Konzert: Benjamin Clementine
Ort: Down the Rabbit Hole Festival
Datum: 24.06.2017
Dauer: 60min
Zuschauer: volles Zelt (ca.5.000)
Benjamin Clementine auf einem Festival. Das wäre nach meinen bisherigen Erfahrungen normalerweise gründlich daneben gegangen. Aber ist es nicht schön, wenn alte Gewohnheiten aufgebrochen werden und Neues entstehen kann?
Beide Auftritte von Benjamin Clementine, sowohl im Spiegelzelt des Haldern-Pop und ein Jahr später in der Kölner Philharmonie waren etwas ganz besonderes. Aber beide waren auch mühsam und anstrengend.
Der Künstler meist schweigsam, murmelnd und gereizt. Arroganz würde man ihm unterstellen, wenn sein sonstiges Verhalten und seine Interviews nicht so positiv strahlen würden.
Klar, seine Erscheinung schüchtert ein, auch heute. Mit einem riesigen, silbernen Steppmantel bekleidet, dazu die zu einem Turm wild gesteckten Haare und erstmals auch mit Schuhen, betritt der Hüne die Bühne auf der schon sein Chor und eine kleine Band aus Bass und Schlagzeug auf ihn warten.
Und schon beim ersten Song passiert es: er lacht, summt und animiert das Publikum es ihm nachzutun. Endlich sieht man ihn entspannt und gelöst, er dirigiert seinen Chor und die Zuschauer im Stehen, dazu gibt es gleich zu Beginn viele neue Stücke von seinem noch nicht veröffentlichten, zweiten Album.
Das könnte langweilen, aber langweilig ist hier rein gar nichts. Natürlich gleichen auch die neuen Songs, gerade in der großen Umsetzung mit dem Chor, oft einem Musical oder einem Pixar-Soundtrack. Die Komplexität der Sounds und die politischen Texte sprechen aber eine ganz andere Sprache.
Kitsch, Kunst und Anspruch, verpackt in einem großen Auftritt, dessen Highlight, wie immer, die dunkelste aller Stimmen des derzeitigen Pop ist.
Manchmal wünscht man fast, es würde ihm nicht alles so leicht fallen. Dieses punktierte und fantastische Spiel am Flügel, mit seinen riesigen Händen und das Singen, ohne Anstrengung scheint er das Zelt auch ohne Mikrofon zum Beben bringen zu können.
Selten verspürt man solchen Neid aber auch Respekt für jemanden, dem so viele Talente gegeben wurden und der sie in jahrelanger, selbst verordneter Ausbildung perfektionierte.
Später dann der erste, von nur zwei alten Songs (Hits) in diesem einstündigen Set. "Condolence" dehnt er hier auf fast 10 Minuten. Wieder erstrahlt er als Chorleiter, rennt von links nach rechts über die Bühne, um einen Kanon anzustimmen.
"I`ll send in my Condolence to fear", und diese Zeile scheint kein Zufall zu sein, wie sie immer weiter durch das Zelt schallt. Die Furcht scheint der Befreiung gewichen zu sein, zumindest in diesem Moment.
Eine musikalische Reise der Extraklasse, die nie allen gefallen wird. Gesehen haben sollte man sie aber auf jeden Fall, mindestens einmal.
Fotos: Michael Graef
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