Konzert: Emilie Simon
Ort: La Boule Noire, Paris
Datum: 12.04.2010
Zuschauer: ausverkauft
Konzertdauer: 75 Minuten
Ein Konzert zu Gunsten von Haiti, selbstredend eine gute Sache!
Organisiert wurde die Veranstaltung von der Boule Noire und einer Hilfsorganisation, die ein ganz konkretes Projekt, den Wiederaufbau einer Schule in Port au Prince, fördert. Die Künstler des heutigen Abends, Gaspard Royant und Emilie Simon verzichteten löblicherweise auf ihre Gage, die Zuschauer erhielten Zugang zum kleinen Konzertsaal mittels einer frei bestimmbaren Spende. 20 Euro wurden empfohlen und diese Summe und teilweise mehr haben die Gäste natürlich auch der guten Sache zukommen lassen. Auf Grund der geringen Größe der Boule Noire war die Platzkapazität aber sehr begrenzt, man musste eine E-mail an die Boule Noire schicken und wer zu spät kam, schaute in die Röhre. Ich war einer der Glücklichen, der früh genug geschaltet hatte und erhielt eine Bestätigungsmail, die ich an der Kasse vorzeigen musste.
Als ich eintrat, war der Franzose Gaspard Royant noch zu Gange. Ein Songwriter, den ich schon einmal in der Flèche d'or gesehen hatte und der mir besonders durch sein Duett mit der Folksängerin Marie-Flore in Erinnerung geblieben war. Marie-Flore glänzte heute aber durch Abwesenheit und Gaspard trug seine ansprechenden Songs alleine auf der Gitarre vor. Gekommen waren aber alle für eine: Emilie Simon! Ich sah mich im Saale um und erblickte mit einer einzigen Ausnahme kein einziges bekanntes Gesicht. So etwas passiert einem Konzertnerd wie mir nur noch sehr selten, selbst in einer Großstadt wie Paris. Woher kamen die Leute? Was war das für ein Menschenschlag? Dem üblichen Indievölkchen war er jedenfalls schon mal nicht zuzuordnen. Die Allermeisten hier kannten die kleine Boule Noire noch nicht einmal. Vor der Tür äußerte ein Mädchen, daß sie noch nie hier gewesen sei, andere fragten sich dämlicherweise, ob die Boule Noire bestuhlt sei. Was waren das für Armleuchter? In der Boule Noire hatte ich persönlich das allererste Konzert der Kaiser Chiefs gesehen (ein sensationeller Gig!), die Libertines waren schon hier und auch zum regelmäßig sehr gut besetzten Festival des Inrocks erschien ich desöfteren in der schwarzen Kugel. Wer den Schuppen nicht kannte, outete sich also als Mensch ohne Indie-Musikkultur. Dementsprechend sah das Publikum auch aus. Von hübschen Mädchen, die ansonsten die kleinen Clubs der Kapitale bevölkern, war weit und breit keine Spur und die Männer hatten die Ausstrahlung von Büroklammern. Ein spießiges, langweiliges Publikum. Ob so die Fans von Emilie Simon immer aussehen? Leute mit Glamourfaktor 0, die sich eine Sängerin ansehen, die mit ihrem gülden klitzernden Kleid Glamour pur verkörperte. Als wollten die Leute durch das Ansehen eines Konzertes der bildhübschen und leicht durchgeknallten Chanteuse einmal ihrem grauen, langweiligen Alltag entfliehen. Falls meine klischeehafte und oberflächliche Einschätzung zutrifft, waren die Damen und Herren aber genau richtig hier. Emilie Simon bot nämlich durchgängig beste Unterhaltung und gefiel auch mir mit ihrem elektronisch angehauchten Pop und der stark an Kate Bush erinnernden Stimme ganz ausgezeichnet! Ein gewisse Überaschung, denn ich war ein wenig skeptisch an die Sache herangegangen. Hauptbeweggrund waren für mich der Gute Zweck - die Unterstützug der notleidenden Bevölkerung von Haiti -, und die Chance, die Künstlerin mal in einem kleinen Club (Kapazität 200 Plätze) zu erleben. Normalerweise bespielt die Simon nämlich deutlich größere Locations, zuletzt das 1000 Personen fassende Casino de Paris.
Mit dem Werk der charmanten Französin war ich wenig vertraut, in meinem CD Regal befindet sich kein einziger Silberling von ihr. Dabei hat sie inzwischen bereits vier Longplayer auf den Markt gerbacht und zusätzlich Filmmusik zum Streifen La Marche de L'empereur beigesteuert. Dennoch war ich nicht ganz unbeleckt an die Sache herangegangen, denn die beiden Singles des letzten Outputs, Dreamland und Rainbow laufen bei MTV in Dauerschleife. Natürlich spielte sie diese beiden Hits, aber zusätzlich auch etliches anderes Material, das immer von ihrer markanten heliumgetränkten Stimme und zackigen, tanzbaren Rhythmen dominiert war. Langweile kam bei mir keine Sekunde auf, dazu war außer der Musik die Sängerin einfach zu charismatisch und liebreizend (was für ein schönes Lächeln!). Ein echtes Showtalent, diese Emilie Simon, die neben dem Keyboard auch eine seltsame Ipad-ähnliche Schalttafel benutzte* und außerdem an einem Arm verkabelt war* und damit mir unerklärliche Wellen in Bewegung setzte. Am Anfang dachte ich sogar, sie sähe ständig auf die Uhr! Schon ziemlich abgefahren, das Ganze! Aber selbst wenn sie den ganzen Schnickschnack mal bei Seite ließ, machte sie eine gute Figur. Bei zwei Stücken an der Akustikgitarre bewies sie, daß sie nicht unbedingt den elektronischen Firlefanz braucht, um zu überzeugen. Ihre Stücke trug sie übrigens im Wechsel auf französisch oder englisch vor und hatte bei den englischen Songs fast keinerlei französischen Akzent, was sicherlich auch damit zusammenhängt, daß sie inzwischen in New York lebt.
Alles in allem ein rundum gelungener Abend, der nach 75 Minuten mit einer Zugabe auf der Akustischen endete und das Publikum frenetisch jubeln ließ.
Setlist Emilie Simon, La Boule Noire, Paris:
01: Intro
02: The Devil At My Door
03: Dreamland
04: Fools Like Us
05: Opium
06: Desert
07: Chinatown
08: The Way I See You
09: Closer
10: Flowers
11: I Wanna Be Your Dog (The Stooges)
12: The Cycle
13: Rainbow
14: Ballad Of The Big Machine
15: Rocket To The Moon
16: Fleure De Saison
02: The Devil At My Door
03: Dreamland
04: Fools Like Us
05: Opium
06: Desert
07: Chinatown
08: The Way I See You
09: Closer
10: Flowers
11: I Wanna Be Your Dog (The Stooges)
12: The Cycle
13: Rainbow
14: Ballad Of The Big Machine
15: Rocket To The Moon
16: Fleure De Saison
* ein sogenanntes Tenori-On, ein von Japanern erfundenes elektrisches Musikinstrument, welches u.a. auch von Little Boots und Björk benutzt wird.
* das Teil heißt BRAAHS (Brissot Radio Acquisition for A Capella Hand Selector) und dient wohl als Stimmverzerrer, bzw. dazu, der Stimme einen besonderen Halleffekt zu verleihen.
Nicht verpassen: Emilie Simon im Admiralspalast in Berlin am 17. April 2010!
2 Kommentare :
zum einen muss ich gestehen das aktuelle album der dame nicht sonderlich toll zu finden, denn das hoert sich an, wie kate bush fuer mich - und fuer mich ist kate bush böse (zumindest ihre musik). zum anderen sehe ich jetzt nicht, wieso emelie mehr credibiel ist als melissa auf der maur. Zumindest finde ich deren zweitlingswerk sehr gelungen!
p.s. Ich weiß, dass ich hier einiges durcheinenaderschmeisse - und hauptsache, du hattest spaß!
Daß Emilie Simon stark nach Kate Bush klingt und ihre Musik Mainstream ist, kann man doch eindeutig meinem Text entnehmen,Oliver.
Und Melissa kann meinetwegen gerne auf ihrer Mauer hocken bleiben...
(aber bitte, bitte, jetzt keine Diskussion zu der Frau, sondern nur Kommentare mit direktem Bezug zu Emilie Simon)
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