Konzert: Antony And The Johnsons
Ort: Alte Oper, Frankfurt am Main
Datum: 27.04.2009
Zuschauer: ausverkauft (2.700)
Dauer: 95 min
Selten fiel es mir so schwer, über ein Konzert zu schreiben, es täte dem Abend aber unrecht, die Erlebnisse hier zu ignorieren.
Schon der Rahmen war ein außergewöhnlicher. Vor der Alten Oper in Frankfurt habe ich bereits Musik gesehen, drinnen bisher nicht. Vom Charme der Fassade bleibt nichts mehr übrig, wenn man das im Krieg stark beschädigte und erst vor knapp 30 Jahren wiedereröffnete Gebäude betritt. Innen haben die 70er Jahre gnadenlos zugeschlagen. Beeindruckt haben mich vor allem die wundervollen Deckenleuchten in den Foyers.
Das Publikum schien sich dem Haus angepasst zu haben, denn auch da waren unglaublich viele unterschiedliche Stile zu sehen. Ob Joschka Fischers ehemalige Kampfgefährten, bunthaarige Mittdreißiger, Mitglieder von Kulturvereinen aus dem Taunus oder der Großteil der Kölner Indie-Szene, alles war vertreten (nur nicht immer Schuhe, es gab auch einen Barfüßigen - Gott, bin ich spießig!).
Als wir unsere Plätze auf dem Balkon einnahmen, merke man erstmals die überaus feierliche Stimmung. Die Veranstaltung hatte genau den Rahmen, den sie verdiente. Unvorstellbar, das Konzert etwa im Kölner Palladium zu sehen - oder auch in der Jahrhunderthalle in Frankfurt.
Als es losging, beleuchtete erst einmal nur ein Spot die Bühne. Eine groß aussehende Frau betrat die Bühne und tanzte in den folgenden zwanzig Minuten in unterschiedlichen Kostümen eine Geschichte (in der ein Vogel vorkam...). Ich kann mit Ausdruckstanz nichts anfangen - vor dem Hintergrund des Covers der aktuellen Platte von Antony And The Johnsons machte die Darbietung aber absolut Sinn. Also ließ ich meinen Horizont ein wenig erweitern und sah hin.
Während die Dame zum letzten Mal zum Bühnenrand ging, kamen im Dunkel Musiker aus dem Hintergrund und setzten sich an ihre Instrumente. Ohne Vorlauf oder Pause, und auch ohne viel Licht, begannen die Johnsons und Antony Where Is My Power, der B-Seite von Epilepsy Is Dancing.
Antonys Band bestand aus einem Schlagzeuger, einer Cellistin, einem Bassisten, einem Violinisten, einem Gitarristen und einem Multiinstrumentalisten, der Violine, Gitarre und Saxophon spielte. Antony Hegarty saß den ganzen Abend am Flügel.
Nach dem ersten Stück war der Applaus groß, aber noch ein wenig sachlich. Das sollte sich nach und nach ändern. Die anfängliche Zurückhaltung, wobei Zurückhaltung es eigentlich nicht richtig trifft, lag ganz sicher an den überwältigenden Eindrücken. Obwohl da vorne eine Band spielte, wirkte alles vor dem Zuschauerraum ewig weit entrückt und unwirklich. Die überwältigende Akustik (zu irgendwas muß der wenig schöne Innenraum gut sein!) und das spärliche Licht erschlugen alle Sinne, vor allem aber die vollkommen perfekt vorgetragene Musik!
Und auch hier ist perfekt eigentlich wieder das falsche Wort, denn einige Lieder gingen darüber hinaus und hörten sich besser als auf Platte an - und zwar nicht dieses Besser, das die meisten Livestücke haben, daß nämlich gut gespielte Livemusik immer durch die fehlende Distanz präsenter ist. Teilweise hörten sich Antonys Stücke einfach nach besseren Album-Aufnahmen an. Als hätten die Tontechniker gerade noch einmal besonders gezaubert. Daher hatte das Konzert wenig mit den Veranstaltungen zu tun, über die wir sonst hier schreiben, es gehört einer anderen Kategorie an.
Nach jedem Lied ging das Licht aus, man konnte bis zwei zählen, dann brandete Applaus auf - ein immer gleiches Ritual. Bis das Licht wieder hochfuhr und das nächste Stück angestimmt wurde. Im Laufe des gut anderthalb Stunden dauernden Ereignisses legte sich die Zurückhaltung der Zuschauer mehr und mehr. Nach den ersten Takten der Liedern gab es dann schon stürmischen Applaus.
Ich möchte nicht einzelne Titel auseinanderpflücken aber sicherlich waren Fistful of love, For today I am a boy, Aeon und die Zugaben Höhepunkte dieses ergreifenden, wundervollen - aber auch entrückten Konzerts.
Und dann war da noch diese Szene, die ich nicht deuten konnte. Nach einem der ersten Lieder stürmte Antony an den Bühnenrand und redete auf jemanden in der ersten Reihe ein. Natürlich bekam ich nicht mit, worum es ging, die Körpersprache wirkte aber, als handele es sich um irgendein Ärgernis. Diese kleine Unterbrechung der Perfektion tat dem Konzert trotzdem gut.
Schon der Rahmen war ein außergewöhnlicher. Vor der Alten Oper in Frankfurt habe ich bereits Musik gesehen, drinnen bisher nicht. Vom Charme der Fassade bleibt nichts mehr übrig, wenn man das im Krieg stark beschädigte und erst vor knapp 30 Jahren wiedereröffnete Gebäude betritt. Innen haben die 70er Jahre gnadenlos zugeschlagen. Beeindruckt haben mich vor allem die wundervollen Deckenleuchten in den Foyers.
Das Publikum schien sich dem Haus angepasst zu haben, denn auch da waren unglaublich viele unterschiedliche Stile zu sehen. Ob Joschka Fischers ehemalige Kampfgefährten, bunthaarige Mittdreißiger, Mitglieder von Kulturvereinen aus dem Taunus oder der Großteil der Kölner Indie-Szene, alles war vertreten (nur nicht immer Schuhe, es gab auch einen Barfüßigen - Gott, bin ich spießig!).
Als wir unsere Plätze auf dem Balkon einnahmen, merke man erstmals die überaus feierliche Stimmung. Die Veranstaltung hatte genau den Rahmen, den sie verdiente. Unvorstellbar, das Konzert etwa im Kölner Palladium zu sehen - oder auch in der Jahrhunderthalle in Frankfurt.
Als es losging, beleuchtete erst einmal nur ein Spot die Bühne. Eine groß aussehende Frau betrat die Bühne und tanzte in den folgenden zwanzig Minuten in unterschiedlichen Kostümen eine Geschichte (in der ein Vogel vorkam...). Ich kann mit Ausdruckstanz nichts anfangen - vor dem Hintergrund des Covers der aktuellen Platte von Antony And The Johnsons machte die Darbietung aber absolut Sinn. Also ließ ich meinen Horizont ein wenig erweitern und sah hin.
Während die Dame zum letzten Mal zum Bühnenrand ging, kamen im Dunkel Musiker aus dem Hintergrund und setzten sich an ihre Instrumente. Ohne Vorlauf oder Pause, und auch ohne viel Licht, begannen die Johnsons und Antony Where Is My Power, der B-Seite von Epilepsy Is Dancing.
Antonys Band bestand aus einem Schlagzeuger, einer Cellistin, einem Bassisten, einem Violinisten, einem Gitarristen und einem Multiinstrumentalisten, der Violine, Gitarre und Saxophon spielte. Antony Hegarty saß den ganzen Abend am Flügel.
Nach dem ersten Stück war der Applaus groß, aber noch ein wenig sachlich. Das sollte sich nach und nach ändern. Die anfängliche Zurückhaltung, wobei Zurückhaltung es eigentlich nicht richtig trifft, lag ganz sicher an den überwältigenden Eindrücken. Obwohl da vorne eine Band spielte, wirkte alles vor dem Zuschauerraum ewig weit entrückt und unwirklich. Die überwältigende Akustik (zu irgendwas muß der wenig schöne Innenraum gut sein!) und das spärliche Licht erschlugen alle Sinne, vor allem aber die vollkommen perfekt vorgetragene Musik!
Und auch hier ist perfekt eigentlich wieder das falsche Wort, denn einige Lieder gingen darüber hinaus und hörten sich besser als auf Platte an - und zwar nicht dieses Besser, das die meisten Livestücke haben, daß nämlich gut gespielte Livemusik immer durch die fehlende Distanz präsenter ist. Teilweise hörten sich Antonys Stücke einfach nach besseren Album-Aufnahmen an. Als hätten die Tontechniker gerade noch einmal besonders gezaubert. Daher hatte das Konzert wenig mit den Veranstaltungen zu tun, über die wir sonst hier schreiben, es gehört einer anderen Kategorie an.
Nach jedem Lied ging das Licht aus, man konnte bis zwei zählen, dann brandete Applaus auf - ein immer gleiches Ritual. Bis das Licht wieder hochfuhr und das nächste Stück angestimmt wurde. Im Laufe des gut anderthalb Stunden dauernden Ereignisses legte sich die Zurückhaltung der Zuschauer mehr und mehr. Nach den ersten Takten der Liedern gab es dann schon stürmischen Applaus.
Ich möchte nicht einzelne Titel auseinanderpflücken aber sicherlich waren Fistful of love, For today I am a boy, Aeon und die Zugaben Höhepunkte dieses ergreifenden, wundervollen - aber auch entrückten Konzerts.
Und dann war da noch diese Szene, die ich nicht deuten konnte. Nach einem der ersten Lieder stürmte Antony an den Bühnenrand und redete auf jemanden in der ersten Reihe ein. Natürlich bekam ich nicht mit, worum es ging, die Körpersprache wirkte aber, als handele es sich um irgendein Ärgernis. Diese kleine Unterbrechung der Perfektion tat dem Konzert trotzdem gut.
Setlist Antony And The Johnsons, Alte Oper, Frankfurt:
01: Where is my power
02: Her eyes are underneath the ground
03: Epilepsy is dancing
04: One dove
05: For today I am a boy
06: Kiss my name
07: Everglade
08: Another world
09: Shake that devil
10: The crying light
11: I fell in love with a dead boy
12: Fistful of love
13: You are my sister
14: Twilight
15: Aeon
16: Cripple and the starfish (Z)
17: Hope there's someone (Z)
Links:
- Antony And The Johnsons in Paris
- Jede Menge Fotos von Antony & The Johnsons hier und hier!
Anmerkung: Die Fotos stammen von dem Antony Konzwert in Paris
Anmerkung: Die Fotos stammen von dem Antony Konzwert in Paris
10 Kommentare :
Schön! Das freut mich sehr!
antony war toll. hätt ein bisschen mehr tanzen können, die dicke frau, aber sonst gut.
und dass da soviele heten waren hat mich überrascht....dass die jetzt auch ahnung von musik haben......
Ich nehme das mal als Kompliment hin :-)
apropos Tanzen..... was war das davor, darstellerisch wie musikalisch?...was?
Es war traumhaft. Ich weinte. Auch als weibliche Hete. Antony ist entzückend und die Johnsons auch wahnsinnig toll. Vorher war eben was kreatives, ein Vogel, der sich vergeblich mühte, abzuheben... oder so.
"und dass da soviele heten waren hat mich überrascht....dass die jetzt auch ahnung von musik haben......"
Ich war mir bis heute nicht bewusst, dass Antony & the Johnsons "Homomusik" machen. In was für einer Welt leben wir denn? Solche Äußerungen wie die Ihre sind ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft.
Definieren Sie eigentlich alles über Ihre Sexualität?
Warum kann man so ein wundervolles Konzert nicht einfach genießen ohne sofort die üblichen Stereotypen hervor zu kramen?
Das Konzert war umwerfend. Selten so viele feuchte Augen im Dunkeln erahnt.
Schön, daß Musik Geschmackssache ist und daß auch manchmal talentierte Künstler berühmt werden!
Nur weil manche Musiker homosexuell oder sonstwas sind, heißt das noch lange nicht, daß ihre Musik "homo" oder überhaupt sexuell ist. Antonys Identitätssuche ist doch etwas menschliches und nicht auf musikalische Ausschnitte seines Lebens zu reduzieren, auch wenn Sexualität thematisiert wird. Warum hat er denn endlich den großen Erfolg? Weil alle in ihm einen Schwulen sehen??
Es existieren übrigens viele Bands mit homosexuellen Mitgliedern. Oder sind Judas Priest, Queen oder Coil, um nur einige wenige zu nennen, v.a. wegen ihrer homosexuellen Mitglieder beliebt und nicht wegen ihrer Musik? Wer mit wem und wievielen ins Bett steigt ist doch uninteressant (solange ich nicht dabei bin).
"Echte" Künstler sind meistens "irgendwie anders". Sonst wären sie keine Künstler, sondern Finanzbeamte.
Es war einfach nur toll und das ehrlichste Konzert seit langem. Und es ist mir auch vollkommen egal welche sexuelle Ausrichtung der Kuenstler oder das Publikum haben.
Ich muß mich entschuldigen, daß der Artikel immer noch nicht online ist, aber es war zu viel in den vergangenen Tagen.
Eigentlich müsste man aber ohnehin nichts zu dem hinzufügen, was da schon steht. Ergreifend, brillant, atemberaubend!
Und auch den Meinungen zu der angeblichen Schwulen-Musik kann ich mich nur vollkommen anschließen. Das Konzert hat solche rechthaberischen Diskussionen nicht verdient. Sagt eine Hete.
Oh doch, bitte! Ich würde den Artikel gerne lesen. Sonst gibts nur einen ganz bösen in der taz. Das kann man nicht auf sich sitzen lassen...
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