu mögen. Vor ein paar Jahren konnte ich den aufkommenden Wind um die Band aus Baltimore ganz und gar nicht verstehen. Mittlerweile hat sich meine Zuneigung fundamental geändert, und ist (auch) durch das aktuelle Album Bloom noch einmal deutlich größer geworden. Im Frühjahr hatten wir Gelegenheit, Teile der Platte schon live zu sehen: das amerikanische Duo Victoria Legrand und Alex Scally spielte u.a. in Paris und beim Primavera Festival. Der Auftritt in Barcelona hatte mich vor allem wegen der Mischung aus glasklarer, wundervoller Musik und der kühlen Entrücktheit der Band im 80er Jahre Design ihrer Bühne vollkommen begeistert. Daß ich mir zumindest eines der beiden kleinen Clubkonzerte im August nicht nehmen lassen wollte, war also wenig überraschend.

Im Duisburger Grammatikoff war ich noch nie, auch im Vorgängerladen nicht. Seit November 2011 wird der Club von den neuen Betreibern geführt und offenbar sind hier Menschen am Werk, die etwas von Konzerten verstehen. Wegen der doofen Anreise hatte ich bei Facebook gefragt, wann es losgehe und ob es eine Vorgruppe gebe. Ganz schnell kam auf beides Antwort. Einige Stunden vor dem Konzert dann
ergänzt um die Information, daß der Tourbusfahrer angerufen habe und eine längere Pause brauche, daher verschiebe sich der Konzerttermin um eine halbe Stunde nach hinten, auf schlaffreundliche 21 Uhr.

Wir kamen kurz vor acht am Grammatikoff an und setzten uns in den Biergarten vor dem Haus. Der Einlass begann gerade, die Schlange war aber entschieden zu lang. Mich ließ das extrem locker, weil ich damit rechnete, daß es ekelhaft voll werden würde und wir von der Band eh nichts sehen würden, weil sie sich gerne in Nebelbänke einhüllt und auch aus der ersten Reihe nicht wahrnehmbar sein würde. Also ruhig spät reinkommen und dann hinten irgendwo ans Mischpult. Die Strategie ging nicht auf, denn im kleinen Saal im ersten Stock war noch luftig viel Platz. Ein Teil der Schlangesteher war nach oben auf eine Empore gegangen, der Rest verteilte sich in dem kleinen Raum so angenehm, daß wir zwangläufig doch nach vorne konnten. Das würde an der Sicht nicht viel ändern aber besser Nebel als Hinterköpfe.

Um kurz vor neun zog ein Helfer als letzte Vorbereitung Bettücher von der Bühnendeko. Die aus parallelen weißen Streben bestehenden Objekte an der Rückwand hielt ich für State of the art Lichtelemente, die durch die Tücher vermutlich noch vor Luftfeuchtigkeit geschützt werden müssten. Aber gleich sollte ich das ja genauer erleben.

Victoria und Alex kamen gemeinsam mit Tour-Schlagzeuger Dan Franz auf die Bühne. Vor dem (Dan) hatte ich ein wenig Angst, denn Oliver hatte vom Auftritt bei Rock en Seine am Wochenende berichtet, daß das Schlagzeug arg dominant gewesen sei. Bei fragilen Sound der Amerikaner kann so etwas ein Konzert sehr schnell kaputtmachen. Glücklicherweise war diese Angst unbegründet. Der Sound war nicht nur ausgewogen, er war für einen Club dieser Größe sogar außergewöhnlich gut!

Zu Crocket's Theme von Jan Hammer (Miami Vice) waren die drei Musiker auf die Bühne gekommen. Ich bin recht unsicher, ob diese Intro-Auswahl ironisch zu verstehen ist. Zum einen ist das Stück schließlich hervorragend, zum anderen erscheint mir auch Victorias Outfit mit Thomas-Anders-Lockenpracht und wechselnden 80er Blazern durchaus ernst gemeint. Daß es konsequent zur eigentlichen Musik passt, ist unbestritten.

Erstes eigenes Stück war Wild von Bloom. Auch wenn, wie bei allem, was folgte, Victorias tiefe und klare Stimme wichtigstes Element der Musik ist, funktionierte das Zusammenspiel zwischen dezentem Schlagzeug, Alex' Gitarre und dem 80er Keyboard hervorragend!

Zwei weiter bei Norway (ausgerechnet beim überragenden Norway!) erfuhr meine Begeisterung aber einen Einbruch. Der Hit von Teen Dream kam lustlos daher. Also doch kein überragendes Konzert? Mist! Falsch; wie mit vielen Einschätzungen lag ich heute auch hier vollkommen daneben. Denn alles, was danach kam, war schlicht wundervoll, klang hervorragend und wurde großartig vorgetragen! Other people und Lazuli machten den Auftakt für elf große Hits in Folge. Als ich bei Myth zum ersten Mal auf die Uhr guckte, stellte ich erstaunt fest, daß bereits eine Stunde gespielt war. Wenn eine Band, deren Lieder sich stilistisch kaum unterscheiden, so kurzweilig wirkt, macht sie eine Menge richtig.

Aus dieser Hitparade Lieder herauszuheben, ist eigentlich unsinnig, trotzdem verdient das Ende des regulären Teils besondere Erwähnung. New year, Zebra, Wishes, Take care und Myth direkt nacheinander sind schon
fast obszön verschwenderisch! Gottseidank war wenigstens bei Myth das Schlagzeug einen Tick zu laut und eine Rückkopplung am Anfang von Wishes fies, sodaß es ein wenig zu mäkeln gab. Wo ich schon gerade dabei bin... Natürlich gab es auch wieder die beiden Typen, die Zebra nutzten, um sich bei ihrem Bierchen angeregt laut zu unterhalten.

Victoria war auch eine Ecke redseliger als gedacht. Ich war sicher, daß ihr hingehauchtes "thank you for being with us" nach Norway der einzige Kontakt mit
der Außenwelt sein würde, lag aber auch damit daneben. Sie bedankte sich immer mal wieder höflich für die Aufmerksamkeit, als sei sie ernsthaft überrascht, den kleinen Club auszuverkaufen. Beach House nehmen schließlich gerade die nächste Hallengröße in Angriff, in Köln steht im Herbst das Gloria auf dem Plan. Nur mit der Stadt taten sie sich schwer. "Duisburg" war wohl entweder schwer auszusprechen oder entfallen. Es war nämlich nur von "this city" die Rede. Zumindest, nachdem ein mündiger Bürger durch Zwischenruf aufgeklärt hatte "it's a city not a town." Den Town-Fauxpas hatte sich Alex kurz zuvor bei einer Dank-Ansage geleistet.

Glücklicherweise war auch meine Nebel-Angst Quatsch. Es gab ihn, es gab auch düsteres Licht, die Band war aber genauso gut sicht- wie hörbar. Und auch dies hat dem entrückten Charme des Auftritts nichts genommen.

Die Lichtleisten hinter der Bühne, die ich für teuren Schnickschnack gehalten hatte, stellten sich übrigens als eine Art Lattenroste heraus, hinter denen sich Ventilatoren drehten. Dies erzeugte mit einfachen Mitteln wunderschöne Effekte. Irgendwie sinnbildlich für den Abend.

Setlist Beach House, Grammatikoff, Duisburg:


01: Wild
02: Gila
03: Norway
04: Other people
05: Lazuli
06: Used to be
07: Silver soul
08: The hours
09: New year
10: Zebra
11: Wishes
12: Take care
13: Myth

14: 10 mile stereo (Z)
15: Irene (Z)

Links:

- aus unserem Archiv:
- Beach House, Barcelona, 03.06.12
- Beach House, Paris, 29.05.12
- Beach House, Köln, 14.11.10
- Beach House, Paris, 04.11.10
- Beach House, Frankfurt, 16.08.10
- Beach House, Paris, 03.06.10
- Beach House, Paris, 20.02.10
- Beach House, Paris, 24.05.08





4 Kommentare :

Oliver Peel hat gesagt…

Gila hatte ich beim Konzert in Paris vermisst. Für mich immer noch eines ihrer besten Lieder.

Anonym hat gesagt…

Dann hoffe ich mal heute wird es auch so gut.

Oliver Peel hat gesagt…

Sehr gute Fotos!

Nelle hat gesagt…

War entgegen erster Ankündigungen doch da, habe dich aber nur mal aus der Ferne gesehen. Nachdem unsere Firmentagung in Süddeutschland abgesagt wurde, war ich froh dass mein Ticket noch niemand gekauft hatte. Dann kam aber doch wieder was Geschäftliches dazwischen, so dass ich erst viel zu spät losfuhr. Dann kamen verpasste Züge, verpasste Busse, eine Autobahnvollsperrung, eine gesperrte Ausweichstrecke und sonstwas dazwischen... immerhin weiß ich dank deiner Setlist, dass wir nur ein halbes Lied verpasst haben. Allerdings habe ich die meiste Zeit nur den Schlagzeuger gesehen und der Sound an meiner Stelle war auch mäßig. Habe aber schon eine Karte für Köln (weil ich ursprünglich dachte, ich könnte nicht nach Duisburg)

 

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