Sonntag, 9. Juli 2017

Arcade Fire, Esch-sur-Alzette, 08.07.17


Konzert: Arcade Fire
Ort: Rockhal, Esch-sur-Alzette, Luxemburg
Datum: 08.07.2017
Dauer: 95 min
Zuschauer: vielleicht 4.000 (bei weitem nicht ausverkauft)



Es kommt immer mal wieder vor, daß ich nicht unbedingt wegen der Band sondern wegen des Ortes zu einem Konzert fahre. Als wir 2014 mit einigen Leuten zu Kraftwerk nach Wien gereist sind, hatte ich die Band eigentlich wirklich zu oft gesehen, um dafür extra nach Österreich zu fahren, sie spielte aber im Burgtheater, und darum ging es mir. The National auf einer Festung in Kroatien, The Cure und Suede in der Royal Albert Hall, Beispiele dafür gibt es immer wieder. Häufig gehe ich auch wegen einer Vorgruppe zu Konzerten. Wenn es eben nicht anders geht, muß ich halt mit zweitausend anderen zu alt-j fahren, wenn ich Wolf Alice nun mal nicht anders sehen kann.

Gestern war ich zum ersten Mal wegen einer Bühne bei einem Konzert.

Und ein wenig deshalb, weil mich Arcade Fire vor zwei Wochen in Köln sehr kalt gelassen hatten, das Konzert war kurz, zu weit weg (meine Doofheit) und so himmelweit entfernt von dem Standard, den mein erster Arcade Fire Auftritt elf Jahre vorher und ein paar Straßen weiter im Gebäude 9 gesetzt hatte.

Esch-sur-Alzette sollte also wieder das Liveerleben der Kanadier zurechtrücken, vor allem aber meine Neugierde auf die 360°-Bühne stillen.


Arcade Fire hatten diese Bühne vor ein paar Tagen in London bei einem Mini-Auftritt erstmals vorgestellt. Die Bilder des Abends waren fantastisch. Die 40 Bandmitglieder (etwa) standen über die quadratische Bühne verteilt, das Publikum vor allen Seiten, jeweils mit Musikern, die die Zuschauern anspielten. Das erste Mal auf einer 360°-Stage hatten sie aber als Support von U2 gestanden.


Als wir vor der Halle ankamen, 30 min vor dem Einlaß, überlegten wir, welcher Platz wohl der beste wäre. Wenn es eine Bühne gibt, kein Problem. Rechts oder links vorne, je nach Saal. Aber bei vier Bühnen? Schwierig. Wir entschieden uns für die Ecke vorne links. Da würde wohl Win Butler stehen und mit etwas Glück auch Bruder William und Richard Reed Parry. Merkwürdigerweise hatte sich wohl nicht rumgesprochen, daß die Bühne mitten im Saal stehen würde. Frontal standen sehr viele Leute, auf der anderen Seite kaum jemand, da wäre man kurz vor Beginn noch in die dritte Reihe gekommen. 


Wir standen perfekt, schlechte Plätze gab es aber eh nicht, die Musiker wanderten und änderten ihre Positionen immer wieder. An der vom Eingang aus gesehen unteren Seite standen Win & Régine. Links Bassist Tim Kingsbury und William Butler, oben Violinistin Sarah Neufeld und Richard Reed Parry, rechts Percussionist Tiwill Duprate, in der Mitte Schlagzeuger Jeremy Gara und irgendwo noch Saxophonist Stuart Bogie, den wir nur einmal zu Gesicht bekamen. Wie gesagt, wir standen perfekt.


Spektakulär war so vieles an diesem Abend. Rund um die Bühne ging ein Fotograben, durch den aber nur ein offenbar zur Band gehörender Fotograf lief. Denn der Graben war gleichzeitig Backstage. Nach einem Lied eilten Roadies von allen Seiten auf die Bühne, um Instrumente auszutauschen oder aufzuräumen. Überall standen Gitarren und Bässe. Als Arcade Fire auf die Bühne kamen, griff sich Win seine Gitarre von einem Ständer. Bruder William lief ihm hinterher und wies ihn darauf hin, daß er eine Gitarre von der falschen Seite genommen habe, das sei seine.

Das Konzert fing fantastisch an, Wake up, der Ohrwurm Everything now, Here comes the night time (Haïti gefällt mir in der aktuellen Version nicht), dazu die vielen Dinge, die auf der Bühne passierten, die Lautstärke, das Gefühl, überall in der ersten Reihe zu stehen, das war der Kehrwert meines Köln-Konzerts neulich. 




Danach folgten Chemistry und Signs of life, zwei der Lieder vom neuen Album. Chemistry ist ganz frisch und hatte seine Live-Premiere neulich in London (ist also wohl ein 360°-Song). Mir gefallen beide nicht sonderlich. Weil danach aber nur noch gute Lieder kamen, waren diese Minuten nicht dramatisch. Nur noch gute Lieder... jein. Creature Comfort, das letzte neue Lied, ist deutlich besser als Chemistry und Signs of life, es gefiel mir auch schon mehr als beim ersten Hören. Aber im Moment kann ich mir nicht vorstellen, daß ich mich mal bei kommenden Konzerten super drüber freuen werde. Wie über Ready to start, Power out, No cars go oder auch Sprawl II und Reflektor. Die kamen alle in der zweiten Konzerthälfte. Sprawl II beendete nach Rebellion (Lies) das Konzert. Das kam ziemlich unvermittelt, weil Sprawl II eher so ein Mittelteil-Stück ist.



Die Zugabe Neon bible, entstanden während der zweiten Amtszeit von George W. Bush, zeigte dann noch einmal die Stärken der Bühne. Die Band stand unbeleuchtet in der Mitte des Publikums, angestrahlt von Handylampen, die wir anschalten sollten. Die Kanadier traten danach ab, strickten noch etwas Wake up in Neon bible und waren weg.

Daß das Konzert kürzer als der Festival-Auftritt beim Best Kept Secret (20 Lieder) aber auch als der in Köln war, der um 22 Uhr beendet sein musste (17 Lieder), war vorsichtig formuliert merkwürdig. 

Die Mitmach-Animationen, für die zum guten Teil Tiwill zuständig war, gehören bei Arcade Fire dazu. Mit der Bühne wirken einige von ihnen auch sehr toll, die hin- und hergeschwenkten Arme, die drei Seiten des Publikums minutenlang machten, sahen sehr hübsch aus. Wenn die Musik dazu so gut ist wie in der zweiten Konzerthälfte, kann ich damit auch leben, mich wie im Kirmeszelt zu fühlen. Wenn die Lieder aber nachlassen, gehe ich besser nicht mehr zu Arcade Fire Konzerten. Das in Luxemburg war wegen der Bühne, wegen der vielen Sachen, die man noch nicht kannte, einer laufenden Régine, die eine Runde gedreht hatte, dann aber gerade kein Mikro in der Nähe hatte und rennen musste z.B. noch einmal gut, gerade glaube ich aber nicht, daß ich im nächsten Jahr noch mal dabei sein werde.

Setlist Arcade Fire, Rockhal, Esch-sur-Alzette:

01: Wake up
02: Everything now (neu)
03: Haïti
04: Here comes the night time
05: Chemistry (neu)
06: Signs of life (neu)
07: No cars go
08: Ready to start
09: Neighborhood #1 (Tunnels)
10: Reflektor
11: Afterlife
12: Creature comfort (neu)
13: Neighborhood #3 (Power out)
14: Rebellion (Lies)
15: Sprawl II (Mountains beyond mountains)

16: Neon bible (mit Wake up) (Z)

Links:

- aus unserem Archiv:
- Arcade Fire, Hilvarenbeek, 17.06.15
- Arcade Fire, Dresden, 17.06.14
- Arcade Fire, Barcelona, 29.05.14
- Arcade Fire, Luxemburg, 26.06.11
- Arcade Fire, Wiesen, 22.06.11
- Arcade Fire, Düsseldorf, 29.11.10
- Arcade Fire, Paris, 29.08.10
- Arcade Fire, Paris, 05.07.10
- Arcade Fire, Paris, 24.08.07
- Arcade Fire, Köln, 22.08.07
- Arcade Fire, Nimes, 22.07.07
- Arcade Fire, Paris, 20.03.07


 


1 Kommentare :

Oliver Peel hat gesagt…
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
 

Konzerttagebuch © 2010

Blogger Templates by Splashy Templates