Mittwoch, 21. Dezember 2016

Björk, Reykjavik, 05.11.16


Konzert: Björk
Ort: Harpa Eldborg, Reykjavic (Iceland Airwaves)
Datum: 05.11.2016
Dauer: 47 & 44 min
Zuschauer: 1.800 (ausverkauft)



Ende September kündigte das Iceland Airwaves einen zusätzlichen Programmhöhepunkt an: Björk, der größte Star der Insel würde ein Konzert während des Festivals spielen. Nicht auf dem Festival, während des Festivals, ein wichtiger Unterschied. Das Konzert war nämlich nicht Bestandteil des Eintrittspreises, Tickets mussten zusätzlich gekauft werden und kosteten gleich viel oder eine Spur weniger (die schlechten Karten) als das Festival selbst. Wir redeten uns das hinterher damit schön, daß unsere Plätze in der letzten Reihe ganz oben gerade mal zehn, zwölf Bier gekostet hatten. 

Zwei Stunden später hätte es mir auch nichts ausgemacht, hätten wir das Doppelte bezahlt. Aus dem "Björk in Island ist schon besonders, laß uns das machen" war ein atemberaubend ergreifendes Erlebnis geworden. 

Ich habe Björk 1993 mit ihrem Album Debut kennengelernt und hatte eine kurze, intensive Fanphase, die sich aber wegen all dem anderen, was Anfang der 90er Jahre erschien, nicht richtig durchsetzte. Seitdem schätze ich die Künstlerin Björk, interessiere mich aber für ihr Werk nicht mehr sehr. Ich wusste überhaupt nicht, was uns erwarten würde, als wir ganz oben Platz nahmen. Auf der ameisengroßen Bühne standen hufeisenförmig aufgebaute Stühle. Um fünf nach fünf kam eine unüberschaubar große Menge Streicher (es waren 30) in langer Reihe auf die Bühne und setzte sich. 10 Cellisten rechts, 20 Violinisten und Bratschisten links. Als alle saßen, trat der Dirigent auf, nach ihm Björk in einem roten Kleid, das an eine Erdbeere erinnerte und das der portugiesische Designer David Ferreira entworfen hat.

In der folgenden Dreiviertelstunde waren Kleid, Eintrittspreis, nächste Konzerte und alles andere allerdings ganz weit weg. Im großen Saal der Harpa gab es nur Björks tieftraurige Elfenstimme und die Streichertöne, die sie begleiteten. Erst nach dem letzten Hall jedes Liedendes wagte das Publikum zu applaudieren. Auch wenn man nicht um die Entstehungsgeschichte der Lieder wusste, spürte und hörte man, daß die Stücke nicht von einer glücklichen Liebe handeln. 

Die erste Konzerthälfte bestand aus den ersten sechs Stücken von Björks letzten Album Vulnicura, mit dem die Künstlerin das Ende der Beziehung zu ihrem langjährigen Partner Matthew Barney verarbeitet. Björk tigerte von rechts nach links über die Bühne, sang, jede Silbe betonend (sie spricht auch so, wie wir später erfuhren) und durchlebte wohl wirklich eine ganze Menge des Schmerzes noch einmal musikalisch.

Für mich weit über der Künstlerin sitzend, war das Konzert eines, wie ich es noch nie erlebt habe. Uns hatten Freunde am nächsten Tag erzählt, sie seien auch in der Björk-Ausstellung gewesen, die in der Harpa gezeigt wurde. Mit Virtual-Reality-Brillen sei man dort in Björk-Videos eingestiegen, habe sich wie die Sängerin selbst gefühlt. Auch im Konzertsaal mit seinem brillanten Klang war nur Björk (und ein paar Streicher), nur ihre Stimme. Es war hochgradig faszinierend.



Nach Notget traten Sängerin und Orchester ab. Auf der Bühne wurden Plätze für eine paar Kontrabässe aufgebaut. 25 min später kamen das Ensemble und Björk (diesmal in einem blauen Ungaro-Kleid) zurück. Der zweite Teil des Konzerts, der inklusive der Zugabe Pluto (von Homogenic - eines der wenigen ganz alten Stücke des Abends) noch einmal fast eine Dreiviertelstunde dauert, ist stilistisch nah am ersten, auch wenn einige der Stücke eine weniger düstere Grundstimmung haben. Aber es bleibt Björks Stimme unterstützt von Streichern, nichts anderes, keine Beats etwa. Und genau das macht das Konzert so eindrucksvoll. 

Im zweiten Teil singt die Isländerin, die mit ihrer Band The Sugarcubes auch Teil der Ausstellung des Reykjavik Punk Museums ist, das in der Woche des Festivals im Beisein von Johnny Rotten in einer ehemaligen öffentlichen Toilette eröffnet wurde, noch zwei weitere Lieder von Vulnicura (Mouth mantra und Quicksand) und u.a. die Singles Bachelorette und Jóga (von Homogenic - von 1997).

Natürlich wäre das Festival auch ohne Björk phänomenal gut gewesen. Die kleine Frau im Erdbeer-Kleid, machte die Woche aber dann noch eine Spur magischer.
Setlist Björk, Harpa Eldborg, Reykjavik:

01: Stonemilker 
02: Lionsong 
03: History of touches 
04: Black lake 
05: Family 
06: Notget 

07: Aurora 
08: I've seen it all 
09: Jóga 
10: Vertebræ by Vertebræ 
11: Quicksand 
12: Mouth mantra 
13: Bachelorette 

14: Pluto (Z)

Links:

- Björk, Reykjavik, 05.11.16

- unsere Berichte vom Iceland Airwaves

 

 

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