Konzert: The National
Ort: Haldern-Pop Festival
Datum: 14.08.2010
Dauer: 94 min
Vor wenigen Stunden beendeten The National auf der Hauptbühne das diesjährige Haldern-Pop Festival. Oliver und ich waren uns hinterher einig, daß die Amerikaner wie erwartet das beste Konzert des Festivals gespielt hatten.
Ein guter Grund, das Konzert aus verschiedenen Perspektiven zu beschreiben. Olivers und meine Einschätzung folgen in Kürze hier!
So sah Oliver Peel das Konzert:
Auf das Konzert der Headliner The National warteten viele Besucher des Haldern-Pop Festivals schon seit Tagen in fiebriger Anspannung. Auch viele Bands hatten seit dem 1. Festivaltag am Donnerstag bekundet, daß sie sich besonders auf The National freuen und somit indirekt die Veranstalter dazu beglückwünscht, diesen dicken Fisch an Land gezogen haben. Die Erwartungen waren also immens hoch und es stellte sich die Frage, ob die Amerikaner mit dem Druck fertig werden würden. Der Anfang des Konzertes verzögerte sich dann schließlich. Für 0 Uhr 35 angesetzt, erschienen die Darkrocker letztlich erst eine Viertel Stunde später. Ein zäher Auftakt eines Auftritts, der auch in der weiteren Folge von kleinen Pannen und technischen Problemen überschattet wurde. Bereits nach ein paar Takten des Openers Afraid Of Everyone musste Bandleader Matt Berninger schmunzelnd abbrechen, weil er die Tonlage nicht traf und auch der Sound nicht optimal war. Man startete erneut und spielte dieses Mal auch das Lied durch, aber die Stimme von Matt schien knarzig und deutlich weniger weich und rund als auf den Alben. Ein Fehlstart, keine Frage! Auf den Beginn vieler Songs des Sets warteten die Fans ewig lange, denn es musste immer wieder gestimmt und gesoundcheckt werden. Der fabelhafte Drummer Bryan Devendorf überbrückte die Pausen durch ein paar Trommeleinlagen, konnte aber nicht verhindern, daß der Spielfluß gestört war. Tight geht anders. Dennoch kam das Konzert mit jedem weiteren Titel immer besser in Schwung. Matt hatte sich inzwischen auch besser eingesungen und seine famose Baritonstimme klang immer präziser und ausgewogener. Die beiden Zwillingsbrüder Dessner an der Gitarre waren ohnehin von Beginn an gut aufgelegt. Mit ihren messerscharfen, postpunkigen Riffs steuerten sie genau jene Rauheit und Rockigkeit bei, die ich auf dem hochgelobten Album High Violet schmerzlich vermisse. Statt harmonisch rundem Altherrenpop (und gepflegter Langeweile!) wie auf der Konserve gab es schmissige, treibende und euphorisierende Versionen ihrer neuen Stücke. Oft fragte ich mich, warum man Sachen wie England, Bloodbuzz Ohio und vor allem Terrible Love nicht gleich live auf Tonträger gebannt hat. Vor allem die Zugabe Terrible Love war um so vieles direkter, fetziger und berauschender als auf CD! Auch die Bläser- und Streicherparts vermittelten live deutlich mehr Emotionalität, Brillanz und Spontaneität. Aber nicht nur das neue Material wurde live neu und auf famose Weise interpretiert, sondern auch die Klassiker bekamen ein astreines Lifting. Bei Squalor Victoria (von Boxer) schrie Matt Berninger den Refrain als hinge er am Spieß und Fake Empire brachten die Musiker so betörend schön und anrührend wie selten zuvor. Bemerkenswert auch, daß Mister Berninger seine schon fast legendäre Schüchternheit (manche sprechen von Autismus!) gut in den Griff bekam, seltener als sonst die Flucht zu seinem Schlagzeuger antrat und in einer spektakulären Szene sogar die Bühne verließ, um den Fans ganz nah zu sein. Als er an unsere Seite der Absperrung gleich vor uns stand, hätten wir ihm problemos in das Mikro/den Bart greifen können!
So zäh und wenig überzeugend der Beginn des rund 90 minütigen Konzertes war, so überaus berührend und nahegend war das Ende. Die Ballade About Today (von der Cherry Tree EP) kam so himmlisch einschmeichelnd rüber, daß die begeisterten Fans die Band gar nicht mehr gehen lassen wollten. Zu einer weiteren Zugabe kam es aber nicht mehr, blame it on the technical problems!
Unter dem Strich stand ein Auftritt, der trotz seiner Pannen bewies, daß The National zu Recht in der Champions League der Indierockbands spielen. Wenn bei ihnen alles zu glatt gelaufen wäre, würden sie mir fast unheimlich werden, bedenkt man daß Matt Berninger von Haus aus ein reservierter und ängstlicher Mann ist, der es nie darauf angelegt hat, mit seiner Truppe auf den großen Bühnen dieser Welt zu spielen. Schön, daß er sich so geöffnet hat und viel Intimes aus seinem Innenleben preis gibt!
Die Einschätzung von Christoph folgt hier:
"Wie sollen wir bloß 13 Stunden Festival überstehen?" war die große Sorge am Mittag, weil der Samstag keine (großen) Pausen zuließ. Und weil am Ende mit The National auch noch das ausgemachte Highlight spielen sollte, war auch klar, daß vorher schlappmachen ausgeschlossen sein würde.
Um die Qualität der amerikanischen Band mit dem langweiligen aber doch wieder griffigen Namen zu erkennen, habe ich eine Weile gebraucht. Aber spätestens seit Haldern 2008 halte ich die Männer um Matt Berninger für eine der größten Bands unserer Zeit - vor allem live. Daher war es nicht schlimm, The National innerhalb von drei Wochen zweimal zu sehen; meine Vorfreude war riesig, denn der Auftritt der Amerikaner beim Latitude Festival vor ein paar Wochen war subjektiv zwar nur der zweitbeste, objektiv aber ganz sicher das mit Abstand beste Konzert des Wochenendes und vermutlich des Jahres.
Obwohl der Zeitplan den ganzen Tag über prima eingehalten wurde, fing es gerade jetzt mit den Verzögerungen an. Um Viertel vor eins, nach besonsers intensivem Soundcheck, erschienen Sänger Matt Berninger und die Bruderpaar Aaron und Bryce Dessner und Bryan und Scott Devendorf.
Und das Brummen.
Es brummte so laut aus den Lautsprechern, daß klar war, daß ein größeres Problem da ist. Die Band ignorierte das zunächst und begann ihr Set mit dem eher ruhigen Afraid of everyone, bei dem Matt Berningers Stimme schlecht zu hören war, ich vermute wegen eines Mikroproblems. Das Lied verpuffte total. Es gab das, was man wohl höflichen Beifall nennt, aber nicht mehr. Von Euphorie, diese grandiose Band sehen zu dürfen, war nichts zu spüren. Ich vermute, daß es an der völligen Übermüdung des Publikums lag, Haldern Besucher sind ja nicht für ignorantes Verhalten bekannt. Aber schlechter Ton hin oder her, die Stimmung kommt von vor der Bühne, und die war bei Tallest Man On Earth (der eher klein war) deutlich besser.
Bei den ersten Klängen des zweiten Stücks war ich sicher, daß das Konzert jetzt beginnt. Beim Latitude hatte der Saal (das Zelt) gebebt, als Mistaken for strangers angestimmt wurde. Auf dem Reitplatz in Haldern passierte wieder gar nichts. Eigentlich hätte ich da gehen wollen, aber ich blieb natürlich; das Brummen leider auch.
Frontmann Matt hatte ich bisher grundsätzlich scheu, fast verstört zurückhaltend erlebt. Ob er es wegen der Pannen erforderlich hielt oder weil er bloß redselig war, er fing an zu erzählen, vom See, in dem sie tagsüber gebadet hätten. "We saw many naked people which for Americans is a great deal. It's a good day!"
Für die Techniker war es das nicht. Immer wieder versuchte man verzweifelt, die Störgeräusche zu beseitigen, die wohl am Bassverstärker auftraten. Matt Berninger versuchte sich als Entertainer. "Yeasayer did this to us! Damn you, Yeasayer! Saboteurs!" Währenddessen bastelten die Soundleute weiter am Brummen. In dieser Phase war Slow show mit den scheppernden Bläsern ein erster großer Höhepunkt. Spätestens jetzt hatte das Konzert mich. Aber um mich rum nur Leute, die Gesichter zogen, als hätte man ihnen gerade gesagt, das nächste Festival finde komplett im Spiegelzelt statt.
Und dann wieder Probleme. Mitten in Squalor Victoria sang der Frontmann plötzlich "this isn't working. Fuck off!"
Es dauerte eine Stunde, bis die Band verkündete, sie habe "our shit together." Vorher schienen mir die Kommentare immer zynischer zu werden. "This is gonna be conversation 14 tonight" oder der Dialog vor Sorrow. Matt: "It's for you" - einer der Dessners: "It's for us!" Hätte das den Problemen gegolten, ok! Wenn das der Kommentar zur Stimmung war, volle Unterstützung! Mir tat die Band in beiden Zusammenhängen leid. Die viel zu späte Ansetzung hatte vermutlich ein für alle grandioses Konzert kaputtgemacht. Keine glückliche Entscheidung der Macher, und eine vollkommene Fehleinschätzung, wie fit man nach einem langen Festivalwochenende noch ist.
Warum das Konzert aber trotz allem für mich doch noch großartig und zum besten des Wochenendes wurde, obwohl nur die letzte halbe Stunde klanglich brillierte, ist einfach erklärt. The National liefern live zur Zeit den Sound (übertragen), an den niemand sonst rankommt. Selbst die vielleicht überproduzierten, oft zu fröhlichen Lieder der aktuellen Platte, sind auf der Bühne Kracher. Die Synchronbewegungen der Gitarristenzwillinge, vor allem ihr schrammeliges Spiel, das Verstörte bei Matt Berninger, die wohldosierten Bläser, das Geschrei an den richtigen Stellen, all das macht Konzerte von The National zur Zeit zum besten Indierock, den man geboten bekommen kann. Ich fürchte, daß sich daran auch Interpol und Arcade Fire später im Jahr die Zähne ausbeissen werden. Vielleicht nicht konkret an diesem Abend, ganz sicher aber an einem der anderen National-Konzerte.
Setlist The National, Haldern-Festival:
01: Afraid of everyone
02: Mistaken for strangers
03: Anyone's ghost
04: Bloodbuzz Ohio
05: Slow show
06: Squalor Victoria
07: Conversation 16
08: Vanderlyle crybaby geeks
09: Abel
10: Apartment story
11: Sorrow
12: England
13: Fake empire
14: Mr. November
15: Runaway (Z)
16: Terrible love (Z)
17: About today (Z)
Links:
- The National, Latitude Festival, 16.07.10
- The National (mit Pavement), Paris, 07.05.10
- The National, Haldern, 09.08.08
- The National, Montreux, 16.07.08
- The National, Köln, 27.11.07
- The National, Paris, 14.11.07
Ort: Haldern-Pop Festival
Datum: 14.08.2010
Dauer: 94 min
Vor wenigen Stunden beendeten The National auf der Hauptbühne das diesjährige Haldern-Pop Festival. Oliver und ich waren uns hinterher einig, daß die Amerikaner wie erwartet das beste Konzert des Festivals gespielt hatten.
Ein guter Grund, das Konzert aus verschiedenen Perspektiven zu beschreiben. Olivers und meine Einschätzung folgen in Kürze hier!
So sah Oliver Peel das Konzert:
Auf das Konzert der Headliner The National warteten viele Besucher des Haldern-Pop Festivals schon seit Tagen in fiebriger Anspannung. Auch viele Bands hatten seit dem 1. Festivaltag am Donnerstag bekundet, daß sie sich besonders auf The National freuen und somit indirekt die Veranstalter dazu beglückwünscht, diesen dicken Fisch an Land gezogen haben. Die Erwartungen waren also immens hoch und es stellte sich die Frage, ob die Amerikaner mit dem Druck fertig werden würden. Der Anfang des Konzertes verzögerte sich dann schließlich. Für 0 Uhr 35 angesetzt, erschienen die Darkrocker letztlich erst eine Viertel Stunde später. Ein zäher Auftakt eines Auftritts, der auch in der weiteren Folge von kleinen Pannen und technischen Problemen überschattet wurde. Bereits nach ein paar Takten des Openers Afraid Of Everyone musste Bandleader Matt Berninger schmunzelnd abbrechen, weil er die Tonlage nicht traf und auch der Sound nicht optimal war. Man startete erneut und spielte dieses Mal auch das Lied durch, aber die Stimme von Matt schien knarzig und deutlich weniger weich und rund als auf den Alben. Ein Fehlstart, keine Frage! Auf den Beginn vieler Songs des Sets warteten die Fans ewig lange, denn es musste immer wieder gestimmt und gesoundcheckt werden. Der fabelhafte Drummer Bryan Devendorf überbrückte die Pausen durch ein paar Trommeleinlagen, konnte aber nicht verhindern, daß der Spielfluß gestört war. Tight geht anders. Dennoch kam das Konzert mit jedem weiteren Titel immer besser in Schwung. Matt hatte sich inzwischen auch besser eingesungen und seine famose Baritonstimme klang immer präziser und ausgewogener. Die beiden Zwillingsbrüder Dessner an der Gitarre waren ohnehin von Beginn an gut aufgelegt. Mit ihren messerscharfen, postpunkigen Riffs steuerten sie genau jene Rauheit und Rockigkeit bei, die ich auf dem hochgelobten Album High Violet schmerzlich vermisse. Statt harmonisch rundem Altherrenpop (und gepflegter Langeweile!) wie auf der Konserve gab es schmissige, treibende und euphorisierende Versionen ihrer neuen Stücke. Oft fragte ich mich, warum man Sachen wie England, Bloodbuzz Ohio und vor allem Terrible Love nicht gleich live auf Tonträger gebannt hat. Vor allem die Zugabe Terrible Love war um so vieles direkter, fetziger und berauschender als auf CD! Auch die Bläser- und Streicherparts vermittelten live deutlich mehr Emotionalität, Brillanz und Spontaneität. Aber nicht nur das neue Material wurde live neu und auf famose Weise interpretiert, sondern auch die Klassiker bekamen ein astreines Lifting. Bei Squalor Victoria (von Boxer) schrie Matt Berninger den Refrain als hinge er am Spieß und Fake Empire brachten die Musiker so betörend schön und anrührend wie selten zuvor. Bemerkenswert auch, daß Mister Berninger seine schon fast legendäre Schüchternheit (manche sprechen von Autismus!) gut in den Griff bekam, seltener als sonst die Flucht zu seinem Schlagzeuger antrat und in einer spektakulären Szene sogar die Bühne verließ, um den Fans ganz nah zu sein. Als er an unsere Seite der Absperrung gleich vor uns stand, hätten wir ihm problemos in das Mikro/den Bart greifen können!
So zäh und wenig überzeugend der Beginn des rund 90 minütigen Konzertes war, so überaus berührend und nahegend war das Ende. Die Ballade About Today (von der Cherry Tree EP) kam so himmlisch einschmeichelnd rüber, daß die begeisterten Fans die Band gar nicht mehr gehen lassen wollten. Zu einer weiteren Zugabe kam es aber nicht mehr, blame it on the technical problems!
Unter dem Strich stand ein Auftritt, der trotz seiner Pannen bewies, daß The National zu Recht in der Champions League der Indierockbands spielen. Wenn bei ihnen alles zu glatt gelaufen wäre, würden sie mir fast unheimlich werden, bedenkt man daß Matt Berninger von Haus aus ein reservierter und ängstlicher Mann ist, der es nie darauf angelegt hat, mit seiner Truppe auf den großen Bühnen dieser Welt zu spielen. Schön, daß er sich so geöffnet hat und viel Intimes aus seinem Innenleben preis gibt!
Die Einschätzung von Christoph folgt hier:
"Wie sollen wir bloß 13 Stunden Festival überstehen?" war die große Sorge am Mittag, weil der Samstag keine (großen) Pausen zuließ. Und weil am Ende mit The National auch noch das ausgemachte Highlight spielen sollte, war auch klar, daß vorher schlappmachen ausgeschlossen sein würde.
Um die Qualität der amerikanischen Band mit dem langweiligen aber doch wieder griffigen Namen zu erkennen, habe ich eine Weile gebraucht. Aber spätestens seit Haldern 2008 halte ich die Männer um Matt Berninger für eine der größten Bands unserer Zeit - vor allem live. Daher war es nicht schlimm, The National innerhalb von drei Wochen zweimal zu sehen; meine Vorfreude war riesig, denn der Auftritt der Amerikaner beim Latitude Festival vor ein paar Wochen war subjektiv zwar nur der zweitbeste, objektiv aber ganz sicher das mit Abstand beste Konzert des Wochenendes und vermutlich des Jahres.
Obwohl der Zeitplan den ganzen Tag über prima eingehalten wurde, fing es gerade jetzt mit den Verzögerungen an. Um Viertel vor eins, nach besonsers intensivem Soundcheck, erschienen Sänger Matt Berninger und die Bruderpaar Aaron und Bryce Dessner und Bryan und Scott Devendorf.
Und das Brummen.
Es brummte so laut aus den Lautsprechern, daß klar war, daß ein größeres Problem da ist. Die Band ignorierte das zunächst und begann ihr Set mit dem eher ruhigen Afraid of everyone, bei dem Matt Berningers Stimme schlecht zu hören war, ich vermute wegen eines Mikroproblems. Das Lied verpuffte total. Es gab das, was man wohl höflichen Beifall nennt, aber nicht mehr. Von Euphorie, diese grandiose Band sehen zu dürfen, war nichts zu spüren. Ich vermute, daß es an der völligen Übermüdung des Publikums lag, Haldern Besucher sind ja nicht für ignorantes Verhalten bekannt. Aber schlechter Ton hin oder her, die Stimmung kommt von vor der Bühne, und die war bei Tallest Man On Earth (der eher klein war) deutlich besser.
Bei den ersten Klängen des zweiten Stücks war ich sicher, daß das Konzert jetzt beginnt. Beim Latitude hatte der Saal (das Zelt) gebebt, als Mistaken for strangers angestimmt wurde. Auf dem Reitplatz in Haldern passierte wieder gar nichts. Eigentlich hätte ich da gehen wollen, aber ich blieb natürlich; das Brummen leider auch.
Frontmann Matt hatte ich bisher grundsätzlich scheu, fast verstört zurückhaltend erlebt. Ob er es wegen der Pannen erforderlich hielt oder weil er bloß redselig war, er fing an zu erzählen, vom See, in dem sie tagsüber gebadet hätten. "We saw many naked people which for Americans is a great deal. It's a good day!"
Für die Techniker war es das nicht. Immer wieder versuchte man verzweifelt, die Störgeräusche zu beseitigen, die wohl am Bassverstärker auftraten. Matt Berninger versuchte sich als Entertainer. "Yeasayer did this to us! Damn you, Yeasayer! Saboteurs!" Währenddessen bastelten die Soundleute weiter am Brummen. In dieser Phase war Slow show mit den scheppernden Bläsern ein erster großer Höhepunkt. Spätestens jetzt hatte das Konzert mich. Aber um mich rum nur Leute, die Gesichter zogen, als hätte man ihnen gerade gesagt, das nächste Festival finde komplett im Spiegelzelt statt.
Und dann wieder Probleme. Mitten in Squalor Victoria sang der Frontmann plötzlich "this isn't working. Fuck off!"
Es dauerte eine Stunde, bis die Band verkündete, sie habe "our shit together." Vorher schienen mir die Kommentare immer zynischer zu werden. "This is gonna be conversation 14 tonight" oder der Dialog vor Sorrow. Matt: "It's for you" - einer der Dessners: "It's for us!" Hätte das den Problemen gegolten, ok! Wenn das der Kommentar zur Stimmung war, volle Unterstützung! Mir tat die Band in beiden Zusammenhängen leid. Die viel zu späte Ansetzung hatte vermutlich ein für alle grandioses Konzert kaputtgemacht. Keine glückliche Entscheidung der Macher, und eine vollkommene Fehleinschätzung, wie fit man nach einem langen Festivalwochenende noch ist.
Warum das Konzert aber trotz allem für mich doch noch großartig und zum besten des Wochenendes wurde, obwohl nur die letzte halbe Stunde klanglich brillierte, ist einfach erklärt. The National liefern live zur Zeit den Sound (übertragen), an den niemand sonst rankommt. Selbst die vielleicht überproduzierten, oft zu fröhlichen Lieder der aktuellen Platte, sind auf der Bühne Kracher. Die Synchronbewegungen der Gitarristenzwillinge, vor allem ihr schrammeliges Spiel, das Verstörte bei Matt Berninger, die wohldosierten Bläser, das Geschrei an den richtigen Stellen, all das macht Konzerte von The National zur Zeit zum besten Indierock, den man geboten bekommen kann. Ich fürchte, daß sich daran auch Interpol und Arcade Fire später im Jahr die Zähne ausbeissen werden. Vielleicht nicht konkret an diesem Abend, ganz sicher aber an einem der anderen National-Konzerte.
Setlist The National, Haldern-Festival:
01: Afraid of everyone
02: Mistaken for strangers
03: Anyone's ghost
04: Bloodbuzz Ohio
05: Slow show
06: Squalor Victoria
07: Conversation 16
08: Vanderlyle crybaby geeks
09: Abel
10: Apartment story
11: Sorrow
12: England
13: Fake empire
14: Mr. November
15: Runaway (Z)
16: Terrible love (Z)
17: About today (Z)
Links:
- The National, Latitude Festival, 16.07.10
- The National (mit Pavement), Paris, 07.05.10
- The National, Haldern, 09.08.08
- The National, Montreux, 16.07.08
- The National, Köln, 27.11.07
- The National, Paris, 14.11.07
5 Kommentare :
da bin ich neugierig, denn das the national konzert wurde allgemein als ziemlich lau bewertet. von enttäuschung war vielerorts die rede.
Schlecht war es nicht. Zumindest nicht von der Band verschuldet. Aus meiner Sicht gab es zwei Probleme, die massiven technischen Schwierigkeiten aber auch das extrem lahme Publikum. Mistaken for strangers ist zum Beispiel vollkommen wirkungslos verpufft.
Daß das Publikum nicht mehr mitging lag sicher zum großen Teil an der extrem unglücklich gewählten Ansetzung. The National sollten um 0:35 beginnen, es wurde dann aber fast ein Uhr. Nach einem langen Festivaltag ist das nicht nur für alte Säcke viel zu spät. Neben der dämlichen Zeltsituation Donnerstag war die späte Ansetzung von The National das zweite große Ärgernis des Festivals.
Ich habe die Band im ja vor ein paar Wochen bei einem Festival gesehen. Da war die Stimmung euphorisch und ziemlich wild. In Haldern kam nichts von uns zurück. Das war sicher das Hauptproblem des Konzerts, nicht die technischen Dinge und die Wut der Band darüber.
Das Album ist zu fröhlich, Christoph? Für mich ist es zu lahm und zu perfekt arrangiert und produziert, düster ist es aber auf alle Fälle. Denk doch an die Texte, worin es heißt, daß man vor allem und jedem Angst hat und seine Kinder mit dem Regenschirm verteidigt...
Das National Konzert war so mit die größte Enttäuschung überhaupt. Die Herren aus New York haben mittlerweile Lieblingsbandcharakter bei mir und ich kann mich kaum entscheiden, welches der Alben ich denn am meisten liebe.
Umso schlimmer die Band das erste Mal live zu sehen. Klar, Soundprobleme kommen mal vor und das tat mir auch leid, aber dass Matt so besoffenen ist und kaum nen Ton trifft ist genauso unprofessionell wie das Verhalten der Dessner Brüder, die das Publikum teilweise noch durch Gesten aufgestachelt haben. Das war alles in allem schlimmstes Oasis Verhalten der alten Schule und hatte mit ner sympathischen Band nichts zu tun.
Mal abgesehen vom Drummer war das musikalisch leider nichts. Wenn einer der Dessner Brüder es nicht schafft sein Effektpedal bei Slow Show auf das richtige Tempo einzustellen ist das ganz einfach selbstverschuldet und hat nichts mit technischen Problemen zu tun.
Klar war der Tag lang aber die langen Gesichter lagen wohl eher an dem grausigen Auftritt der Band.
Danke für Deinen Kommentar, Marius. Er bringt Farbe und Kontroverse ins Spiel.
Hinsichtlich Matt Berningers Gesang muss man wissen, daß er nie so ausgewogen und harmonisch rund wie auf den Alben klingt. Das ist mir nach dem inzwischen 5. The National Konzert klar. Er sang aber deutlich besser als beim Haldern Festival vor zwei Jahren, wo er wirklich stimmlich arg daneben lag.
Als provokativ habe ich die Gesten der Dessners nicht wahrgenommen, aber das ist möglicherweise Auslegungssache.
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