Freitag, 10. Juli 2015

Afenginn, Riehen, 08.07.15


Konzert: Afenginn Choirnevale
Ort: Alte Reithalle im Gut Wenkenhof in Riehen bei Basel
Datum: 8. Juli 2015
Dauer: 85 min
Zuschauer: etwa 150


Alles begann im Winter 2013 im Karlsruher Tollhaus. So ein verrückter Abend mit einer mir vorher unbekannten Band hatte einen Funken in mir gezündet. Aus diesem Funken entsprang schließlich eine heiße Liebe zum damals taufrischen Album Lux. Es verging kaum ein Tag, an dem ich es nicht hören musste und über Monate wurde auch die Sehnsucht groß, die Truppe wieder live zu sehen. Für das Frühjahr 2015 endlich hatte ich schon mein heimatliches Weimar auf dem Programm und würde meine dortigen Freunde alle am Schlawittchen ins wunderbare Mon Ami mitziehen. 




Aber die australischen Ärzte hatten Kim Nyberg nach einer Verletzung einen Zwangsaufenthalt verordnet, der zur Absage aller europäischen Konzerte im Frühjahr führte. Ich hatte schon geschaut, wie ich nun eines der Choirnevale Konzerte in Schweden möglich machen könnte, als ich die erlösende Entdeckung machte, dass eine Bahnfahrt nach Riehen bei Basel auch reichen würde. Wieder einmal dieses Stimmen Festival aus Lörrach, dass diesen Trumpf aus dem Ärmel zauberte! Ein Lob auf die Provinz, die nun schon seit 15 Jahren jedes Jahr neu einen Strauß bindet, der außer mit tollen Künstlern auch noch mit wunderbaren Bühnenorten punktet.


Diesmal war es ein gediegener Gutshof in einem Baseler Vorort, der mit seinem ehemaligen Reitstall so ein Kleinod beherbergt. Mit meiner Fahrkarte nach "Lörrach + City" aus Karlsruhe in knapp 2 Stunden zu erreichen - einmal Umsteigen in Basel. Ich war sehr neugierig auf den Ort und das Programm Choirnevale und war mir absolut sicher, dass es ein hervorragender Abend werden würde (*).  Sogar das Wetter machte schließlich mit - lauer Sommer, nicht die brutale Variante, die sich gerade fast eine Woche ausgetobt hatte.


Auf der Bühne würden vier mir bekannten Musiker spielen zusammen mit einem ganz neuem Mann am Rhythmus und einem am Marimbaphon. Und - wie der Name suggeriert - ein lokaler Chor - Contrapunkt Chor & Friends, insgesamt 9 Sängerinnen und 8 Sänger aus Argentinien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Israel, Italien, Kanada und der Schweiz - durfte die besondere Note setzen. Ab Basel war es ein wenig aufregend für mich, aber am Ende klappte es sehr gut mit dem Bus bis vor die Tür und ich hatte noch Zeit, mich dem herrlichen Park und der schönen Halle ein bisschen anzuvertrauen und anzukommen und willkommen geheißen zu werden.


Ich konnte mir meinen liebsten Platz direkt an der Bühne sichern und schlug Warnungen, dass es laut werden würde einfach in den Wind. Es füllte sich schließlich gut, wenngleich nicht bis auf den letzten Platz und als alle 23 Künstler die Bühne eingenommen hatten, war eine gespannte Erwartung in der Luft. Die aber gleich mit einem Lachen durchbrochen wurde: Soundprobleme verhinderten einen sofortigen Beginn und so musste zunächst Kim und dann auch die anderen ein bisschen Entertainer-Qualitäten herauskramen, um diesen verspäteten Auftakt nicht zu einem schlechten Omen werden zu lassen. Aber das schüttelten sie locker aus dem Ärmel und die Fotographen hatten am Beginn der zugestandenen 10 min Zeit gleich einmal alle Musiker mit dem herrlichsten Lachen abgelichtet.


Nach fünf Minuten improvisierter Einleitung ohne Musik startete das Konzert schließlich mit rhythmischem Atem und lautmalerischem Gesang des Chores. Im Kopf durfte der persönliche Film dazu anlaufen. Kim Nyberg, spielte die so typische Mandoline pizzicato  und mir wurde schlagartig klar: der erste Eintrag der Setlist des Abends war der titelgebende Song meines heißgeliebten Albums Lux. Das Licht durfte langsam erscheinen. Zunächst übernahm Niels Skovmand mit seiner Vionline und kurz später Rasmus Krøyer mit der Klarinette den Melodiebogen. Im Hintergrund sorgten derweil Erik Olevik am Cello und Knut Finsrud am Schlagzeug ganz dezent und fast unbemerkt für die Basis und Kaare Munkholm durfte an der Marimba tupfend Glanzpunkte setzen. 


Der hymnische Atem blieb zunächst bestimmend bevor der Wechsel zum E-Bass einen Wechsel des Duktus ankündigte. In der Tag brach ein wahrerer Teufelstanz auf der Bühne aus und es ist wohl nur Beweis ausgeprägter Behäbigkeit der Landsleute um Riehen (mich als Wahlkarlsruherin eingeschlossen), dass nicht alle aufsprangen, um wild zu dieser Musik zu tanzen. Es hielt mich wirklich kaum auf dem Stuhl. Iguana Segregatis vom Album Bastard Etno wurde zugespitzt bis man fast schon vom zuhören kurzatmig wurde. Der Chor freilich durfte nicht schnappatmen, sondern musste mittreiben, was er hervorragend erledigte.


Den Übergang zum nächsten Stück durfte der Bass mit einem Continuo setzen und die Bassklarinette bildete den musikalischen Partner für den Chor, der wieder hymnisch glänzte - diesmal über einem stampfenden Rythmus. Sehr spät erst setzten die so typische Mandoline und dann auch die Geige ein. Aber es wurde noch einmal alles gegeben. Der erste Applaus nach 25 min entludt sich beglückt. Die Atmosphäre hatte sich so aufgeladen, dass die Publikumszustimmung einfach überfällig geworden war.



Viele Passagen waren vertraut - wenn auch durch den Chor anders gefärbt, und oft überhöht, aber manches wohl auch neu komponiert für diese Besetzung. Vertraut war zum Beispiel Paxima, wo der Marimbaspieler zur Hochform auflief und anschließend jeder in der Band die Melodie aufnehmen durfte. Mir neu hingegen war Amore Memoriam, wo die Bassklarinette so schön rumbrummelte und es ganz stampfig und fast wütend zuging, wo es doch anscheinend um Liebe ging...



Andante mobile vom 2006er Album Akkrobakkus war mir auch nicht bekannt, da ich mich mit den früheren Alben nicht so recht beschäftigt hatte, saß doch Lux so fest auf dem Thron in meinem Herzen. Aber die elegische Stimmung nahm mich sofort gefangen und ich musste unwillkürlich in die immer wieder wiederholte Chormelodie mit einstimmen. Halb mit schlechtem Gewissen (hoffentlich fühlt sich mein Nachbar nicht gestört...). Aber wie auf Kommando trat Kim justament da an den Bühnenrand und forderte alle zum mitsingen auf. Das jagte mir Gänsehautschauer über den Rücken und war wohl der schönste Moment des Konzertes für mich, denn tatsächlich stimmten sehr viele mit ganzem Herzen ein.


Lumir  ist ein Kunstwort aus Schnee (Finnisch) und Frieden (Russisch). Es war das letzte Stück des regulären Sets und schaffte das Kunststück, den tiefen winterlichen Frieden in Tönen zu beschreiben mit seinem wunderschönen Melodiebogen und dem majestätischen Rythmus-shuffle. So dass einem der Klarinettenklang wie eine gedämpfte Trompete vorkommen musste. Das Publikum jedenfalls dankte anschließend mit Jubel und Applaus und verlangte nach mehr.


Als Zugabe wurde Andante Definibus vom ersten Album Retrograd (2004) geboten, sodass die Setlist des Abends den Bogen spannen konnte zwischen dem ersten Song des aktuellen Albums hin zum letzten Lied des ersten Albums.

Mein Fazit nach all der Vorfreude? Es hat sich so sehr gelohnt! Ein Abend, der all meinen Sinnen wohlgetan hat. Und diesmal sind mir sogar Fotos von der Bassklarinette geglückt. Leider gab es kein Waldhotel Solitaire... Sehr, sehr neugierig warte ich nun, was das nächste Album bringen wird!


(*) Trotzdem war bis zuletzt unsicher, ob ich fahren kann, weil ich etwas angeschlagen und malade war. Umso größer die Freude, dass es geklappt hat.

Aus unserem Archiv:
Afenginn, Karlsruhe, 02.02.13  

Choirnevale auf Youtube:
Spot Festival Teil 1, Teil 2 (Finale)
Jena mit Paxima und Amore memoriam

Tourstops Afenginn
11.07. Brüssel, Groentheater
08.08. Stockholm, Hesselby Slott
20.04. Bremen, Sendesaal
23.04. Geislingen, Rätschenmühle
24.04. Konstanz, K9
27.04. Waldshut, Ali Theater


Alle Bilder:

 


 

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