Konzert: Efterklang (Heather Woods Broderick)
Ort: Le Nouveau Casino
Datum: 28.04.2010
Zuschauer: nicht ganz ausverkauft
Konzertdauer: Heather Woods Broderick etwa 40 Minuten, Efterklang ungefähr 80 Minuten
Nicht das Konzert des Jahres. Waren Efterklang also deshalb gleich schlecht? - Keineswegs! Bloß, daß sie mich nun zum zweiten mal hintereinander nicht so begeistern konnten wie bei ihrem legendären Gig im Pariser Point FMR im April 2008. Und wie war Heather Woods Broderick? Herzallerliebst! Die Schwester von Peter Broderick, der wegen einer Knie OP heute nicht wie gewohnt zur Formation von Efterklang gehörte, trug ganz alleine an der Gitarre, aber unter zur Hilfenahme etlicher Loops, feine sphärische Songs vor, die stilistisch irgendwo zwischen Dream Pop und Folk lagen.
Wer es ausführlicher möchte, bitte schön:
So, diesmal war ich ordnungemäß akkrediert. Wollte ja nicht zum zweiten Mal in Folge im Nouveau Casino abgewiesen werden wie ein stinkender Fischer! Aber auch dieses Mal war das Prozedere ein wenig nervig, denn als das Mädchen an der Kasse ihre Gästeliste zückte, hielt ein bulliger Gorilla seine große Hand davor, so als wolle er verhindern, daß ich irgendeinen Namen lesen kann und mir mittels Identitätstäuschung den Zugang erschleiche. Seltsame Sitten greifen hier um sich...
Drinnen angekommen (der Sänger von Efterklang sollte die futuristische Location später witzigerweise "Batman Cage" nennen) war noch nicht allzu viel los. Es war kurz nach 20 Uhr und die bereits erschienenen Gäste warteten auf den Auftritt der inzwischen in Portland/Oregan , USA lebenden Dänin Heather Woods Broderick. Zum Glück war es nicht ganz so heiß wie dies aufgrund der deutlich gestiegenen Temperaturen draußen zu erwarten war. Ich legte dennoch meine Jacke ab, brachte mein Objektiv in Stellung und dann kam sie auch aus der Kabine gekrochen: Heather, die Schwester von Peter, dem großartigen Geiger! Sie selbst fiedelte nicht, sondern spielte einzig und allein auf einer Elektrischen. Sie war sehr zierlich und klein, aber enorm hübsch. Ein richtiges kleines Püppchen. Natürlich nur äußerlich, denn sie bot selbstredend keinen Mainstream-Zuckerpop, sondern eine Mischung aus Dream Pop und Folk. Ganz diskret drückte sie immer mal wieder Knöpfchen und trat auf Pedale , um mittels Looptechnik, gesampelte Passagen zu reproduzieren. Das gab dem Ganzen einen raumerfüllenden, schwebenden Klang, der sich über ihre schöne, naturreine Stimme legte. Mit ihrem Werk war ich allerdings nicht vertraut. Das Einzige, was ich über sie wußte, war, daß sie bei den famosen Horse Feathers mitmusiziert hat und natürlich, daß sie die Schwester von Peter Broderick ist. Die Künstlerin selbst half mir hinsichtlich ihrer Diskografie ein wenig auf die Sprünge. Da sie inzwischen in Portland/Oregan lebe und die Szene dort sehr spannend sei, habe sie an einem Sampler mitgewirkt, auf dem ein Lied von ihr, aber auch Songs anderer toller Acts aus der hippen Gegend enthalten sei. Desweiteren könne sie auch ihr Debütalbum From The Ground zum Verkauf anbieten. Von diesem Werk stammten dann natürlich auch die meisten Titel. Ich weiß nicht mehr genau, was sie gespielt hat, aber es waren definitiv ein paar der Perlen dabei, die man auf ihrer MySpace Seite genießen kann. Allein Cottonwood Bay, ein Traum oder?
Nach etwa 40 Minuten hatte Heather Woods Broderick fertig, aber ich war sicher, daß sie auch beim anschließenden Konzert von Efterklang mitwirken würde. Ich sollte recht behalten. Das süße Mädel hatte sich in der Pause umgezogen und kam mit einem sehr verführerischen Look zurück. Sie trug sexy Stiefelchen und türkisfarbene Strumpfhosen. Heiß! Die Spots waren aber leider immer auf den baumlangen Sänger Casper Clausen gerichtet. Der machte mal wieder Grinsemann und Söhne und lächelte auf Teufel komm raus. Ich glaube aber, daß das bei ihm nicht aufgesetzt ist und er einfach unglaublich nett ist. Oder hat er etwa vorher als Stewart oder der Sandwichkette Subways gearbeitet?
Begonnen wurde mit einem Doppelschlag vom neuen Album Magic Chairs und zwar Modern Drift und Alike. Leider fehlte die Geige von Peter Broderick, aber dafür war der Gesangespart wesentlich ausgeprägter als von alten Efterklang Stücken gewohnt. "There is nowhere to escape" wimmerte Casper und klang fast ein wenig wie ein anderer Skandinavier: Morten "A-ha" Harket". "Can you hear them calling" sang nun auch Heather den Refrain mit, bevor das Stück in einen instrumentalen Part abdriftete. Bei Alike sang der Hüne fast wie Chris "Coldplay" Martin aber auch wie der Typ von Alphaville und der Schlagzeugsound war sehr perkussiv. Aber vor allem: es gab eine Trompete! Ein gutes Lied, keine Frage, aber der Funke war noch nicht so richtig übergesprungen. Erst bei Mirador vom glänzenden Vorgängeralbum Parades wurde das Publikum wesentlich wacher. Herrliche Glöcken und Laptopgeplucker zu Beginn, ein gehauchter wolkenverhangener Gesang und Pauken und Trompeter im weiteren Verlauf machten deutlich, daß es wohl schwer sein wird das Album Parades und seine darauf enthalteten Hits zu toppen. Auch an das etwas später gespielte Caravan kam kaum etwas heran. Heroisch, verstörend schön, kraftvoll und elegant dieser Kracher! Nörgler wettern ohnehin gegen das neue Album Magic Chairs. Es sei zu poppig, zu wenig mutig und experimentell und fast kommerziell ausgefallen. Richtig ist, daß die neuen Stücke deutlich näher an konventionellen Songstrukturen orientiert sind, was man bei Modern Drift noch einmal gut sehen konnte. Wesentlich mehr Gesang als früher, einprägsamer und ohne große Brüche. Schön ist es trotzdem, gönnen wir Efterklang doch einmal ein Lied, das theoretisch im Radio laufen könnte. Jede Band braucht früher oder später einen Hit und Modern Drift hat die Qualitäten hierzu. Besser gefällt mir aber nach wie vor Cutting Ice To Snow, welches den offiziellen Teil wunderbar abschloß. Einzigartig, wie sich das Lied ganz langsam heranpirscht, nach ultralahmen Beginn immer dichter und dramatischer wird und gen Himmel strebt. Allein für Cutting Ice To Snow hatte es sich gelohnt, hier und heute dabei zu sein! Aber es gab ja sogar noch Zugaben, darunter eine B-Seite , die erstaunlich gut war und einen noisigen, fulminanten Abgang.
Ein gutes Konzert!
Setlist Efterklang, Nouveau Casino, Paris:
01: Full Moon
02: Alike
03: I Was Playing Drums
04: Mirador
05. Step Aside
06: Caravan
07: Blowing Lungs Like Bubbles
08: Harmonics
09: Raincoats
10: Modern Drift
11: Cutting Ice To Snow
12: Mirror Mirror
13: The Soft Beating
14: Me Me Me The Brick House
Konzerttermine von Heather Woods Broderick (ohne Gewähr):
29.04.2010: Grand Mix, Tourcoing
30.04.2010: VIP, Saint Nazaire
01.05.2010: Centrifugeuse, Pau
02.05.2010: La (2) de Apolo, Barcelona
04.05.2010: Init, Rom
06.05.2010: 1. Stock, Basel
11.05.2010: Gebäude 9, Köln
12.05.2010: Knust, Hamburg
13.05.2010: Rotown, Rotterdam
14.05.2010: Doornroosje, Nijmegen
Deutsche Konzerttermine von Efterklang (ohne Gewähr):
07.05.2010: Theater Freiburg, Freiburg
08.05.2010: Astra Kulturhaus, Friction Festival, Berlin
11.05.2010: Gebäude 9, Köln
12.05.2010: Knust, Hamburg
29.05.2010: Immergut Festival, Neustrelitz
14.08.2010: Haldern Pop Festival, Rees-Haldern
Tolle Fotos von diesem Konzert bei Robert Gil: Heather Woods Broderick, Efterklang
Aus unserem Archiv:
Efterklang, Paris, 03.10.09
Efterklang, Paris, 07.04.08
6 Kommentare :
Schöner Bericht! Aber wird hier nur noch aus Paris berichtet??? :-)
Nein, nein. Abteilung Deutschland ist gerade krank und kann daher nur lesen, nicht schreiben. Aber langsam werde ich narrisch ohne Konzerte!
Na dann gute Besserung, hoffe, es ist nichts schlimmes.
Danke!
Nein, nichts Schlimmes, nur sehr widerlicher und konzertuntauglicher Dauerhusten und so.
Okay, vielleicht ist es bis zum Kate Nash Konzert ja wieder gut... :-)
Gastautoren,die für das Konzerttagebuch aus Deutschland (oder Österreich, Schweiz) berichten wollen, sind natürlich herzlich willkommen. Und wir versuchen dann unser Bestes, um eine Akkreditierung für euch zu bekommen.
@ Christoph: Gute Besserung
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