Sonntag, 30. August 2009

Radiohead, Prag, 23.08.09


Konzert: Radiohead

Ort: Výstaviště Incheba Expo, Prag
Datum: 23.08.2009
Zuschauer: 12.000-15.000
Konzertdauer: ca. 2 Stun
den


von Julius aus Wien

„Meeting people is easy“ ist eine der Grundphilosophien von Radiohead, einer Band, die einfach nur schwierig sein will, und wirklich: kaum, dass wir unser Auto auf dem Parkplatz abgestellt hatten (nicht ohne davor einen tschechischen Polizisten um 30€ wegen angeblichen Fahrens gegen die Einbahn reicher zu machen) entdeckten wir direkt neben uns ein Fahrzeug mit dem Kennzeichen unseres Nachbarortes. Viel Zeit, um ins Gespräch zu kommen blieb aber nicht, da die Vorband Moderat (bestehend aus den zwei Herren von Modeselektor und dem bekannten Soundtüftler Apparat) bereits um 18.00 beginnen sollte.

Die halbe Stunde Verspätung, mit der die drei Herren dann schließlich ihr Set begannen war angesichts der Uhrzeit abzusehen und auch jetzt noch wirkten die sphärischen Electronic-Klänge und besonders die vereinzelten drückenden Beats reichlich deplaziert. So wollte auch keine übermäßig enthusiastische Stimmung aufkommen, während langsam die Sonne hinter den Bäumen des kleinen Parks unterging. Mit nettem Beifall wurde das Trio nach einer Stunde schließlich verabschiedet, es bleibt zu hoffen, dass das nächste Wiedersehen zu späterer Stunde und in familiärerer (Club-)Atmosphäre erfolgt.

Somit stand dem Auftritt der Mannen rund um Thom Yorke nichts mehr im Wege und nach einer Dreiviertelstunde, die furchtlose Crewmitglieder damit verbracht hatten, in 15 Metern Höhe die letzten Vorbereitungen für die – dies sei von vornherein gleich verraten: gewohnt geniale – Lichtshow zu treffen, war es denn auch so weit und ein Radiokopf nach dem nächsten fand sich an seinem Platz ein, als Letzter tat dies erwartungsgemäß Thom Yorke, was die geschätzten 15.000 Besucher aus aller Welt, vornehmlich allerdings Engländer und Japaner, zu ersten Begeisterungsbekundungen hinriss.

Nahtlos ging das Intro in den bewährten Opener 15 Step über, gefolgt von There There, das auf der Tour 09 die Rolle der ewigen Nr. Zwei zum Besten gibt und Arpeggi/Weird Fishes. Die ganz große Kunst, die Radiohead so beherrschen wie wohl wenige andere Bands auf dieser Welt, offenbarte sich nach den drei ersten, eher rhytmisch/instrumental veranlagten Songs dann bei All I Need, nämlich die Kunst, mit unglaublich viel Pathos und Emotion an die Sache zu gehen, ohne die Grenze zu Kitsch und unglaubwürdigem Weltschmerz zu überschreiten. Radiohead bewegen sich einfach auf dem schmalen Grat der gefühlsbetonten Musik, die auf hohem Niveau zutiefst authentisch ist, und auf dieser Stellung haben sie sich seit ihrem zweiten Album The Bends einzementiert.

Nach Standards wie Lucky oder Nude folgten dann zwei echte Perlen vom In Rainbows-Vorgänger Hail To The Thief: 2+2=5 und A Wolf At The Door.

In der Folge wechselten sich In Rainbows-Songs mit Klassikern ab, von den neuen Sachen wusste besonders Bangers ´n´ Mash zu gefallen, welches auf dem Frequency Festival leider einer spontanen Eingebung Thom Yorkes und Karma Police zum Opfer gefallen war.

Der erste Zugabenblock, der bereits nach eineinhalb Stunden regulärer Spielzeit erfolgte, enthielt eine bunte Mischung aus Songs älterer Alben, denen als Kontrast das brandneue, wieder einmal nur über Download beziehbare These Are My Twisted Words entgegenstellt wurde.Bis dahin konnte man die Setlist noch als einigermaßen gewöhnlich abtun, als dann Thom Yorke im zweiten Block nach The Bends die live sehr selten dargebotene und wenig bekannte B-Seite True Love Waits anstimmte war für alle, die diese Rarität überhaupt zu erkennen bzw. zu schätzen wussten klar, dass man es mit einem wahrlich denkwürdigen Abend zu tun hatte.

Logischerweise folgte dann Everything In Its Right Place, welches den endgültigen Schlusspunkt eines Konzertes, das psychisch und wider Erwarten auch physisch alles abverlangte und die doch sehr weite Anreise und den hohen Preis absolut rechtfertigte.

Denn wenn man Radiohead etwas vorwerfen kann, dann ist es die gewisse Doppelmoral, die durch die sehr hohen Kartenpreise und die energieintensive Lichtshow entsteht, beides Tatsachen, die der grundsätzlich antikommerziellen Haltung Radioheads und ihrem Bemühen um die Umwelt widersprechen.

An diesem Abend sollte uns das jedoch egal sein und als wir uns schließlich mit geschätzten 10.000 anderen Konzerbesuchern durch die engen Wege des benachbarten Parks wälzten waren wir uns sicher, dass wir gerade eine der wenigen Bands gesehen hatten, die mit einer derart fragilen Schönheit auch vor den größten Massen für pure Gänsehaut sorgen (glücklicherweise wurde uns der entsetzliche Mit-Gröl-Hit Creep in Prag erspart, doch zwei Tage später kam dieser in Polen zum Einsatz).

Und auch wenn es in There There heißt „Just cause you feel it, doesn’t mean it’s there“, waren Gefühle selten so real und unauslöschlich.

Setlist Radiohead,
Výstaviště Incheba Expo, Prag:

01: 15 Step

02: There There
03: Weird Fishes/Arpeggi
04: All I Need
05: Lucky
06: Nude
07: Morning Bell
08: 2+2=5
09: A Wolf At The Door
10: Videotape
11: (Nice Dream)
12: The Gloaming
13: Reckoner
14: Exit Music (For A Film)
15: Bangers + Mash
16: Bodysnatchers
17: Idioteque

18: Pyramid Song (Z)

19: These Are My Twisted Words (Z)
20: Airbag (Z)
21: The National Anthem (Z)
22: How To Disappear Completely (Z)
23: The Bends (Z)
24: TrueLove Waits (Z)
25: Everything In Its Right Place (Z)

Links:

- Radiohead am 24.06.08 in London
- und am 10.06.08 in Paris



6 Kommentare :

Christoph hat gesagt…

Vielen Dank für den klasse Bericht! Und willkommen!

Oliver Peel hat gesagt…

Brilliant geschrieben, Julius! Bravo! Und danke vielmals!

Anonym hat gesagt…

Ja, schöner Bericht, nur kennt sich der Autor mit Radiohead leider nicht so gut aus. Zum Thema Energieverbrauch wäre folgendes anzumerken:
Radiohead benützt in Ihrer Bühnenshow ausschliesslich LED Scheinwerfer. Bis jetzt war das Bündeln von LED zu kleinen Lichtkegeln nicht möglich.

Die Techniker der logoup.com haben dieses Problem gelöst, so, dass auch ein extrem heller Lichtkegel über 20 Meter hinweg möglich ist.

Mit der neuen Lichtechnik konnten der Energieaufwand für die Bühnenshow um ca. 50% gesenkt werden.

Die Songs sind natürlich Geschmacksache, aber True Love Waits und die anderen Perlen werden von Radiohead wesentlich häufiger gespielt, als die "Mitgröhlhymnen" Creep und Karma Police. Na ja, wollte das nur mal anmerken, bevor ich hier mal wieder ne Kettenreaktion auslöse.

julius hat gesagt…

gut, das mit den LEDs werd ich mir merken, ich hätte nicht gedacht, dass die weniger strom als eine normale lichtshow brauchen, besonders der transport wird ja umständlich sein.
zu karma police/creep: http://www.setlist.fm/stats/radiohead-bd6bd12.html
ich weiß schon, dass setlist.fm nicht 100%ig exakt ist, aber die relationen werden schon stimmen und der vergleich 249x karma police vs. 21x true love waits spricht schon bände. dieses jahr wurde karma police immerhin schon 10x gespielt, true love waits dagegen nur einmal (prag).
danke jedenfalls :)

Anonym hat gesagt…

Bezogen auf Karma Police und True Love Waits mag das sogar stimmen, Creep ist jedoch in den letzten Jahren äußerst selten live gespielt worden. 2+2 dagegen sehr häufig...
Das Radiohead jedoch "energiesparend" touren war letztes Jahr in vielen Presseberichten zu lesen. Aber egal welche Songs gespielt werden, Radiohead ist immer ein tolles Erlebnis...

Julius hat gesagt…

Ja, nur gut, dass ich nie behauptet habe, dass 2+2=5 selten gespielt würde...
Einigen wir uns einfach auf deinen letzen Satz! :)

 

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