Sonntag, 20. März 2011

Peter Doherty, Paris, 19.03.11


"Konzert": Peter Doherty

Ort: Le Tigre, Paris
Datum: 19.03.2011
Zuschauer: 200 vielleicht
"Konzertdauer": eine knappe Stunde?


Paris in der Nacht vom 19. auf den 20. März 2011. Im eleganten Viertel unweit der Oper stehen amüsierungswütige, junge Leute in der recht schmalen rue Molière vor der Tür einer Schickimicki- Disco namens Le Tigre und warten hinter roten Samtabsperrungen auf Einlass. Die Mädchen sind aufgetakelt ohne Ende, tragen knappe Rocke und hohe Absätze. Grundsätzlich habe ich nichts gegen ein sexy Outfit einzuwenden, aber hier wird die Grenze zur Vulgarität doch teilweise deutlich überschritten. Meine Tochter (wenn ich denn eine hätte) würde ich so nicht losziehen lassen, aber nun gut, vielleicht bin ich ein altmodischer Spießer.

Ich schaue Richtung Eingangstür und erblicke zwei unglaublich wichtige (lol) Personen. Einen Türsteher mit schwarzen, halben Lederhandschuhen (diese blöden Dinger, die Lagerfeld immer trägt) und ein junges Mädel mit feurroten Lippen, Brille und unübersehbaren Tattoos auf dem Rücken und den Armen, die sie stolz zur Schau stellt. Sie ist in eine Diskussion mit einer jungen Göre verwickelt, die keifend und wutschnaubend herumbrüllt und mit erhobenem Zeigefinger quäkt: "Kannst Du wirklich die Verantwortung dafür übernehmen, mich nicht hier reinzulassen? Kannst du das wirklich? Ich kenne Adrian (Adrian Hunter, den Manager von Peter Doherty*) persönlich!

Die Türsteherin lässt sich durch das Gefasel (ständig behaupten Leute, Adrian zu kennen. Warum? weil sie auf Facebook mit ihm "befreundet" sind) nicht beirren: "tut mir Leid, der Laden ist voll, ich kann niemanden reinlassen." Minutenlang wird noch hin und her diskutiert, aber an der Sache ändert es nichts. Die Tür bleibt verschlossen und geht nur auf, wenn auf wahnsinnig wichtig tuende Jünglinge mit Papis Kreditkarte zum Zigarette rauchen nach draußen strömen. Das Konzert von Peter Doherty drinnen scheint sie nicht die Bohne zu interessieren.

Ich bin umringt von aufgestylten Leuten, viele Tunichtgute darunter, die sich aber trotzdem für unwiderstehlich halten. Eigentlich dachte ich, ich schneie hier einfach vorbei, bezahle den geforderten Eintritt von 10 Euro und sehe mir ein Konzert von Peter Doherty in einem intimen Rahmen an. Mehr wollte ich nicht. Hier bei der Kälte vor der Tür neben eitlen Snobs rumzustehen und deren blöden Mätzchen mit anzusehen, war nicht in meinem Sinne. Aber irgendwie belustigt mich das Ganze Getue auch schon wieder, ich kann herrlich Sozialstudien durchführen: Wie verhalten sich junge Leute aus reichem Hause, wenn sie samstagsabends ausgehen? Die Antwort ist leider in vielen Fällen ernüchternd: asozial.

Eine Szene werde ich wohl so schnell nicht vergessen. Eine Gruppe von vier jungen hochnäsigen Mädchen war plötzlich vorgedrungen und drei von ihnen drängelten sich ohne jede Rücksicht einfach an mir vorbei. Eine von ihnen hatte aber nicht schnell genug reagiert und stand dummerweise seitlich hinter mir. Um aber klar zu machen, das man mich nicht einfach wie Luft behandelt, versperrte ich ihr mit meinem massigen Körper ein wenig den Weg. Ich war schon länger hier und dachte nicht dran, die Tusse auch noch durchzulassen. Nun fing plötzlich das am weitesten vorne stehende Mädchen (eine falsche Schlange!) an, auf unfassbar heuchlerische Weise die Türsteherin anzuschleimen und ihre Tattoos über den grünen Klee zu loben. All dies natürlich nur in der Absicht, reinzukommen. Es war grotesk, nun fingen auch die anderen noch an, eine Pseudokomplizenschaft zu der Einlasserin herzustellen. Aber die dämliche Masche schien zu ziehen, die Türsteherin wollte nun wissen, wie groß die Gruppe denn sei. "Wir sind vier" schrien sie alle hysterisch, obwohl ich genau in der Mitte der Gruppe stand. "Wir sind fünf", berichtige ich. Etwa fünf Minuten später ging tatsächlich der Sesam auf und die 3 am weitesten vorne stehende Mädels stürmten Richtung Eingangstür. Die Türsteherin fragte erneut: "hey Mädels wieviel seid ihr?", woraufhin die falsche Schlange greinte: "vier "und in meine Richtun blökte: "du bist kein Mädel!" Dennoch ließ ich mich nicht beirren und drang vom Türsteher nicht behelligt ebenfalls nach vorne durch. Fast wäre ich Trottel dabei über diese verfluchte rote Samtabsperrung gestopert! Ich entrichtete die 10 Euro Eintritt und schwups war ich drin.

Schon nach fünf Minuten war aber klar, daß sich die Warterei nicht gelohnt hatte. Zusammen mit zwei jungschen Typen (Miggles Christ und Spark Shyver, die auch das Vorprogramm bestritten hatten) schrammelte Peter auf der Bühne rum. Er war in einem erbärmlichen Zustand, brabbelte nur schwer verständliche Zeilen ins Mikro und überließ sogar meistens den anderen beiden Kerlen den Gesangespart. Lieder im klassischen Sinne gab es keine. Das waren unmelodiöse improvisierte Jams ohne Hand und Fuß, von Dohertys Songs keine Spur. Eine traurige Angelegenheit, Fremdschämen war angesagt. Ganz zum Schluß dann fand das Trauerspiel ein absurdes Ende. Die beiden Typen jammten die Melodie von I Wanna Be Your Dog und Peter sprang mit seinem riesigen Körper in die Menge. Doherty der Crowdsurfer! Auf den Köpfen von zierlichen Mädchen! Dieses Schauspiel wiederholte er noch zwei weitere Male und landete am Ende wie ein Käfer auf dem versifften Boden, bevor er auf allen Vieren wegkroch. Der DJ spielte zur Ablenkung irgendeinen Oldie und das "Konzert" war beendet.

Hinterher erfuhr ich noch, daß Peter zu Anfang wenigstens Can't Stand Me Now und Dilly Boys (beides Libertines) gebracht hat, reichlich wenig für 10 Euro Eintritt und zum Teil hohe Erwartungen.

Traurig, traurig, wenn man bedenkt, daß Peter in den letzten Jahren schon Gratiskonzerte in kleinen Pariser Clubs gegeben hat, die wirklich aus musikalischer Sicht lohnenswert waren.

Ich kann nur hoffen, daß er sich für die Deutschlandkonzerte im April am Riemen reißt und ordentliche Gigs abliefert.

- Sehr gute Fotos gibt es bei Rockerparis, klick!

* ich bin einem Missvertständis aufgesessen. Es ging um Adrien den Chef des Ladens und nicht Adrian Hunter, den Manager von Peter.



3 Kommentare :

Anjali hat gesagt…

Oliver, le "Adrien" en question n'avait rien à voir avec Adrian Hunter, manager de Peter, il s'agissait de Adrien Wend, le videur du Tigre.

Oliver Peel hat gesagt…

Oh, c'est drôle. Donc j'ai mal compris, hein? De toute façon j'ai pas vu Adrian Hunter dedans.Il était là?

Anjali hat gesagt…

Non, il n'était pas là.

 

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