Donnerstag, 21. November 2013

The National, Paris, 18.11.13


Konzert: The National (This Is The Kit)
Ort: Le Zénith, Paris
Datum: 18.011.2013
Zuschauer: ausverkauft
Konzertdauer: fast 2 Stunden




Während die Pausenmusik vom Band lief, kam mir ein Gedanke spontan in den Kopf. Dass Musik aus der Konserve definitif nicht das Gleiche ist wie Livemusik, daß sie recht steril ist, kühl, glatt, überproduziert. So empfinde ich das zumindest. Konzerte geben mir in der Regel tausend Mal mehr als eine CD oder ein Album auf Vinyl. weil der Livesound härter ist, ungeschmirgelter, lebendiger, auch fehlerhafter (was ich sehr mag). Ich fragte mich, ob die Leute mitgerissen würden, wenn das, was man gerade aus den Boxen hörten, bereits das richtige Konzert wäre. Vorstellen konnte ich mir das nicht.

Aber meine Gedanken schienen mir rein theoretischer Natur, schließlich sollten wir ja gleich in den Genuß "echter" Musik kommen.

Erst lief noch Kurt Vile vom Band, dann marschierte die Gruppe zu seinem Song ein und man konnte ihren Weg durch den Hallengang auf der Leinwand mitverfolgen. Da standen sie nun auf der Bühne und legten begleitet von Videoprojektionen (wer brauchte die?, das kostet doch nur unnötiges Geld!) gegen 20 Uhr 40 los. Schon nach zwei Liedern  hatte ich ein ungutes Gefühl. Der Sound klang mitnichten lebendig, wild und knarzig, sondern ähnlich glatt und keimfrei wie man das vorhin von der Konservenmusik erlebt hatte. Es wirkte auf mich, als würde ich die Platten noch einmal in voller Lautstärke vorgespielt bekommen und die Musiker von The National stünden da vorne lediglich wie Marionetten rum. Es kam gar nix rüber, zumindest nicht bei mir. Ich dachte mir: "wart's doch erst mal ab, es wird bestimmt noch viel besser!" und 2 Minuten später dachte ich an Marcel Reich-Ranicki: "ich muss ein Buch nicht erst ausgelesen haben, um zu wissen, daß es mißraten ist. Wenn eine Suppe versalzen ist, merkt man das auch schon nach zwei Löffeln, man muss sie nicht erst ganz aufessen um das zu wissen!"

Wie verflucht recht Marcel hatte! Denn eine geschlagene Stunde später war mein vorherrschendes Gefühl nach wie vor Langeweile, selbst bei eigentlichen Lieblingsstücken. Jedes einzelne Lied zog an mir vorbei, ohne daß sich bei mir irgend etwas regte. Irgendwie klang sowieso alles gleich. Der wenig nuancierte (und höllisch laute!) Hallensound sorgte dafür, daß ich das Gefühl hatte, Bloodbuzz Ohio an mindestens 3 oder 4 verschiedenen Stellen zu hören, nur unter einem anderen Titel. Immer gleiche Rhythmik (dieses mechanische, ultraschnelle Schlagzeug, kam das vom Band?), immer der gleiche Grabesgesang des in seinen Bart murmelnden Sängers, ähnliche Gitarrenmelodien. Laaaaaaaaaannnnnnnnnnggweilig!

Natürlich fragte ich mich, ob es vielleicht an mir selbst läge. War ich einfach nur müde, schlecht gelaunt, oder überkritisch? Oder waren auch andere Leute nicht sonderlich begeistert? Zufälligerweise stand ein Mädchen neben mir, die auch den sensationellen Gig von The National im kleinen Point Ephémère 350 Leute im Juni mitbekommen hatte. Ich erinnere mich genau an sie, sie hatte wie viele andere (ich auch!) damals ein Dauergrinsen im Gesicht. Zu recht, denn dieser Clubggig war umwerfend toll! Ich versuchte ihr Gesicht am heutigen Abend zu entschlüsseln. Nach anfänglicher Vorfreude sah ich bei ihr kaum Regungen, manchmal freute sie sich, wenn sie ein Lied erkannte, aber von der damaligen Euphorie gab es keine Spur. Auch sie fand es also deutlich schlechter, so deutete ich ihre Körspersprache zumindest. Andererseits gab es auch ein paar Leute in meinem Umfeld (vor allem Mädchen), die bei jedem Song ein bekifftes Grinsen drauf hatten, die Texte leise vor sich hinsangen und vor allem bei den Balladen hinwegzuschmelzen schienen. Aber ich schildere diese Berichte hier nun einmal aus meiner Sicht und ich selbst wurde nur in ein paar wenigen Szenen etwas lebendiger.

Zum einen als Matt Berninger sich mit sehr lobende Worten über die Vorgruppe This Is The Kit (die ich verpasst hatte, weil sie schon um 20 Uhr (!) mit ihrem Set durch waren, argh!) äußerte und sie nicht nur als hervorragende Musiker sonder auch als "great people" bezeichnete. Das fand ich doch sehr höflich und gentlemanlike von ihm, auch Kate und ihrer Band den gebührenden Repekt zu zollen.

Zum zweiten als Pink Rabbits angestimmt wurde. Da war ich zumindest ansatzweise romantisch berührt, denn dieser Song vom letzten Album ist wirklich sehr fein. Wundervolle Melodie, interessante Texte ("you said it would be painless, it wasn't that at all") wirklich gut.


Zum dritten (und leider schon zum letzten) als Mr. November gespielt wurde. Natürlich wusste ich, daß Matt Berninger bei diesem Stück immer durchs Publikum rennt, aber in einer großen Halle wie dem Zénith war das schon spektakulär und lockerte endlich mal die steife Stimmung auf. Endlich war mal mehr Leben drin, wurde das bloße Runterspulen von Songs vor einer bunt flackernden Videoleinwand unterbrochen. Wobei, was heißt schon Runterspulen? Mühe gegeben hatten sie sich ja, die Amerikaner. Matt hatte unter dem Einfluß von viel Rotwein durchaus einige seiner berühmt-berüchtigten Schreiattacken, doch verpufften die bei mir wirkungslos und Bryce Dessner forderte immer wieder die Leute demonstrativ zum Mitklatschen auf. Eine Unsitte, aber was tut man als Band nicht alles, um eine Halle in Stimmung zu versetzen? Leider muss man wohl in diesen Riesenschüsseln in die Rolle eines Animateurs des Club Med schlüpfen, damit sich überhaupt was regt. Aber mal ehrlich: ich fand die blöde Rumklatscherei, scheiße, sorry! Besonders bei der das Konzert endgültig abschließenden (und recht scheußlichen) Akustikballade Vanderlyle Crybabdy Geeks. Mochte ich überhaupt nicht. Erstens haben sie die schon so oft ohne Mikros am Bühenrand gespielt und zweitens müssen The National doch nicht auf Teufel komm raus beweisen, daß sie mal als kleine Folkband angefangen haben. Mit der ständig gebrachten Story, sie hätten vor 10 Jahren in der Guingette Pirate (ein Hausboot) vor lediglich 150 Leuten gespielt, nerven sie inzwischen auch nur noch. Bei jedem Konzert muss man sich dieses Geseier anhören. Und Matt Berninger scheint der Ruhm ja auch nicht so gut bekommen zu sein, oder trinkt er den ganzen Wein wirklich nur des Genusses wegen? (keine Anklage, ich mache mir nur Sorgen um seine Geundheit...)



Kurzum: The National scheinen mir ein wenig Opfer ihrer eigenen Erfolges geworden zu sein. Sie sind jetzt gezwungen, in großen unpersönlichen Hallen zu spielen, können sich keinen Patzer mehr leisten (das mag der Mainstreamkonzertgänger nun mal gar nicht!) und haben somit einen Großteil ihrer Spontanität und ihres Charmes verloren.

Dass sie dennoch großartig sind, haben sie im Juni im Point Ephémère bewiesen, das war ein sagenhafter Gig, den ich nicht so schnell vergessen möchte. Wenn sie noch mal in einem ähnlich kleinen Raum spielen, bin ich gerne wieder dabei, eine große Halle wie das Zénith werde ich aber künftig meiden.

Setlist:

01: Don't Swallow The Cup
02: I Should Live In Salt
03: Sorrow
04: Bloodbuzz Ohio
05: Demons
06: Sea Of Love
07: Hard To Find
08: Afraid Of Everyone
09: Conversation 16
10: Squalor Victoria
11: I Need My Girl
12. This Is The Last Time
13: Exile Vilify
14: Abel
15: Slow Show
16: Pink Rabbits
17: England
18: Graceless
19: About Today
20: Fake Empire

21: Lean (Pedro Soler gewidmet)
22: Humiliation
23: Mr. November
24: Terrible Love
25: Vanderlyle Crybaby Geeks



1 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

Genauso hab ich es in Düsseldorf auch gesehen...trotz immenser Vorfreude..in einem 60min Festivalgig kommt das auch viel aggresiver und abwechslungsreicher rüber...vielleicht sollten sie einfach mal eine Pause einlegen...Wein und Fans werden nicht schlecht, nur älter..

 

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