Donnerstag, 11. September 2014

Slowdive, Genf, 09.09.14


Konzert: Slowdive (& Blouse)
Ort: Maison communale de Plainpalais, Genf (La Bâtie Festival)
Datum: 09.09.2014
Dauer: Slowdive knapp 75 min, Blouse 40 min
Zuschauer: 300 - 400 



Daß mir Musik wichtiger als andere Leidenschaften (um das vollkommen ungeeignete Wort Hobby zu vermeiden) ist, sollte sich daran zeigen, daß ich über Konzerte und nicht über Spiele der 4. bulgarischen Fußball-Liga schreibe. Dabei hat der Sport und damit vermutlich auch die Sportbloggerei einen riesigen Vorteil gegenüber der Musikszene, er ist sehr viel gerechter. Natürlich verlieren auch drückend überlegene Mannschaften immer wieder einmal gegen Außenseiter und selbstverständlich wäre es auch gerecht, wenn Roger Federer jedes Grand Slam Turnier gewänne, Oliver, in der Regel gehen Sportergebnisse aber in Ordnung. Bei der Musik ist das vollkommen anders. Am Tag als die dämlich selbstgefälligen U2 ihr neues Album 500 mio mal verschenkten und vermutlich damit auch in der Tagesschau auftauchten, spielten in Genf Slowdive vor vielleicht 400 Leuten in einem halbvollen Gemeindesaal.


Als ich im Mai zum Reunion-Konzert der nach fast 20 Jahren wieder aktiven Band fuhr, waren meine Erwartungen nicht übertrieben groß. "Slowdive waren damals live nicht besonders toll", hatte mir ein Freund mit auf den Weg gegeben. Das Konzert und die beiden danach, beim Primavera vor 20.000 Menschen und beim Best Kept Secret Festival in einem Zelt am späten Nachmittag waren brillant und die drei mit Abstand besten Auftritte, die ich dieses Jahr gesehen habe. Auch wenn es strenggenommen die Tour zum 1995 erschienenen Album Pygmalion ist, die Slowdive seit Mai auch nach Asien und demnächst nach Nordamerika führt (hoffentlich mit anderem Ausgang als damals), klingen die Stücke der Band überhaupt nicht altbacken, die Lieder sind zeitlose Schönheiten. Und wenn es irgendwem gelungen wäre, den hippen Musikfreunden einzuflüstern, daß nicht nur Alt-J der heißeste Scheiß sind, würden auch Slowdive heute in riesigen Sälen spielen und weit mehr Zuschauer begeistern. Aber wir sind ja leider in einem hochgradig ungerechten Umfeld, in dem der Champions League Teilnehmer weiter in der Oberliga kicken muß.

Ich hatte nach meinen drei sagenhaft guten Konzerten im Mai und Juni natürlich noch nicht genug von Slowdive. Das und meine unverschämt gute Selbstdisziplin und Vernunft, die mich vor bekloppten Ideen schützen, führten uns am frühen Dienstag-Abend in den kommunalen Versammlungssaal der Stadt Genf, in dem das La Bâtie Festival stattfand. Das Festival ist kein reines Musik-Fest. es bietet seit dem 29. August neben Konzerten (von Warpaint z.B.) DJ-Abende, Perfomances, Theater und Kunstinstallationen. Und Slowdive mit Vorgruppe Blouse.

Ein Schild am Eingang hatte angekündigt, daß Blouse um halb neun, Slowdive um halb zehn beginnen würden (warum macht man eigentlich nur in Deutschland so große Geheimnisse daraus, wann eine Band auf die Bühne geht? Soll das wirklich den Bierumsatz steigern, wenn die Leute aus Angst bewußt früh kommen?). 


Um halb neun war der große Saal noch erschütternd leer. Aber auch nachdem die Leute von den vielen Bars oder aus dem Innenhof mit Liegestühlen reingekommen waren, war das Bild noch recht traurig. Vielleicht 200 sahen sich das Vorprogramm an. Dabei waren Blouse weit mehr als bloße Beigabe. Mein letztes Konzert der Band aus Portland Ende letzten Jahres in Offenbach war nicht toll, es wirkte lahm (vor 25 Zuschauern). Da ich Blouse aber liebe und man nach einem Unfall sofort wieder auf die Ski steigen sollte, war ich sehr froh über die Ansetzung als Slowdive Support.


Und siehe da, obwohl auch in Genf vor allem Lieder des aus meiner Sicht schwächeren zweiten Albums Imperium gespielt wurden, war der vierzigminütige Auftritt Welten von dem in Offenbach entfernt!



Blouse scheinen jetzt offiziell zu fünft zu sein. Allerdings standen in Genf nur Sängerin Charlie Hilton, Schlagzeuger Jacob Portrait, Bassist Patrick Adams und Keyboarder und Gitarrist Arian Jalali auf der Bühne. Charlie hatte sich chic gemacht und trug ein mehrteiliges langes schwarzen Dings, Patrick seine BOY-Kappe und Jacob eine Art Netzhemd. Nur Arian hatte leider nicht mehr sein fantastisches Mickey-Mouse-Hemd an, das mich in Offenbach restlos begeistert hatte. 



Ich mag das Debüt Blouse lieber, weil es die besseren Einzelsongs hat. Riesenhits wie Videotapes, Time travel oder Firestarter fehlen auf Imperium. Daß das nichts macht, und daß ein Konzert vor einer alles in den Schatten stellenden Hauptgruppe und selbst ohne meinen Liebling Time travel hervorragend sein kann, zeigte dieser Abend aber beeindruckend! Blouse klingen manchmal nach Ladytron, manchmal nach Beach House und sind - obwohl ihre Lieder manchmal bewußt lustlos klingen sollen - alles andere als langweilig! Mich packte es sofort, der 40 minütige Auftritt war wundervoll und hätte zu gerne noch deutlich länger dauern dürfen! Aber, was ein Glück, Blouse kommen nächste Woche schon nach Köln ins King Georg, wo ich sie 2012 knapp verpasst hatte.

Setlist Blouse, La Bâtie Festival, Genf:

01: Imperium
02: Eyesight
03: Firestarter
04: White
05: In a glass
06: No shelter
07: 1000 years
08: Happy days
09: Arrested
10: Videotapes
11: Into black 


Und dann, mit einer mittlerweile gut halbstündigen Verspätung, begann wieder einmal eines dieser Konzerte, die die Gefahr bergen, zu pathetisch nacherzählt zu werden. Die Band kam zu Serge Gainsbourg auf die Bühne und begann mit den gleichen Stücken wie bei meinen anderen Konzerten im Frühsommer. Slowdive, Avalyn, Catch the breeze, Crazy for you und Machine gun. Von mir aus hätten sie allerdings auch nur eines dieser Stücke anderthalb Stunden lang spielen können, es wäre ein brillanter Abend geworden!


Ich weiß nicht, was es ist, daß mich so sehr für die Konzerte dieser "90er Band" begeistert. Natürlich sind die Songs großartig und treffen mein musikalisches Herz voll auf die 12. Aber das Besondere an Slowdive scheint zu sein, daß die Band diese tiefe Begeisterung, dieses Gefühl, ein perfektes und ganz spezielles Konzert zu erleben (auf das man 20 Jahre gewartet hat), wieder und wieder erzeugen kann. Jedenfalls bei mir. Ich gucke selten youtube Videos, ich gucke Künstler lieber ohne einen Computer zwischen uns an, das arte-Video vom Primavera-Festival mit When the sun hits und Golden hair habe ich jedoch zigmal nacheinander angesehen. Zu schön sind diese beiden Stücke live. Und da Slowdive einen brillanten Tontechniker haben, klingt die Musik dann auf der Bühne auch noch glasklar und wahrscheinlich besser als auf Platte. 


Es kostete sehr viel Selbstbeherrschung, nicht 75 min mit offenem Mund zuzugucken. Die Band stand zu nah vor uns auf der herrlich hohen Bühne. Mir war es schon peinlich genug, dümmlich und verliebt zu grinsen. Aber was soll man denn auch machen, wenn When the sun hits angestimmt wird? Ein besseres Stück werde ich dieses Jahr nicht mehr live sehen, Morrissey hin oder her.

Das Konzert war etwas kürzer als das im Village Underground in London (die beiden anderen waren Festivalauftritte). Slowdive spielen live Stücke aus einem Repertoire von etwa 15 verschiedenen Songs. Bei Clubkonzerten (und dazu zählte dieses offenbar), bei denen sie länger Zeit haben, gibt es Zugaben. In London hatte ich die Premiere von Rutti erlebt, in Genf waren Morningrise und 40 days die Zugaben. Man merkt diesem Absatz an, daß er ein reiner Füller ist, weil ich mich nicht traue, nur einen Dreizeiler über dieses Konzert zu schreiben. Aber eigentlich genügte das schon. Die Liveauftritte von Slowdive sind perfekt, dieser war keine Ausnahme!

Wenn ich nur einen solchen Musikabend alle paar Jahre erlebe, werde ich nicht zur Fußballbloggerei wechseln müssen. Und damit ich noch etwas auf der hohen Kante liegen habe, sehe ich Slowdive im Dezember wieder. Sonst wäre die Frage nach den Konzerten des Jahres ja auch jetzt schon entschieden.

Setlist Slowdive, La Bâtie Festival, Genf:

00: La femme des uns sous le corps des autres (Serge Gainsbourg - Intro)
01: Slowdive
02: Avalyn
03: Catch the breeze
04: Crazy for you
05: Machine gun
06: Souvlaki Space Station
07: When the sun hits
08: Alison
09: She calls
10: Golden hair (Syd Barrett Cover)

11: Morningrise (Z)
12: 40 days (Z) 

Links:

- Slowdive, Hilvarenbeek, 21.06.14  
- Slowdive, Barcelona, 30.05.14
- Slowdive, London, 19.05.14
- Blouse, Offenbach, 28.11.13
- Blouse, Paris, 19.02.12
- Blouse, Luxemburg, 10.02.12
- mehr Fotos vom Konzert in Genf



 

Konzerttagebuch © 2010

Blogger Templates by Splashy Templates