Konzert: diverse am ersten Tag des Latitude Festivals
Ort: Henham Park, Suffolk
Datum: 16.07.2010
Zuschauer: zigtausend
Seit langem kribbelte es mir unter den Fingernägeln, einmal das grundsätzlich fabelhaft besetzte Latitude Festival in England zu besuchen, allerdings erschien es mir - irgendwo in einem Wald stattfindend - unerreichbar. Das diesjährige Lineup löste dieses Problem ganz schnell, denn für Belle & Sebastian, The National, Jónsi, James und Konsorten wäre ich vermutlich sonstwohin gefahren.
Henham Park liegt in Suffolk, nordöstlich von London und nicht weit der beiden Städte Ipswich und Norwich.
Mein bisher einziges englisches Festival war keine besondere Herausforderung, es fand im Hydepark mitten in London statt, daher war ich vollkommen unwissend, was mich erwarten würde.
Ehrlich gesagt hatte ich wenig Bedenken, daß die Organisation einer Großveranstaltung im Festivalland England funktionieren würde. Wie perfekt dies dann aber umgesetzt war, überraschte mich doch. Weit vor dem Gelände standen an jeder wichtigen Straßenecke Schilder. Obwohl ich zu einer der dümmsten Zeiten ankam (Freitag am frühen Nachmittag), gab es weder Stau noch Wartezeiten. Mein Ticket sollte am Boxoffice hinterlegt sein. Als mir eine der überall stehenden freundlichen Helferinnen einen einzelnen, winzigen Container zwischen uralten Laubbäumen zeigte, dachte ich, sie erlaube sich einen Scherz, ich war schließlich schon einmal beim Melt. Kein Scherz; das war das zentrale Kassenhäuschen, an dem ich innerhalb von dreißig Sekunden meine Karte hatte. Der Tausch der Karte gegen ein Bändchen ging noch etwas schneller. Sicherlich vierzig Helfer warteten auf Besucher - und das war nur eine von vielen Bändchenausgaben.
Zwischen Campingplatz und Bühnen liegt das Festivaldorf mit Geldautomaten (zwischen Bäumen), einem 24h Supermarkt im Zelt, zig Essenständen und Geschäften von Campingbedarf über was auch immer. Dort konnte man auch Programmhefte kaufen, wobei das eine Verniedlichung ist. Das Heft ist ein ausgewachsenes Buch mit 350 Seiten, raustrennbaren Tagesprogrammen und ausführlichen Berichten aller auftretenden Musiker, Literaten oder Theaterschaffenden!
Über eine Brücke, die über den kleinen See des Parks führt, gelangt man auf die Wiesen rund um die Bühnen. Auf diesen hügeligen Weiden leben sonst Schafe; jetzt liefen zwischen den wahnwitzig vielen Essen- und Getränkeständen tausende Besucher jeder Altersklasse. Bisher hatte mich das Montreux Jazzfestival in Bezug aufs gastronomische Angebot am meisten beeindruckt, Latitude setzt aber auch hier neue Maßstäbe. Von jeder Art vegetarischer und veganer Bewirtung über das Gegenteil, Wild aus der Umgebung, British Sausages oder argentinische Steaksandwiches (mit einem riesigen Maradona und Messi Plakat im Hintergrund), zig verschiedenen Eis-, Crèpe- oder Getränkeständen gab es alles, wirklich alles. Damit das Essen auch bequem eingenommen werden konnte, standen auf einer der endlosen Wiesen wahnwitzig viele Tisch-Bank-Kombinationen, grün, bemalt mit Blümchen. Wem das zu wenig stilvoll war, dem bot sich ein echtes Restaurant mit Kellnern und Menükarten.
Musik fand auf dem Latitude auf vier Bühnen statt, von denen drei rund um die Weiden lagen, alle ein, zwei Minuten auseinander. Die größte, die Obelisk Stage (vermutlich nach der Pyramid Stage in Glasto benannt), hatte am Außenrand Tribünen und immense Ausmaße. Bühne zwei, die Word Arena, war ein sicher 20 m hohes Zirkuszelt, das an allen Seiten offen war, Nummer drei (Lake) eine muschelförmige Bühne, die einen der Plätze zwischen den Essenständen beschallte. Nur zur vierten Bühne mußte man etwas (fünf Minuten) laufen, die Sunrise Stage lag nämlich mitten im Wald, auf der anderen Seite des Sees. Während wir Zuschauer zu Fuß um den See gehen mussten (an einem Klavier vorbei, das zur allgemeinen Benutzung am Seeufer stand!), wurden die Bands per Kahn gebracht! Das Vergnügen Bootsfahrt stand aber auch allen anderen offen, denn Gondolieri machten auch Seerundfahrten für die Allgemeinheit.
Meine Lieblingskleinigkeit perfekter Organisation erlebte ich erst am zweiten Tag: da benutzte ich den Tagesbesucher Parkplatz, von dem ein Waldweg zum Gelände führt. Da der Pfad eine Hauptstraße kreuzt, hatte man mitten im Wald eine Fußgängerampel installiert, die per Hand von Helfern Tag und Nacht bedient wurde.
Ich mag jetzt große Festivals wieder. Sie müssen nur offenbar faraway stattfinden.
Zurück zu Freitag. Mein musikalisches Programm begann mit einigen Bands, die keinen ganzen Bericht rechtfertigen.
Zunächst spielte Rose Elinor Dougall auf der Lakestage. Das Gründungsmitglied der Pipettes arbeitet jetzt solo und klang auf dem Papier interessant. Live hatte sie eine Begleitband, die Destructions, mitgebracht. Nach drei eher banalen Popsongs hatte ich allerdings genug gehört. Das Lineup sollte verzeihen, Belangloses schnell auszusortieren.
Danach folgten auf der Hauptbühne Here We Go Magic, The Unthanks und Hockey. Während ich von Hockey nur zwei Lieder sah und dabei das Interesse verlor, verfolgte ich die beiden anderen Konzerte ganz.
Um in den Auftritt von Here We Go Magic reinzukommen, brauchte ich eine Weile. Die Musik der Band um Singer/Songwriter Luke Temple plätscherte erst eine Zeitlang vor sich hin, ohne mich weiter zu packen. Der wenige Schlaf und die wundervolle Sonne unterstützten das sicher. Irgendwann gefielen mir die Lieder aber immer besser, vermutlich sollte ich mir bei Gelegenheit die Amerikaner noch einmal ansehen.
Bei den hochgelobten Unthanks handelt es sich um eine Folkgruppe (der beiden Schwestern Unthank) aus Northumberland. Die beiden Sängerinnen begannen mit einem traditionellen Stück aus ihrer Heimat. "Ihr werdet kein Wort verstehen!" Stimmte. Danach zogen sie ihre Schuhe aus und andere an, was ich erst für eine Marotte hielt. Während des zweiten Stücks steppten die beiden aber plötzlich. Steppende Kelten sind für mich ein Grund, umgehend ganz weit wegzurennen. Mir Michael Flatley Videos vorzusetzen wäre bei Bedarf weit wirkungsvoller als jede andere Foltermethode. Die unglaublich entspannte und entspannende Umgebung stimmte mich aber enorm milde, sodaß ich mir auch die im folgenden sehr langweiligen Unthanks komplett ansah.
Glücklicherweise wurde es anschließend aber erst einmal richtig gut... Das kommt dann ausführlich.
Ort: Henham Park, Suffolk
Datum: 16.07.2010
Zuschauer: zigtausend
Seit langem kribbelte es mir unter den Fingernägeln, einmal das grundsätzlich fabelhaft besetzte Latitude Festival in England zu besuchen, allerdings erschien es mir - irgendwo in einem Wald stattfindend - unerreichbar. Das diesjährige Lineup löste dieses Problem ganz schnell, denn für Belle & Sebastian, The National, Jónsi, James und Konsorten wäre ich vermutlich sonstwohin gefahren.
Henham Park liegt in Suffolk, nordöstlich von London und nicht weit der beiden Städte Ipswich und Norwich.
Mein bisher einziges englisches Festival war keine besondere Herausforderung, es fand im Hydepark mitten in London statt, daher war ich vollkommen unwissend, was mich erwarten würde.
Ehrlich gesagt hatte ich wenig Bedenken, daß die Organisation einer Großveranstaltung im Festivalland England funktionieren würde. Wie perfekt dies dann aber umgesetzt war, überraschte mich doch. Weit vor dem Gelände standen an jeder wichtigen Straßenecke Schilder. Obwohl ich zu einer der dümmsten Zeiten ankam (Freitag am frühen Nachmittag), gab es weder Stau noch Wartezeiten. Mein Ticket sollte am Boxoffice hinterlegt sein. Als mir eine der überall stehenden freundlichen Helferinnen einen einzelnen, winzigen Container zwischen uralten Laubbäumen zeigte, dachte ich, sie erlaube sich einen Scherz, ich war schließlich schon einmal beim Melt. Kein Scherz; das war das zentrale Kassenhäuschen, an dem ich innerhalb von dreißig Sekunden meine Karte hatte. Der Tausch der Karte gegen ein Bändchen ging noch etwas schneller. Sicherlich vierzig Helfer warteten auf Besucher - und das war nur eine von vielen Bändchenausgaben.
Zwischen Campingplatz und Bühnen liegt das Festivaldorf mit Geldautomaten (zwischen Bäumen), einem 24h Supermarkt im Zelt, zig Essenständen und Geschäften von Campingbedarf über was auch immer. Dort konnte man auch Programmhefte kaufen, wobei das eine Verniedlichung ist. Das Heft ist ein ausgewachsenes Buch mit 350 Seiten, raustrennbaren Tagesprogrammen und ausführlichen Berichten aller auftretenden Musiker, Literaten oder Theaterschaffenden!
Über eine Brücke, die über den kleinen See des Parks führt, gelangt man auf die Wiesen rund um die Bühnen. Auf diesen hügeligen Weiden leben sonst Schafe; jetzt liefen zwischen den wahnwitzig vielen Essen- und Getränkeständen tausende Besucher jeder Altersklasse. Bisher hatte mich das Montreux Jazzfestival in Bezug aufs gastronomische Angebot am meisten beeindruckt, Latitude setzt aber auch hier neue Maßstäbe. Von jeder Art vegetarischer und veganer Bewirtung über das Gegenteil, Wild aus der Umgebung, British Sausages oder argentinische Steaksandwiches (mit einem riesigen Maradona und Messi Plakat im Hintergrund), zig verschiedenen Eis-, Crèpe- oder Getränkeständen gab es alles, wirklich alles. Damit das Essen auch bequem eingenommen werden konnte, standen auf einer der endlosen Wiesen wahnwitzig viele Tisch-Bank-Kombinationen, grün, bemalt mit Blümchen. Wem das zu wenig stilvoll war, dem bot sich ein echtes Restaurant mit Kellnern und Menükarten.
Musik fand auf dem Latitude auf vier Bühnen statt, von denen drei rund um die Weiden lagen, alle ein, zwei Minuten auseinander. Die größte, die Obelisk Stage (vermutlich nach der Pyramid Stage in Glasto benannt), hatte am Außenrand Tribünen und immense Ausmaße. Bühne zwei, die Word Arena, war ein sicher 20 m hohes Zirkuszelt, das an allen Seiten offen war, Nummer drei (Lake) eine muschelförmige Bühne, die einen der Plätze zwischen den Essenständen beschallte. Nur zur vierten Bühne mußte man etwas (fünf Minuten) laufen, die Sunrise Stage lag nämlich mitten im Wald, auf der anderen Seite des Sees. Während wir Zuschauer zu Fuß um den See gehen mussten (an einem Klavier vorbei, das zur allgemeinen Benutzung am Seeufer stand!), wurden die Bands per Kahn gebracht! Das Vergnügen Bootsfahrt stand aber auch allen anderen offen, denn Gondolieri machten auch Seerundfahrten für die Allgemeinheit.
Meine Lieblingskleinigkeit perfekter Organisation erlebte ich erst am zweiten Tag: da benutzte ich den Tagesbesucher Parkplatz, von dem ein Waldweg zum Gelände führt. Da der Pfad eine Hauptstraße kreuzt, hatte man mitten im Wald eine Fußgängerampel installiert, die per Hand von Helfern Tag und Nacht bedient wurde.
Ich mag jetzt große Festivals wieder. Sie müssen nur offenbar faraway stattfinden.
Zurück zu Freitag. Mein musikalisches Programm begann mit einigen Bands, die keinen ganzen Bericht rechtfertigen.
Zunächst spielte Rose Elinor Dougall auf der Lakestage. Das Gründungsmitglied der Pipettes arbeitet jetzt solo und klang auf dem Papier interessant. Live hatte sie eine Begleitband, die Destructions, mitgebracht. Nach drei eher banalen Popsongs hatte ich allerdings genug gehört. Das Lineup sollte verzeihen, Belangloses schnell auszusortieren.
Danach folgten auf der Hauptbühne Here We Go Magic, The Unthanks und Hockey. Während ich von Hockey nur zwei Lieder sah und dabei das Interesse verlor, verfolgte ich die beiden anderen Konzerte ganz.
Um in den Auftritt von Here We Go Magic reinzukommen, brauchte ich eine Weile. Die Musik der Band um Singer/Songwriter Luke Temple plätscherte erst eine Zeitlang vor sich hin, ohne mich weiter zu packen. Der wenige Schlaf und die wundervolle Sonne unterstützten das sicher. Irgendwann gefielen mir die Lieder aber immer besser, vermutlich sollte ich mir bei Gelegenheit die Amerikaner noch einmal ansehen.
Bei den hochgelobten Unthanks handelt es sich um eine Folkgruppe (der beiden Schwestern Unthank) aus Northumberland. Die beiden Sängerinnen begannen mit einem traditionellen Stück aus ihrer Heimat. "Ihr werdet kein Wort verstehen!" Stimmte. Danach zogen sie ihre Schuhe aus und andere an, was ich erst für eine Marotte hielt. Während des zweiten Stücks steppten die beiden aber plötzlich. Steppende Kelten sind für mich ein Grund, umgehend ganz weit wegzurennen. Mir Michael Flatley Videos vorzusetzen wäre bei Bedarf weit wirkungsvoller als jede andere Foltermethode. Die unglaublich entspannte und entspannende Umgebung stimmte mich aber enorm milde, sodaß ich mir auch die im folgenden sehr langweiligen Unthanks komplett ansah.
Glücklicherweise wurde es anschließend aber erst einmal richtig gut... Das kommt dann ausführlich.
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