Konzert: Balmorhea
Ort: L'Espace B, Paris
Datum: 13.04.2010
Zuschauer: 45 oder so
Konzertdauer: etwa 40 Minuten
Bloggerlieblinge live zu erwischen ist gar nicht so einfach wie man denkt, zumal wenn sie aus dem fernen Amerika kommen. Pitchfork rührt die Soße meistens schmackhaft an und topinformierte und trendige Blogs wie das famose Klienicum machen uns den Mund nur noch mehr wässrig. Zu dumm nur, daß die meisten gar nicht den Sprung über den großen Teich schaffen. Von den gefühlten 2374 neuen Tönen, von denen man bei Marathonläufer Eike (er redet zwar irritierenderweise immer von "wir", aber in Wahrheit steckt hinter dem geballten Fachwissen und der Informationsflut wirklich nur eine einzige Person!) täglich lesen kann, kamen geschätzte 14 nach Europa. Die anderen 2360 werden wohl nie ihre Töne auf dem alten Kontinent erschallen lassen. Ich beliebe ein wenig zu scherzen, bin aber von der Wahrheit nicht allzuweit entfernt.
Toll und außergewöhnlich deshalb, daß es Balmorhea aus Texas tatsächlich nach Paris geschafft haben. Da möchte man meinen, daß die bespielte Location, das Espace B, aus allen Nähten platzt. Schließlich hat doch auch die weltberühmte Blogothèque gerade eben erst eine Session mit Balmorhea abgedreht. Volle Hütte heute also? Denkste! Hochgerechnet 45 Zuschauer hatten sich schließlich eingefunden, darunter ein paar Leute, die in dem Laden arbeiten und eine handvoll Blogger (+ meine Freundin Valérie, die gefilmt hat). Den vollen Eintrittspreis von gerade einmal 8 Euro haben sicherlich höchstens 30 Musikfans bezahlt. Ich war einer von ihnen, denn ich finde, daß das Espace B nicht nur durch warme Worte unterstützt gehört. Und welche Band kann schon von wohlwollenden Artikeln von Bloggernerds wie dem Konzerttagebuch leben? Ist mir sowieso ein Rätsel, wie Sympathen wie die Jungs und Mädchen von Balmorhea diese Reise finanziert bekommen. Schließlich müssen unfassbar wuchtige und sperrige Instrumente wie ein Kontrabass oder ein Cello (und sogar ein Klavier, aber das war wohl gemietet) irgendwie transportiert werden. Von ihrer mickrigen Gage können sie vermutlich gerade mal den Gepäckzuschlag bezahlen. Tja, das Leben der Indiebands ist härter als die Morgenlatte und insofern geht es ihnen wie uns Bloggerpsychopathen. Viel Arbeit und Herzblut, keine Kohle. Aber es geht ja hier um Kunst und Leidenschaft (kommt vom Verb "leiden"), das sollte ja noch einmal betont werden! Und die Kunst, die klingt bei Balmorhea besonders schön! Eine ganze Streicherfraktion, bestehend aus einer Cellistin, einer Violinistin und einem Kontrabassisten und drei andere Burschen an Schlagzeug, Bass, Piano, Gitarre und vereinzelt Banjo sind notwendig, um diesen, nun ja nennen wir es Post Folk, live darzubieten. Anführer der taubstummen Bande (gesungen wird fast nie) sind Rob Lowe (nicht der Schauspieler) und Michael Muller und die beiden halten den Laden zusammen, wenn die Kakophonie überhand nimmt. Den andächtig zuhörenden Zuschauern wurde keine leicht zu konsumierende Kost serviert und beim ersten Lied fragte ich mich fünf Minuten lang (so lange dauerte ungefähr das zarte Pianointro), wann es eigentlich richtig los geht. Im Mittelteil ging dann tatsächlich sogar auch einmal der Gaul mit der ansonsten in Zeitlupe agierenden Truppe durch und ich wurde heftig aus meinem Tiefschlaf gerüttelt, in den ich verfallen war. Ha, wieder so ein Scherz, ich habe natürlich nicht geschlafen, sondern nur meditiert! Das konnte man nämlich wirklich ausgezeichnet zur Musik von Balmorhea. Die Amis spielten ein halbes Dutzend Lieder, die sowohl von ihrem aktuellen Outpout. Constellations, als auch vom Vorgänger All Is Wild All Is Silent stammten. Ganz zum Schluß gab es sogar ein nagelneues Lied, das mich ein wenig an die Dänen von Efterklang erinnerte. Es endete ziemlich abrupt und war das Signal dafür, vom Fußboden (wo die meisten saßen, die alten Wischmops!) aufzustehen und sich zum Merch zu bewegen. 10 Euro pro CD wurde verlangt, das Gesamtwerk hätte man also für 30 Euro erwerben können. Sicherlich günstiger als die Karte für die Dinosauerierband Foreigner, bei der mein Freund von Rockerparis heute im Grand Rex am Start war. Ob er Recht damit hat, auf angesagte Blogs zu pfeifen und sich stattdessen alte Schnulzen wie I Wanna Know What Love Is reinzuziehen? Natürlich nicht! Allein schon ein Stück wie Remembrance war das Kommen wert. Balmorhea sind toll, auch ohne viel Gesang! Schön, daß sie mir ins Netz gegangen sind!
Konzertdaten von Balmorhea (ohne Gewähr):
15.04.2010: Werkstatt, Chur, Schweiz
16.04.2010: Bad Bonn, Düdingen, Schweiz
17.04.2010: Alte Landi, Vinelz, Schweiz
19.04.2010: 007 Prag, Tschechien
20.04.2010: Societaetstheater, Dresden
21.04.2010: OPT, Wroclaw, Polen
22.04.2010: Haus 73, Hamburg
25.04.2010: Ekko, Utrecht, Holland
Super Video Balmorhea Rembrance von meiner Freundin Valérie Toumayan. Angucken!
Balmorhea - Take Away Show - Remembrance from valerie toumayan on Vimeo.
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