Konzert: Kaki King
Ort: Le Nouveau Casino, Paris
Datum: 11.04.2010
Zuschauer: fast ausverkauft
Konzertdauer: satte 2 Stunden
Was die Frau macht klingt nach nichts anderem, was ich zuvor gehört habe, wundert sich der Captain nach dem Konzert von Kaki King. Der Captain ist eine mysteriöse Figur im Pariser Nachtleben. Er verteilt regelmäßig Flyer vor den Clubs dieser Stadt, ist aber wesentlich mehr als ein bloßer Handzettelverteiler. Wenn der Bursche, der Anfang 40 ist, irgendwo reinwill, dann kommt er da auch rein! Er steht auf jeder Liste und kennt die Musikszene aus dem eff eff. Witzigerweise hatte ich ihn schon rund zwei Stunden vorher an anderer Stelle getroffen. Vor der Flèche d'or nämlich , wo Melissa auf der Maur angesetzt war. Das Comeback-Konzert der Kanadierin hatte ich eigentlich für den heutigen Sonntag eingeplant und ich war sogar schon in dem Laden drin, wo es stattfinden sollte. Dann aber nervten mich die Rahmenbedingungen dort ungemein. Mir wurde mein Fotoapparat eingezogen (ein Bridge, keine Spiegelreflex!) und den akkreditierten Fotografen wurde befohlen: nur die ersten zwei Stücke! Reglementierungen dieser Art kann ich verdammt noch mal nicht ausstehen. Musiker, die von sich behaupten, Rock'n Roller zu sein, über harte Hunde in der Politik wie George W Bush oder Sarkozy verbal herziehen und dann ihren eigenen Fans penibel genau vorschreiben, ob, wann und wie lange sie fotografiert werden dürfen, kann ich kaum ernst nehmen. Die schlimmsten in dieser Hinsicht sind die White Stripes. Lassen an jeder Stelle raushängen, wie Indie sie doch seien und lassen dann ihren Anhängern sogar die kleinsten und winzigsten Kameras am Eingang beschlagnahmen. So geschehen vor ein paar Jahren im Pariser Zénith. Vom Indie-und Punkspirit, den sie sich gerne an die Brust heften, sind diese Herrschaften weiter entfernt, als damals die Frau Ypsilanti zur Ernennung zur hessischen Ministerpräsidentin!
Ich also genervt raus aus der Flèche d'or und Richtung Nouveau Casino, wo Kaki King angesetzt war. Sowieso viel spannender und innovativer als Melissa auf der Maur. Und hübscher. Melissa wirkt stark gealtert (die Photos bei Robert Gil ein kleiner Schock) Katerine Elizabeth, aka Kaki King, wird von mal zu mal schöner. Bereits vor einem Jahr hatte ich sie an gleicher Stelle gesehen und einen prima Konzertabend verlebt. Vieles war ähnlich heute, von der Lightshow über die redseelige und kommunikative Art von Kaki King bis hin zu den dramatischen und komplexen Songs. Nur bei ihrer Begleitband gab es einen Wechsel. Der Lockenkopf, der in dieses seltsame, klarinettenartige Instrument blies, war noch der Gleiche, der Drummer jedoch ein anderer. Gerade der Trommler aber verdiente sich heute Bestnoten, sein Spiel war druckvoll, präzise und pfurztrocken. Ganz lässig verteilte er seinem Fell die übelsten Hiebe und unterstützte damit Kaki Kings innovatives Gitarrengeschrammel aufs Beste. Der instrumentale Teil war heute besonders wichtig, denn die Musikerin hatte ... dummerweise ihre Stimme verloren! "I lost my voice in Amsterdam", teilte sie schon gleich zu Beginn entschuldigend mit. Insofern ein großes Glück, daß heute höchstens 4-5 Lieder einen Gesangespart hatten, der Rest war rein instrumental. Langweilig wurde es trotzdem nie, im Gegenteil. Wobei klar sein sollte, daß bei Kaki King teilweise höchste Konzentration erforderlich ist. Wenn sie wie heute im Mittelteil des Sets, drei Lieder hintereinander nur mit ihrer Gitarre bestreitet und diese mal wie ein Bongo, mal wie eine Rasierklinge benutzt und sonstige schwer beschreibliche Dinge mit ihrem Instrument anstellt, dann ist das schon weit von konventionellen Songstrukturen entfernt. Dennoch verliert sie nie den roten Faden, es gibt immer ein bestimmtes Thema, eine kleine Melodie, zu der sie zurückfindet, egal in welche Gefilde sie zwischenzeitlich vorgedrungen war.
Anlaß ihrer Europa Tournee, die mit dem heutigem Paris Gig ihren Abschluß fand, war die Promotion ihres aktuellen Albums Junior, das mit zahlreichen Perlen aufwarten kann. Allein schon der großartige und fast eingängig klingende Opener Falling Day war das Kommen wert, trotz der dünnen und kratzigen Stimme von Kaki King. Und wer kann schon mit solch großartigen Songtiteln wie Everything Has An End, Even Sadness oder Hallucinations From My Poisonous German Streets? Sensationell, welch dichte Atmosphäre die geniale Künstlerin aufbauen kann, durch wieviele Stimmmungen sie die verdutzten Zuschauer wandern lässt! Das ist experimentaler Gitarrenrock, der interessanterweise trotzdem nicht das Siegel "Postrock" trägt. Hier gibt es keine meterhoch aufgetürmten Gitarrenwände wie man sie herkömmlicherweise kennt, stattdessen bleibt Platz für Improvisation und Beschreiten neuartigen Terrains.
Ein fulminantes, hochgradig kreativ Konzert also, daß mit Gay Sons Of Lesbian Mothers seinen krönenden Abschluß fand. Das einzige, was den Fluß ein wenig störte, waren die langen "Laberparts" zwischen den einzelnen Stücken. Kaki ist eine alte Quasselstrippe, die wenn sie richtig in Fahrt kommt, gar nicht mehr mit dem Reden aufhören kann. Auch die eine Szene, in der die Musikerin Champagner mit ihrer Truppe trank, zog sich ewig lange hin und ich war froh, als wieder Musik ertönte. Aber man kann der New Yorkerin irgendwie nichts übel nehmen, dafür ist sie einfach zu nett und liebenswürdig. Gesellig und offen wie sie ist, schrieb sie im Anschluß dann auch noch ausgiebig Autogramme.
Setlist Kaki King, Nouveau Casino, Paris 2010:
01: Falling Day
02: Bone Chaos In The Castle
03: Life Being What It Is
04: Can Anyone Who Has Heard This Raelly Be A Bad Person?
05: Goby
06: Break
07: Doing The Wrong Thing
08: Everything Has an End Even Sadness
09: Jessica
10: II
11: Hallucinations From My Poisonous German Streets
12: You Don't Have To Be Afraid
13: Zeitgeist
14: Gay Sons Of Lesbian Mothers
Aus unserem Archiv:
Kaki King, Paris, 01.04.09
- mehr Photos von Kaki King hier
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