Konzert: Alela Diane ( und Mariee Sioux)
Ort: La Cigale, Paris
Zuschauer: ausverkauft!
Konzertdauer: 75 Minuten
Das Publikum bei Folk-Konzerten ähnelt ja immer ein bißchen einem Parteitag der Grünen.
Bei den Frauen erfreuen sich Halstücher großer Beliebtheit, die Haare werden offen, oder sehr kurz getragen und an den Ohren baumeln meist diese langen Ohrringe. Von den Schuhen rede ich lieber nicht. Die Herren Folkkonzertgänger mögen hingegen sehr gerne Vollbärte und gegen Kontaktlinsen scheinen die Burschen (die Frauen allerdings auch) eine große Abneigung zu haben. Das war auch heute nicht anders und so stylish wie bei den Kills gestern ging es heute definitiv nicht zu.
Aber ein Konzert ist ja keine Modenschau und der Folk-Fan mag es halt gerne natürlich, geerdet und unprätentiös. Das Hauptaugenmerk gilt hier der Persönlichkeit des Künstlers, seiner Ausstrahlung, seinen Texten und natürlich der Stimme. Äußerst gebildete und kultivierte Menschen sind das, diese Folk-Freaks, leise, ruhig und rücksichtsvoll. Insgesamt sehr angenehm. Manche von diesen Ökos sind aber auch recht bärbeißig drauf. Ihr wißt, welchen Typus ich meine? Ja genau diese verbiesterten Existenzen, die zwar lautstark Toleranz einfordern, aber in ihrer verbitterten Art ähnlich reaktionär und spießig daherkommen wie die Leute, die sie eigentlich hassen. Ein ganz besonders schreckschrulliges Exemplar dieser Spezies Mensch ist mir heute beim Konzert von Alela Diane begegnet.
"Gehen sie demnächst lieber zu Rock-Konzerten, sie haben ja ständig rumgeknipst und bestimmt 250 Bilder geschossen. Das passt nicht zu der subtilen Folk-Atmosphäre und stört ungemein!" Au weia, das war aber ein Anschiß! Verpasst bekommen hatte ich diesen von einer circa. 45 jährigen rotblonden Furie mit einer häßlichen roten Brille, die wild gestikulierend glaubte, mich nach dem Konzert zurechtweisen zu müssen. Ihr Akzent verriet allerdings, daß sie nicht aus Frankreich stammte, vermutlich war sie Engländerin. Ich hörte mir die Standpauke in der mir eigenen Seelenruhe an und bekam kurz später eine wahre Welle von Symphatiebezeugungen von französischer Seite mit. "Also ich finde ihre Fotos wunderschön" sagte prompt eine Pariserin, die die Szene mitbekommen hatte und links von mir stand. "Was will denn die alte Schrulle" stärkte mir ein Franzose rechts von mir den Rücken. "Die soll sich nicht so haben, was fällt der überhaupt ein, sie so anzuscheißen." Ich war von diesen Reaktionen irgendwie gerührt, identifizierte sie aber kurz später als sehr französisch. In Frankreich mag man es überhaupt nicht, jemanden zu belehren, das ist zutiefst verpönt. Wenn zum Beispiel Leute nach wie vor in öffentlichen Räumen rauchen, wie das gestern beim Konzert im Olympia der Fall war, dann verkneift man sich einen Kommentar. Man spielt sich nicht als Staatsanwalt, oder Saubermann auf, dafür sind Ordungskräfte da. Und das gleiche gilt übrigens auch für das Verhalten in der Metro: Wenn man jemanden sieht, der ohne Fahrschein über die Absperrung klettert, läßt man ihn gewähren und schaut weg. Auf keinen Fall würde der normale Pariser sagen, daß sich sowas nicht gehört!
Mir allerdings tat es ja schon etwas leid, daß ich während des Konzertes ständig fotografiert hatte. Das Abknipsen von Folk-Künstlern gehört zum Unangenehmsten, was man sich im Bereich Konzertfotografie vorstellen kann. Wenn man dem Sänger oder der Sängerin da unverblümt ins Gesicht schießt, fühlt man sich immer ein wenig wie ein Voyeur, der jemanden bei der Ausübung einer intimen Tätigkeit beobachtet. Aber was will man machen, schließlich will man ja ein paar schöne Fotos haben (für diesen Blog zum Beispiel) und gerade in den Pausen zwischen den Liedern legen die Musiker oft ihr schönstes Lächeln an den Tag. Und ein schönes Lächeln hatten wirklich beide Sängerinnen heute abend, vor allem natürlich Alela, die mich damit regelrecht verzauberte.
Zuvor war allerdings ihre Kindheitsfreundin Mariee Sioux dran. Die brünette und schüchtern wirkende Kalifornierin hatte die Ehre, für die inzwischen deutlich bekannterer Alela zu eröffnen. Circa. ein halbes dutzend wunderbare Lieder wurden ihr zugestanden (welche genau werde ich nachliefern), die sie samt und sonders ganz alleine mit ihrer Gitarre vortrug. Ihr Fingerspiel war bemerkenswert, sehr filigran und zart, genau wie ihre Hände, deren Finger allerdings recht kurz waren. Sie trug ein wunderbares, luftiges und geblümtes Kleid, welches amüsanterweise recht gut zu den Intarsien auf ihrer Klampfe passte. An ihren Füßen konnte man milchkaffebraune Schuhe erkennen. Kurzum eine Augenweide, die Süße!
Am faszinierendsten war aber natürlich ihre serenenhafte Stimme, die einen interessanten Nachhall hatte. Manchmal trällerte sie lieblich wie ein Vogel und ich stellte mir vor, wie sie mich sanft in den Schlaf singt. Ein paar Leute hatten in der Tat ihre Augen geschlossen und lauschten den melancholischen Kompositionen der jungen Squaw, die 2007 das bereits von Bloggerfreund Eike gepriesene Album "Faces In The Rocks" vorgelegt hatte. In bester Tradition von Folk-Legende Joni Mitchell stehend, gab sie ein verblüffendes Zeugnis von Reinheit, Schönheit und Intimität ab.
Dann war Alela dran. Mit einem erfrischenden Lächeln auf ihren hübschen Lippen begrüßte sie sich artig und bekam hierfür prompt einen warmen und langanhaltenden Applaus vom Pariser Publikum gespendet. Die Kulturzeitschrift "Les Inrockuptibles" hatte Alela mit euphorischen Berichten zu Recht ziemlich stark gepusht und mit dafür gesorgt, daß die nicht gerade kleine Cigale restlos ausverkauft war. Schön zu sehen, daß auch mal Musiker ohne großen Krawumm und ohne lautes Gitarrengeheule eine Hütte wie die Cigale füllen können!
Fräulein Diane legte zunächst solo los. "Clickity Clack", meinte sie damit meine Kamera? Wohl kaum, die war auf geräuschlos gestellt. "Because I like the wind in trees and the sunlight in the afternoon" sang Alela auf sanfte und wehklagende Weise und ich war schnell in ihren Bann gezogen. Kaum war das schöne Lied verklungen, toste auch schon ein riesiger Applaus los. "Thank you so much for coming out tonight, merci beaucoup!", bedankte sie sich herzlich für den warmen Empfang.
Auch das melancholische "Pieces Of String" intonierte sie noch alleine, dann stießen zwei Herren dazu. "C'est mon père, this is my dad", stellte Alela den schnauzbärtigen Mann mit der weißen Hose und der Gitarre zu ihrer Linken vor. "His Name Is Tom". "And this is Matt", und die Sängerin zeigte nach links auf einen Nick Oliverie - Klon (aber ohne dessen Agressionspotential) an der Madoline. Zu dritt schmetterten sie den Hit "My Tired Feet", ein frühes Highlight. Das Konzert war wunderbar in Fahrt gekommen.
"This is a traditional american folk-song, it's called the Cuckoo". Und dieses "Cuckoo" hatte es wirklich in sich. Auf herrliche Art und Weise harmonierten die beiden Gitarren mit der Mandoline und schufen so eine Western-Atmosphäre. Dazu dann noch die sehr feste und eindringliche Stimme von Alela und mein Glück war perfekt. Auch Mademoiselle Diane war "Happy to Be Here", wie sie mehrfach betonte...
Sehr froh war die natürliche Schönheit auch darüber, daß ihre Kindheitsfreundin Mariee Sioux wieder hinzugekommen war und zu "Tatted Lace" im Background mitsang. Kurze Zeit später stand Matt Bauer im Mittelpunkt, denn von ihm stammte das gospelige "Sea Lion Woman", man könne es auch auf seiner CD finden, aber für Alela habe er eine eigene Version geschrieben. "Sea Lion Woman" war wirklich vorzüglich, es erinnerte mich angenehm an Iron & Wine.
Zu "Blame The Sky?" spielte ihr Vater dann Mandoline, ein Instrument, daß ich schon immer geliebt habe. Witzig war, daß Alela sich an das Publikum wandte und ankündigte "For this song my father is playing Mandoline", nur um dann hinterherzuschicken : "Obviously", denn Daddy hielt schon die Mandoline einsatzbereit in der Hand. Wirklich eine humorvolle junge Frau, diese Miss Diane. Und dann immer dieses entzückende Lächeln!
Nach "My Brambles" dann der Höhepunkt des Konzertes: "The Pirate's Gosple" riß die gesamte Cigale von den Sitzen und jeder klatschte. Kein Wunder, der Hit wurde äußerst schwungvoll gebracht, das Banjo klang wundervoll und es kamen auch Percussions zum Einsatz. "Johoh, joho, johoho, sing the Pirate's Gosple", der Gesang erfüllte den gesamten Saal. Irgendwann setzte das Mitgeklatsche aus, was Alela dazu veranlasste, die Leute zum erneuten Mitmachen zu animieren. Das funktionierte, jeder setzte sich ein und alle wippten im Takt.
Danach schien die Zeit wieder wie im Fluge zu vergehen, "Dry Grass", "White As Diamonds" und "To Be Still" folgten und gerade bei "Dry Grass" zeigte Alela's Stimme neue, interessante Schattierungen.
"The Rifle" beendete schließlich den regulären Teil, bevor Alela alleine zurückkam und solo "Oh! My Mama" vortrug. Zu "Lady Divine" kam noch einmal Pappi mit seiner Gitarre zurück und das war's dann. Der massive und langanhaltende Applaus sorgte schließlich nur noch dafür, daß die Protagonisten kurz wiederkamen und sich verneigten, allerdings keinen neuen Song mehr anstimmten.
Großartig!
Setlist Alela Diane, La Cigale, Paris:
01: Clickity Clack
02: Pieces Of String
03: Tired Feet
04: The Cuckoo
05: Sister Self
06: The Red Tail Hawk
07: Tatted Lace
08: Sea Lion
09: Blame The Sky?
10: My Brambles
11: The Pirate's Gospel
12: Dry Grass
13: White As Diamonds
14: To Be Still
15: The Rifle
16: Oh! My Mama
17: Lady Divine
Konzertbesucher von Alela Diane und Mariee Sioux könnten auch mögen:
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- Rickie Lee Jones in Paris
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- My Brightest Diamond in Paris (Point FMR)
Neue (ausgewählte) Konzerttermine von Alela Diane im Spätherbst 2008:
01.11.2008: Babylon Theater, Berlin
02.11.2008: Studio 672, Stadtgarten, Köln
03.11.2008: Rote Sonne, München
05.11.2008: Salle Communale, Genf
10.11.2008: Trinitaires, Metz
12.11.2008: Olympia, Paris, Festival des Inrocks
19.11.2008: Vooruit, Gent
20.11.2008: Crossing Border Festival, Den Haag
Videos:
- Alela Diane, The Rifle, gespielt vor einer Pariser Kirche und ein kleines Kind mit Schnuller schaut zu!
- The Pirate's Gospel, intime Session von Le Cargo
2 Kommentare :
oh mann, bin ich neidisch! so watt schönes! die bilder, die worte, meine wunderbaren sängerinnen!
solltest du wirklich fotos in masse geschossen haben, erhielst du die rüge zurecht. ätsch!
Jeder der über die Rumknipserei meckert, darf dann konsequenterweise auch nicht die Fotos angucken, grins! ätsch!
Und wie soll man sich bei soviel Schönheit zurückhalten, bitte schön??
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