Freitag, 2. Oktober 2015

Morrissey, Köln, 01.10.15


Konzert: Morrissey
Ort: Palladium, Köln
Datum: 01.10.2015
Dauer: 90 min
Zuschauer: vielleicht 3.000 (nicht ausverkauft)



"Kunst, Kunst, Kunst!"* Morrisseys Begrüßung ist so typisch Morrissey. Ich stelle mir ein Gespräch mit dem Sänger enorm kompliziert vor, nichts, was ich jemals anstreben würde, sollte der Freizeit-Morrissey nicht vollkommen anders als der auf der Bühne sein. Er redet eben so, wie er schreibt. "I bought this book. - Learn German in 30 days. - 30 years ago. - I still have no idea! - You make it so difficult. - Why?" Ob sich sein "Kunst, Kunst, Kunst" auf den vorherigen Vorfilm mit Videoclips seiner Lieblinge, der mit Klaus Nomi** vom Band endete, bezog oder auf das, was folgen sollte, weiß ich nicht. Jeder ist in seiner eigenen Welt und Stephens ist die Wirrere.


Das Palladium war nicht ausverkauft. Leider wird es Jahr für Jahr etwas leerer in den Hallen. Diesmal waren die Balkone oben geschlossen, die Haupthalle vorne gut gefüllt, hinten aber wohl nicht mehr. Der saftige Eintrittspreis spielt da vermutlich eine Rolle (60 €)***. Aber in unserer musikalischen Biosphäre ist Morrissey der größte Star, der das rechtfertigt - eigentlich rechtfertigt schon What she said diese Summe. Die aktuelle Platte, die schnell wieder vom Markt verschwand, weil sein Label ihn rausschmiß (keine Ahnung, ob man sie streamen kann) und die weniger gut als die Vorgänger ist, ist bestimmt ein weiterer Grund. The bullfighter dies ist eben leider kein First of the gang to die. Und als wir uns nach dem Konzert über die drei guten Veränderungen im Vergleich zum Auftritt in Neu-Isenburg unterhalten haben (You have killed me, The world is full of crashing bores und Yes, I'm blind statt Istanbul, People are the same everywhere und One of our own) und darüber, auf was wir in Köln noch hätten verzichten können, waren das Oboe concerto (puh!), The bullfighter dies und Staircase at the university und das Didgeridoo bei World peace...



Morrisseys Band, die jeden Abend andere abgestimmte Outfits trägt (Kunst, Kunst, Kunst), steht natürlich im Schatten des Chefs. Ich merke das, wenn ich nach Konzerten die Bilder aussortiere. Dabei ist diese Ignoranz vollkommen unfair. 


Daß Boz Boorer fantastisch ist und vermutlich jedes Instrument beherrscht (aktuell Gitarre, Schlagzeug, Keyboard und Oboe), hatte ich mitbekommen. Genau wie bei Jesse Tobias und Matt Walker. Aber auch die neueren Livemitglieder Mando Lopez (Bass) und Gustavo Manzur sind hervorragende Musiker und nicht bloß da, weil es ohne sie doof aussähe. Gustavo, der Keyboard, Akkordeon und Gitarre spielt, singt schon seit Beginn der World peace... -Tour beim Titelsong eine letzte Strophe auf Spanisch. Zur Zeit macht er das auch bei Speedway. Beiden Liedern steht das außerordentlich gut.


Die Setlist in Köln war vermutlich die beste, die gerade möglich ist. Morrissey spielt neben What she said Meat is murder und The Queen is dead von seiner alten Band, die drei Solo-Smashhits, die jeder hören will (Suedehead, Everyday is like Sunday und I'm throwing my arms around Paris) und wechselnde Stücke der alten Platten. Reader meet author, das in Neu-Isenburg gestern zum ersten Mal seit Jahren gespielt wurde, war wieder dabei, genau wie das orientalisch arrangierte I will see you in far-off places, Alma matters, Ganglord (mit Video voller Polizeigewalt gegen Menschen und Tiere) und Boxers (bei dem im Hintergrund das schwarz-weiß Bild eines Boxers**** hing, das auch zu Beginn schon die Bühne schmückte, bevor es von Bruce Lee abgelöst wurde). 


Bei den Songs, die jeder erwartet, war Everyday is like Sunday wieder bemerkenswert. In Neu-Isenburg war ich noch nicht ganz sicher, ob er wirklich den Text im Refrain abgewandelt hat. Er hat. "Everyday is like Sunday, tell me quando, quando, quando." Why? Den hat er wohl das ein oder andere Mal zu viel gespielt, scheint sich aber nicht trennen zu mögen. 


Ich mag mich von Morrissey auch nicht trennen wollen, es war nämlich schon wieder toll. Hoffentlich macht er das noch lange und immer wieder. Und wenn er von "gaga in Malaga" und "no mercy in Murcia" singt, kann ich ja leise "tell me quando, quando, quando" mitsingen.

Setlist Morrissey, Palladium, Köln:

01: Suedehead
02: Speedway
03: Ganglord
04: Alma matters
05: You have killed me
06: Kiss me a lot
07: Reader meet author
08: Oboe concerto
09: The world is full of crashing bores
10: World peace is none of your business
11: I'm throwing my arms around Paris
12: Everyday is like Sunday (kind of)
13: The bullfighter dies
14: Staircase at the university
15: Yes, I'm blind
16: I will see you in far-off places
17: Meat is murder (The Smiths)
18: Boxers
19: What she said (The Smiths)

20. The Queen is dead (The Smiths) (Z)

Links:

- aus unserem Archiv:
- Morrissey, Neu-Isenburg, 30.09.15
- Morrissey, Tilburg, 29.03.15
- Morrissey, Essen, 24.11.14
- Morrissey, Paris,27.10.14
- Morrissey, Lüttich, 05.07.12
- Morrissey, Dublin, 31.07.11
- Morrissey, Köln, 11.06.09
- Morrissey, Offenbach, 09.06.09
- Morrissey, Esch, 05.06.09
- Morrissey, Lille, 19.01.08
- Morrissey, Frankfurt, 12.12.06
- Morrissey, Paris, 25.08.06


* (oder "cunts, cunts, cunts"?)  
** denke ich
*** in der Euroleague spielt der FC ja gerade nicht

**** who?


2 Kommentare :

Fends hat gesagt…

Hi Christoph, danke für Deinen Bericht!
Ich bin auch in Neu-Isenburg und Köln gewesen. Deine Wahrnehmung kann ich gut teilen; gefällt mir!
Einzig bei Staircase und Bullfighter bin ich nicht ganz bei Dir. Die Stücke machen das Album gerade noch etwas spritziger, sind temporeich und besitzen Klang. Und in den Live-Versionen kommen die Stücke besonders gut rüber. Whatever!
Ich hoffe ebenso, dass es noch eine Weile weitergeht, bin aber etwas skeptisch ob der Aussagen Mozzers in England letzte Woche. Vielleicht ist wirklich in Kürze Schluss mit Touren.

Beste Grüße - und macht weiter so mit Eurem Konzerttagebuch. Es gefällt mir!

Fends
twitter: FendsVauxhall

Nils Winkler hat gesagt…

Guter Bericht - ebenso der aus Neu-Isenburg! Auf dieser Tour war ich nur in Neu-Isenburg, mir hat's prima gefallen, deutlich rockiger als letztes Jahr, das steht Moz und der Band gut zu Gesicht.

Crashing Bores und You Have Killed Me hätte ich gerne auch gesehen/gehört, wobei ich aber auch froh bin, dass er One of Our Own in Neu-Isenburg gespielt hat. Meiner Meinung das vielleicht beste Lied der ganzen "World Peace"-Scheibe, und live ein wirkliches Highlight. Na ja, man kann nicht alles haben, meine Wunsch-Setlist würde ganz anders aussehen (Jack The Ripper!).

Das neue Ende von Speedway fand ich allerdings richtig schlecht. Klar, ein lustiger Gag, wie sie die Instrumente wechseln, aber das dramatische Ende ist einer von Morrisseys stärksten Momenten überhaupt, und das geht in der neuen Version komplett unter.

 

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