Konzert: Marie-Flore & Mina Tindle (Mélanie Pain)
Ort: la Flèche d'or, Paris
Datum: 13.01.2009
Zuschauer: recht gut besuchte Veranstaltung
Konzertdauer: Marie-Flore: 26 Minuten, Mina Tindle ca. 30 Minuten
Na, endlich! Aufgalopp in die neue Konzertsaison! Als Konzertjunkie wird man ja auch ganz meschugge, wenn man so lange nicht mehr von Livemusik beschallt wurde! Die besinnlichen Feiertage waren ja eine feine Sache und Mutti auch unglaublich lieb ("darf ich noch jemanden grüßen?" : Hallo Mama!), aber irgendwann zuckt es doch wieder an diversen Stellen des Körpers und man (konkreter: ich!) muß wieder raus, jungen Talenten bei der Ausübung ihrer Kunst zusehen!
Und schon so früh im Jahr stellte sich das Problem, daß man nicht überall gleichzeitig sein kann! Verflixt, allzugern wäre ich im kleinen Motel dabeigewesen, als mein geliebtes Pariser Duo My Girlfriend Is Better Than Yours die Veröffentlichung ihrer ersten Single Winterfarmlands feierten!
Aber das Programm in der Flèche d'or war auch sehr attraktiv. Und damit beziehe ich mich nicht alleine auf die Tatsache, daß mit Marie-Flore, Mina Tindle und Melanie Pain gleich drei reizende junge Damen ihren Charme versprühten. Nein, ich rede vielmehr von den hübschen Stimmen und den feinen Liedern, die die Mädels auf Lager hatten.
Den Werdegang von Marie-Flore verfolge ich nun schon eine ganze Weile. Im Dezember vergangenen Jahres hatte sie neue Fans hinzugewonnen, als sie im Vorprogramm von Isobel Campbell & Mark Lanegan im Pariser Trabendo auftrat. Der ansonsten immer so cool und grimmig wirkende Mark soll dermaßen angetan gewesen sein, daß er Marie-Flore nach dem Konzert anprach, ihr Konzert in den höchsten Tönen lobte und auf der Stelle ihr Album kaufen wollte. Aber er musste sich wie alle anderen gedulden! Von Marie-Flore gibt es nämlich bisher nur eine Single. Eine Ep und etwas später das erste richtige Album sollen allerdings im Laufe des Jahres 2009 folgen. Woher ich das alles weiß? Nun, Marie-Flore hat mir freundlicherweise ein umfangreiches und hochinteressantes Interview gewährt, daß ich in den nächsten Tagen hier veröffentlichen werde! Allein deshalb war ihr erstes Konzert des neuen Jahres Pflichtprogramm für mich.
Ich pilgerte also voller Vorfreude in die Flèche d'or. Ein toller Laden, der jeden Abend 3-4 Künstler engagiert, die allesamt ca. 30 Minuten ihr Können unter Beweis stellen dürfen. Wenn man davon absieht, daß es neuerdings Plicht ist, am Eingang einen Getränkebon für 5 Euro zu kaufen, ist der Besuch der Konzerte nach wie vor gratis. Eine feine Sache, bedenkt man, daß hier schon renommierte Künstler wie die Fleet Foxes, Blood Red Shoes, The Rascals, Noah & The Whale, die Good Shoes, aber auch Polarkreis 18 und Get Well Soon für lau aufgetreten sind!
Der heutige Abend fand allerdings ohne internationale Beteiligung statt. Vielmehr war das Motto: "Live French & Folk." Wäre der gleich zu Beginn auftretende Gaspard Royant nicht gewesen, hätte man sogar schreiben können : Live, Female, French & Folk...
Weil er den reinen Frauenabend vermasselte, strafte ich Gaspard Royant deshalb auch mit weitgehender Nichtbeachtung, was allerdings keinesfalls ein Urteil über die musikalischen Qualitäten des bärtigen Mannes darstellen soll. Ich war nur viel zu sehr auf die danach auftretende Marie-Flore fixiert, als daß ich jemand anderem vorher noch meine Aufmerksamkeit schenken konnte.
Gegen 21 Uhr 15 war es dann endlich soweit: das erste Konzert von Marie-Flore im Jahre 2009 konnte beginnen! Es sollte mit gerade einmal 27 Minuten ein recht kurzer Auftritt werden. Genuß sollte man aber nicht mit der Länge eines Ereignisses gleichsetzen. Lieber kurz und intensiv, als lang und zäh!
Intensiv war vor allem wieder der mit viel Gefühl vorgetragene gehauchte Gesang der Hütchenträgerin. Es ist ein fast sinnliches Erlebnis, Marie-Flore zuzuhören! Erotische Flüsterstimmen haben ja schon seit Jane Birkin im französischen Pop ihren festen Platz, aber Marie Flore klingt - von ihrem charmanten englischen Akzent mal abgesehen - doch wesentlich internationaler, was ihr oft Vergleiche mit Cat Power einbringt. Auch wenn deren Schatten noch viel zu lang sein sollte und Marie-Flore auch überhaupt nicht die Absicht hat, Chan Marschall in irgendeiner Wesie zu kopieren, kam es trotzdem im vergangenen Jahr zu einer Begegnung der besonderen Art: Gregg Foreman, der Pianist der Begleitband von Cat Power (Dirty Delta Blues Band) wurde auf die junge Pariserin aufmerksam und nahm prompt mit ihr in Philadelphia ein paar Songs auf!
Ob allerdings im heutigen Set welche davon dabei waren, entzieht sich meiner Kenntnis. Neue Lieder gab es jedenfalls reichlich! Fast die Hälfte der gespielten Stücke war mir unbekannt und dies obwohl ich Marie-Flore in den letzten 15 Monaten schon ein halbes Dutzend mal live begutachtet hatte. Sie schien zuletzt sehr fleißig gewesen zu sein, was für ihre Ambitionen spricht...
Die Neulinge wie z.B. Ride This Horse oder I Cannot Smile fügten sich letztlich nahtlos in die "Klassiker" wie Half Past Three oder Empty Walls ein. Es handelte sich durchgängig um ruhige und melancholische Kompositionen, die lediglich von einem reduzierten Gitarrenspiel getragen wurden. Dies soll allerdings nicht unbedingt so bleiben! Marie-Flore hat mir nämlich in dem Interview verraten, daß sie sich eigentlich mit dem Etikett Folk gar nicht so perfekt beschrieben fühlt. Sie klänge eigentlich nur folkig, weil sie bisher stets alleine mit ihrer Gitarre auf Konzertbühnen (neben Pariser in letzter Zeit auch Schweizer!) unterwegs war. Privat höre sie zur Zeit eher von harten Männern gespielten Rock, wie z.B. Jimi Hendrix und The Velvet Underground und im Laufe des Jahres will sie mit einem zusätzlichen Drummer ihren Konzerten viel mehr Druck verleihen.
Seien wir darauf gespannt! Und wenn alles gut läuft, sieht man Marie-Flore bestimmt auch irgendwann einmal live in deutschen Indie-Clubs!
Das Gleiche gilt übrigens auch für die im Anschluß auftretenden Mina Tindle. Ihre mitunter recht stark an Feist erinnernde Jazz/Soul- Stimme ist dermaßen markant und hochkarätig, daß es eigentlich mit dem Teufel zugehen müsste, wenn sie damit nicht auch international bekannt würde! Was für ein Talent! Die Pariser können sich wirklich glücklich schätzen, ein solches Juwel immer noch gratis erleben zu dürfen! Obwohl ich sie schon vor ein paar Monaten für mich entdeckt hatte, blieb mir mitunter die Spucke weg, wenn die zierliche Blondine loslegte. Wo holt sie das her? Wie erzeugt sie diese brillianten Töne? Ich war erneut hin und weg und lehne mich auch nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich Pauline, wie Mina Tindle bürgerlich heißt, jetzt schon eine der besten Sängerinnen des noch jungen Jahres nenne. Das müssen schon die Allerbesten kommen, um diese Stimme zu toppen! Schwärmen wir ruhig ein bißchen weiter: Mina Tindle ist ein Ausnahmetalent, prädestiniert dafür, eine schwindelerregende Karriere aufs Parkett zu legen! Vor meinem geistigen Auge sehe ich sie schon in der Londonder Royal Albert Hall und am Ende liegen ihr alle Engländer zu Füßen und kriegen sich vor Begeisterung nicht mehr ein. Und ich sitze in der ersten Reihe (Träumer!) und applaudiere noch minutenlang, wische mir eine Träne aus dem Auge und gebe meinen Sitznachbarn gegenüber ein bißchen an : "Ich habe sie schon 2008 in kleinen Loctions in Paris gesehen, als sie noch umsonst auftrat! Da könnt ihr mal sehen!"...
Verliere ich gerade meine Objektivität? Und wenn schon! Wenn sich unsere Leser den Tag verschönern wollen, hören sie einfach in Dauerschleife die Songs auf MySpace, von denen sie zusammen mit etlichen männlichen Musikern - darunter ihr Freund und Förderer JP Nataf am Banjo - auch ein paar in der Flèche d'or vorgetragen hat.
Wahnsinn!!!
Nicht ganz so begeistert war ich schließlich von der niedlichen Pariserin Melanie Pain. Die attraktive Brünette, die bereits Mitglied bei der auf Coverversionen spezilaisierten französischen Girlgroup Nouvelle Vague war, klang mir eine Spur zu poppig und soft. Daraus macht sie aber auch keinen Hehl: Während einem bei Mina Tindle die Genrezuordnung Folk auf der MySpace Seite entgegenspringt, steht bei Melanie Pain lediglich ein Wort: Pop. Und zwar ein weitgehend auf französich gesungener Pop, vorgetragen mit einer süßen Kleinmädchenstimme, die mitunter an Hafdis Huld und Emilie Simon, bei dem Lied Little Cowboy allerdings auch an Marilyn Monroe (!) erinnerte.
Trotzdem, alles in allem keine schlechte Künstlerin diese Melanie Pain, die zusammen mit einem Gitarristen ihre Kompositionen vortrug und immer wieder einen besonderen Gag auf Lager hatte: Sie legte regelmäßig Schallplatten auf einen altmodischen Plattenspieler, der von einem kleinen, marrokanisch wirkenden Lämpchen erleuchtet wurde.
Unter dem Strich, ein sehr guter Auftakt in die Konzertsaison 2009!
Achso, am Ende habe ich doch noch Olivier und Laurie von My Girlfriend Is Better Than Yours getroffen. Ausgelassen feierten sie im Motel bis zwei Uhr in der Früh die Veröffentlichung ihrer allerersten Single. Anschließend ging es zusammen noch in ein Restaurant, das Spezialitäten aus der Auvergne feilbot und die ganze Nacht geöffnet hat. Schon mal ein sog. Aligot gegessen? Nein? Es handelt sich um ein deftiges Gericht, bei dem in einen riesigen Berg Kartoffelpürre ein würziger Käse, ein Tome, hineingemischt wird. Die Pampe, die hierbei rauskommt, ist so fest, daß der Löffel drin steckenbleibt! Schmeckt sehr lecker, ist aber in Kombination mit einer fetten Wurst nur etwas für ausgehungerte Menschen. Mir ist immer noch ziemlich schlecht von dem Zeug!...
Setlist Marie-Flore, La Flèche d'or, Paris, 13/01/09:
01: Trapdoor
02: Ride This Horse
03: MGHT Disorder
04: While You Were There
05: Made Of Sticks & C
06: Empty Walls/Street
07: I Cannot Smile
08: Half Past Three
09: Downtown
Links:
- Mehr Fotos von Mina Tindle hier
- Mehr Fotos von Melanie Pain hier
- Livevideo von meinem Kumpel Rockingparis, der den Song Trapdoor von Marie-Flore für die Nachwelt festgehalten hat. Hübsch!
- Ein anderes Livevideo von Rockingparis, diesmal von der famosen Mina Tindle.
- Melanie Pain hat er auch festgehalten, hier.
1 Kommentare :
sehr schön, mein lieber! toller start in die saison, wenngleich um einiges später als wir! haha! auf das interview bin ich denn auch gespannt. hoffe, du hast der jungen dame mit ein paar investigativen fragen auf den zahn gefühlt!
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