Konzert: Phonopop Festival
Ort: Rüsselsheim
Datum: 11. Juli 2015
Dauer: 8 h
Zuschauer: ca. 2000
Mein erster Ausflug zum Phonopop-Festival sollte zugleich auch mein letzter sein. Das 10-jährige Jubiläum nehmen die Veranstalter gleichzeitig zum Anlass, ihren Abschied bekannt zu geben und damit auch die Biografie des Phonopop zu beenden. Am Ende des Samstagabends bleibt mir die kleine Hoffnung, dass der Abschied vielleicht in wenigen Jahren rückgängig gemacht wird, wenn die Lust und Freude am Organisieren doch wieder groß genug und der Verlust dieses feinen Festivals zu schmerzhaft wird.
Dieses Festival war für mich eines der wohltuend kleinen und sehr feinen im großen Chor all der Sommerfeste, die um Zuschauer buhlen. Das beginnt mit einer sehr konsequenten Künstlerauswahl, dem Verweigern gegen Mode- und Radiotrends und dem Vertrauen auf den eigenen Geschmack und damit auf Künstler, die nicht jedem bekannt sind und damit bei den Besuchern immer wieder Entdeckerlust wecken. Das geht weiter bis zur liebevoll ausgestalteten Location im alten Opel-Werk in Rüsselsheim. Da wird für Erfrischung mittels Wassersprühschlauch gesorgt, da hängen große Origami-Vögel in den Bäumen und die Fenster auf dem Weg zwischen den beiden Bühnen sind nachts von innen stimmungsvoll beleuchtet.
Die beiden Bühnen des Festivals liegen 2 Höfe auseinander und werden abwechselnd bespielt, so dass man jede Band sehen und hören kann. Das spart Zeit beim Umbau und gibt jedem die Chance, alle Konzerte mitzunehmen und den Künstlern die Möglichkeit, alle Gäste vor ihrer Bühne zu versammeln. Außerdem bleibt man zwischen den Konzerten in Bewegung und für mich mit Kamera war es perfekt, um für die Fotos immer einen Platz in bester Sichtweite zu bekommen.
Inner Tongue
Als ich das Gelände betrete, spielen Inner Tongue gerade ihre letzten Songs. Die Wiener Band blieb mir daher nicht so recht in Erinnerung.
Caroline Keating
Ihr Album „Silver Heart“ begleitet ich seit geraumer Zeit immer wieder und deshalb freute ich mich auf ihren Auftritt besonders. Caroline Keating begleitete sich selbst an ihrem E-Piano und spannte einen Bogen über bekannte und neue Songs. So sparsam der Auftritt instrumentiert war so spannungsreich wirkte doch ihre Stimme und fesselten ihre Lieder die Zuhörer knappe 45 Minuten.
Still Parade
Die ersten Takte, die ersten Songs verbreiteten Sommergefühle und passten zu den Temperaturen. Irgendwie war es, als ob der Strand gleich um die Ecke lag. Still Parade aus Berlin werden mit ihrer Musik in der Kategorie Dreampop/Dreamfolk verortet, für mich spielten sie ziemlich luftige Popsongs und sorgten so schon für ausgelassene Stimmung und Erfrischung. Auf jeden Fall werde ich diese Band und ihre Entwicklung weiter verfolgen.
John Bramwell
John Bramwell ist der Sänger von I Am Kloot und hier und heute als Solist unterwegs. Gerade so hat er es vom Flughafen nach Rüsselsheim geschafft, dabei seine Gitarre aber am Gepäckband nicht bekommen. Die Organisatoren haben ihm schnell einen Ersatz besorgt und so Stand dem Konzert nichts im Wege. I Am Kloot habe ich vor 2 Jahren im Dresdner Beatpol gesehen und höre nun die Songs der Band in einem akustischen Gewand. Heute leben sie von John Bramwells Stimme und der Art, wie er die Songs ankündigt und dann vorträgt. Lustig ist es schon, wenn er verschiedene Songs mit den selben Worten ankündigt als Lieder, die vom Trinken und Problemen handeln. Dann versenkt er sich in die Akkorde, schließt die Augen und lässt die Songs über den Hof fliegen.
Tiger Lou
facebook.com/TigerLou.official 2008 veröffentlichte die schwedische Band ihr letztes Album „A Partial Print“ und begeisterte mich damit vollkommen. 2 Konzerte ihrer anschließenden Tour habe ich besucht und dann wurde es ruhig um die Band, ihr Frontmann Rasmus Kellerman veröffentlichte noch ein recht katastrophal belangloses Soloalbum und damit hatte ich die Band aufgegeben. Um so erfreuter war ich, als ich las, dass Tiger Lou an neuem Material arbeiten und für 3 Konzerte nach Deutschland kommen, unter anderem zum Phonopop. Tiger Lou waren für mich der Anlass, die Tickets zu holen und hierher zu kommen. Und sie enttäuschten mich nicht. Tiger Lou präsentierten sich in Bestform, wie man bei Sportlern sagen würde. Die typische Bandbesetzung erweiterte diesmal Amanda für 2 Titel an der Trompete. Es gab bekannte Songs der bisherigen Alben und 2 neue als Ausblick auf eine demnächst erscheinende EP. Tiger Lou spielten sehr energiegeladen und mit einer Spielfreude als wären sie nie weg gewesen. Die neuen Songs fügten sich nahtlos in das Gesamtkonzert ein und so war ich mit der Band versöhnt und freue mich auf weitere Konzerte und Veröffentlichungen.
Okta Logue
Wir nähern uns dem Abendprogramm und damit den beim Publikum bereits mehrheitlich bekannten Künstlern. Und Okta Logue gehören als Lokalmatadoren quasi dazu. Hier haben sich Pink-Floyd-Jünger gefunden, die Riffs weitergesponnen und eigene Songs daraus entwickelt. Mittlerweile gibt es 2 Alben, Okta Logue waren schon als Vorband von Portugal.The Man unterwegs, wo ich sie zum ersten Mal wahrgenommen habe. Beim Phonopop haben Sie die Akzente - absichtlich oder nicht - so auf die Musik gelegt, der Gesang war kaum zu verstehen. Für mich ein bisschen schade, für die Fans war das offenbar kein Nachteil, die Band wurde gefeiert.
Two Gallants
Diese Band war für mich wie ein Meteoriteneinschlag. Ich hatte bisher nichts von ihnen gehört und ließ mich an dem Abend einfach überraschen. Und dann begannen Adam Stephens und Tyson Vogel ihr Set mit Gitarre und Schlagzeug und spielten nach dem Motto, hier werden keine Gefangenen gemacht. Es gab von Anfang ordentlich auf die Ohren und mächtig Druck aus den Boxen. Dabei spielen die beiden schon auch die feinen Saiten und streicheln die Becken. Dennoch schien es mir immer wieder, als arbeiten sich Two Gallants an einer inneren Zerrissenheit ab und finden Zuflucht nur im Aufbau von Klangkaskaden und -gewittern. Kurz gab es Erholung für das Publikum, als Adam Stephens sich ans Piano setzte. So gewaltig sich der Auftritt in die Ohren und Augen prägte, so wenig berührte mich die Band innerlich.
TripAdLib
Nicht nur beim Kosmonautfestival gibt es geheime Headliner. Auch beim Phonopop war ein Überraschungsgast angekündigt. Aus Mainz kommt TripAdLib und spielt einen Clubsound den ich nur aus Konserven kenne. Anfangs war ich überrascht, neben 2 Computern auch Schlagzeug und Bass auf der Bühne zu sehen, mit zunehmender Dauer ist diese Art Musik für mich leider zu langweilig.
Inzwischen war es spät in der Nacht und meine Energie auf The Temples zu warten erschöpft. So gibt es von mir leider keinen Bericht zum Finale und der allerletzten Band des Phonopop. Bleibt der Gesamteindruck, dass ich dieses Festival leider viel zu spät entdeckt habe und es bleibt die schwache Hoffnung, dass das Phonopop vielleicht doch irgendwann wieder ersteht.
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