Sonntag, 15. August 2010

1. Tag, Haldern-Festival, 12.08.10


Konzert: Haldern Pop Festival 2010, erster Tag

Ort: Rees-Haldern
Datum: 12.08.10


In der Schlange stehen, so etwas gab es in den letzten drei Jahren nicht für uns. Als akkreditierte Pressefuzzis für unser Konzerttagebuch kamen Christoph und ich in den Genuß des Privileges, problemlos in das schöne Spiegelzelt (seltsamerweise inzwischen neudeutsch/neuenglisch Spiegeltent genannt) zu gelangen, ohne warten zu müssen. In diesem Jahre wurde uns aber mitgeteilt, daß wir die Frist um 4 Tage verpasst hätten und deshalb keine Pressepässe bekämen. Das war am 8. Juli. Meine Vermutung, es handele sich um einen Vorwand, wurde vor Ort bestätigt. Von verschiedenen Medienleuten hörte ich beiläufig, daß andere Musikseiten und Fotografen auch noch sehr kurzfristig und viel später als wir akkreditiert wurden (was grundsätzlich vollkommen in Ordnung ist). Kein Neid aber Enttäuschung überkam mich. In den letzten Jahren haben wir uns massiv in die Berichterstattung über das stets prima besetzte Festival gekniet, teilweise bis spät in die Nacht (ach, was rede ich, manchmal war es 4 Uhr morgens!) Reviews geschrieben, Fotos aussortiert, hochgeladen und in die Texte eingebunden. Gedankt wurde uns dieses Engagement von der Halderner Pressestelle nicht und sogar unsere Bitte, zumindest Karten zum normalen Preis für das ausverkaufte Festival an der Kasse bereitzuhalten, wurde zurückgewiesen. Wir mussten uns bei Ebay umsehen oder anderweitig zusehen wie wir an Tickets kommen! Bitter! Mit sehr viel Glück wurden wir in letzter Sekunde über Bekannte, die die Reise nicht antreten konnten, fündig.

Konsequenz: Am Donnerstag um 18 Uhr 30 stehe ich zusammen mit meiner Frau und unfassbar vielen Leuten in einer nicht endend wollenden, kaum voranschreitenden Schlange. Auf dem Bildschirm vor dem Spiegelzelt sehe ich Cymbals Eat Guitars in Aktion und nicht wie ursprünglich vorgesehen Seabear. Ziemlich bald müssen wir zerknirscht einsehen, daß wir es auch zum Konzert meiner Lieblinge Beach House, die um 19 Uhr 50 angesetzt sind, nicht ins Zelt schaffen werden. Es geht einfach viel zu langsam voran und es wollen deutlich mehr Besucher herein statt heraus. Um kurz nach halb neun sind Victoria Legrand und Alex Scrally von Beach House mit ihrem kurzen Programm durch (Setlist folgt!) und wir stehen immer noch draußen. Wenigstens gibt es einen herrlichen Sonnenuntergang zu bewundern und nette Gesprächsgäste (Leidensgenossen!) in der Schlange, die die ewige Ansteherei erträglicher machen. Erst um 21 Uhr 10 öffnet sich der Sesam für uns und wir bekommen noch das ganze Konzert der gehypten englischen Newcomer Chapel Club mit. Die wurden vom NME schon als die neuen Joy Division bezeichnet, klingen aber lediglich nach der x-ten Kopie. Der kahlköpfige Sänger mit schwarzem Fred Perry Shirt croont wie Morrissey und die Gitarren hat man so ähnlich auch schon bei den Editors und vielen anderen Post-Punk Revivalisten gehört. Nicht unangenehm zu hören, aber wenig innovativ und spätestens nach dem zweiten Album vergessen. Bandleader Michael hält sich und seine Truppe trotzdem schon für wichtig: "The next song is our next single. Oh, I hope I'm allowed to say this." Köstlich! Hat ihm etwa sein Labelchef befohlen, Geheimniskrämerei um die Publikation von neuen Lieder zu betreiben, um sich interessant zu machen?

Setlist Chapel Club Haldern Pop Festivals 2010:

01: Fine Light
02: O Maybe I
03: 5 Trees
04: White Knight
05: The Shore
06: Surfacing
07: All The Eastern Girls
08: Paper Thin

Das Zelt füllt sich inzwischen wieder stärker, nachdem nach Beach House erst einmal Leute den Saal verlassen hatten. Zu I Blame Coco aus England ist es dann heiß und stickig. Musikalisch ist das Ganze aber eher mittelprickelnd. Eingängiger Pop/Rock für das Mainstreamradio, vorgetragen von einer wilden Rockröhre mit angeschlossner Männerband. Die einen finden sie catchy und unterhaltsam, die anderen eher flach und käsig. Ich persönlich muss die ganze Zeit an die schwedischen Sounds als Referenzband denken und die sind ja auch nicht ganz geschmackssicher. Egal, sowohl die Frontlady von den Sounds als auch von I Blame Coco haben ein angeborenes Talent für die Bühne und hinterher erfahre ich überrascht, daß ich soeben die Tochter von Sting in Aktion gesehen habe!

Zu recht später Stunde sind dann endlich die Isländer Seabear an der Reihe. Eine tolle Indie Pop Band, die ich schon zweimal in Paris sehen durfte. Der Aufbau zieht sich allerdings enorm in die Länge. Die blonde Geigerin mit der bordeauxroten Strumpfhouse (Leggings?) testet immer und immer wieder den Klang ihrer Violine, die brünette Keyboarderin mit dem Dutt bläst mehrfach in ihre rote Kindertröte, aber irgendwann ist es dann endlich soweit. Es kann losgehen. Es wird das erwartet schöne Konzert. Herrlich warme Wohlklänge durchdringen das Spiegelzelt und der unfassbar stoische Sänger Sindri singt mit seiner wundervollen Sufjan Stevens/Elliott Smith- Stimme die betörenden Texte. Seabear schaffen es auf verblüffende Weise, mit ihrer skandinavischen Melancholie Glücksgefühle aufkommen zu lassen. Toll auch die gelegentlichen Tempowechsel. Aus Folkballaden werden dann plötzlich vorangaloppierende Tanznummern mit Schunkelfaktor 10. Schade bloß, daß die Band so schüchtern und reserviert bleibt. Lediglich kurze Dankesworte auf englisch und deutsch für den warmen Applaus kommen Sänger Sindri über die Lippen. In der witzigsten Szene empfiehlt er aber auch bei der folgenden Ballade seinem Nachbarn/seiner Nachbarin einen Zungenkuss (wörtlich "a french kiss) zu geben. Neben mir steht eine unverschämt hübsche Blondine, aber meine Frau hätte es sicherlich nicht gut gefunden, wenn ich dieser Schönheit einen french kiss verpasst hätte! Also lausche ich weiter der himmlischen Musik und erlebe auch so prickelnde Momente. Keine Frage, Seabear hatten das beste Konzert des Tages geboten! Es sei denn Stornoway, die weit nach Mitternacht antreten, waren noch besser. Uns aber fallen fast die Augen zu, weshalb wir die Heimreise antreten. Morgen steht ja schließlich ein neuer Festivaltag auf dem Programm...

Setlist Seabear, Haldern-Pop Festival 2010:

01: Wolfboy
02: Fire Dies Down
03: Leaf Mask
04: I'll Build You A Fire
05: Softship
06: Cold Summer
07: Singing Arc
08: Warm Blood
09: Lion Face Boy
10: Seashell

Fotos in Kürze!



2 Kommentare :

Christoph hat gesagt…

Du warst ja immerhin Donnerstag schon auf dem Festivalgelände!

(Als Anti-Spam Wortbestätigung musste ich gerade "stingsts" eingeben, passt ja schön zu I Blame Coco)

E. hat gesagt…

ein unverschämtheit, Euch nicht akkreditiert zu haben! nirgends werden sich bessere notizen zum haldern finden lassen. eigentlich solltet Ihr eine weitere berichterstattung boykottieren. aber das würden Euch widerum die leser übelnehmen. verflixt!

 

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