Dienstag, 20. April 2010

The Besnard Lakes, Paris, 19.04.10


Konzert: The Besnard Lakes

Ort: Bus Palladium, Paris
Datum: 19.04.2010
Zuschauer: nicht ganz ausverkauft, etwa 250
Konzertdauer: 80-85 Minuten


Der Vulkanstaub über Europa fordert die ersten Konzertabsagen. Heute traf es die Schweden Shout Out Louds, die nicht wie geplant ihr ausverkauftes Konzert im Scopitone geben konnten. War mir persönlich allerdings schnuppe, denn ich hatte ohnehin den Gig der kanadischen Besnard Lakes rot im Kalender eingetragen. Und die Band aus Montreal trat auch wirklich an. Schon kurz vor Beginn der Show ließ sich der Sänger der vierköpfigen Truppe kurz auf der Bühne blicken und ließ mich heftig schmunzeln. Mit seiner langen lockigen Matte und der riesigen Fliegerbrille sah er aus wie Horst Schlämmer! Geil! Auch sein schwarzes Cowboy Hemd war cool. Der Abend würde super werden, soviel war jetzt schon klar!

10 Minuten später ging es mit heftigen Nebelschwaden im Bus Palladium los. Ein Club, der Kultstatus hat und schon seit Ewigkeiten existiert, allerdings erst seit kurzem wieder mit Konzerten begonnen hat. Gelegen ist er im puffigen Pigalle Viertel und auf dem Weg dorthin kam ich an den ältesten und ekelsten Huren vorbei, die man sich nur vorstellen kann. Ob Frank Ribery und seine Nationalmannschaftskollegen hier in der Gegend verkehren? Kaum vorstellbar, minderjährig ist hier keine von den Animierdamen, im Gegenteil...

Zurück zum Konzert. Das Begann so wie ich mir das erhofft hatte: höllisch laut und mit psychedelischen Gitarren. Mein Freund Philippe D. hingegen schien etwas enttäuscht. Er hatte in Zeitschriften Vergleiche mit den Beach Boys aufgeschnappt, aber so poppig wie Brian Wilson und seine Kumples klangen Leader Jace Lasek, seine Bass spielende Frau Olga Goreas, Gitarrist Richard White und Drummer Kevin Laing höchstens bei dem softesten Titel For Agent 13 (ein Highlight!). Stattdessen war ihr Sound schwer, manchmal fast metallisch und ohrenbetäubend. Die Stimme von Horst, ähem Jace klang einfach sensationell! Ließ er das Falsett ertönen, erinnerte er an Justin "Bon Iver" Vernon (Beispiel: Disaster), sang er trockener und tiefer, kam mir immer wieder Alan "Low" Sparhawk (And You Lied To Me) in den Sinn. Ohnehin konnte man mühelos zahlreiche heraushörbare Referenzen auflisten. Pink Floyd (Disaster), Led Zeppelin, ELO (Like The Ocean, Like The Innocent), aber auch Bands aus den Neunzigern wie My Bloody Valentine (Albatros), die Flaming Lips (Devastation) und Spiritualized oder die Band Of Horses (Chicago Train) und Black Mountain aus der Gegenwart. Dennoch klangen die Besnard Lakes völlig eigen. Ihre faszinierende Mischung aus 60ies Pop, psychedelischem Rock, Progrock und Shoegaze hatte etwa Berauschendes. Das Publikum, bestehend zur einen Hälfte aus den eher feisten und wenig stylishen Anhängern des Classic Rock und zur anderen Hälfte aus dem hübscheren Indievölkchen, hatte seine helle Freunde. Schade, daß nicht mehr Frauen da waren, der Männeranteil dürfte mindestens 70 % betragen haben! Wahrscheinlich sind die Besnard Lakes zu hart und zu wenig gezuckert für zarte Mädchenohren...

Für den weiblichen Charme musste also die Bassistin und Sängerin Olga sorgen. Verdammt cool, wie sie ihr Instrument hielt und immer mal wieder einen Arm in die Luft riss, um ihrem Feuereifer Ausdruck zu verleihen! Ihr Gesangespart war wesentlich ausgeprägter, als ich das erwartet hatte. Da ich nur im Besitz des hervorragenden zweiten Albums The Besnard Lakes Are The Dark Horse war, auf dem sie kaum (Ausnahme Because Tonight) trällern durfte, konnte ich nicht ahnen, daß sie nicht nur für die Backing Vocals zuständig ist. Albatross , ein Killersong, ging auf ihre (nicht vorhandene ) Kappe. Aber logischerweise hatte ihr Gatte dennoch den Löwenteil am Gesang. Und wie ein Löwe fletschte der langhaarige Heißsporn auch bisweilen die Zähne! Fast wie ein Heavy Metal-Musiker rockte er immer wieder wild ab und lieferte sich in einer spektakulären Szene ein headbangendes Duel mit seinem Weibe. Und wie hoch er mit seiner Stimme bei dem wunderbaren Chicago Train, kam, der Wahnsinn! Auch bei Disaster durchdrang seine Kopfstimme das Bus Palladium und der Song war sogar noch eine Zacken schärfer als Chicago Train.

Fast eine Stunde lang klopften die vier englischsprachigen Kanadier (sie leben in Montreal kommen aber von der Westküste) das Pariser Publikum windelweich, dann zogen sie nach einem epischen und mit Wucht vorgetragenen And You Lied To Me zum ersten mal Leine. Aber sie kamen wieder und legten noch einmal nach. Mit Rides The Rails schossen sie mich endgültig waidwund. Ein profund schöner Titel, der noch nicht den Schlußpunkt setzte. Nach heftigem Applaus kamen die vier Helden nämlich noch einmal wieder und hatten erst nach Capo* endgültig fertig.

Ein astreines Konzert einer famosen Band! Stark wie eine Flasche voll und nicht schwach wie eine Flasche leer!

Setlist The Besnard Lakes, Bus Palladium, Paris:

01: Like The Ocean, Like The Innocent Pt.
02: Devastation
03: For Agent 13
04: Glass Printer
05: Land Of Living Skies Pt.1: The Land
06: Chicago Train
o7: Albatross
08: Light Up The Night
09: And This Is What We Call Progress
10: Disaster
11: And You Lied To Me

12: Light Up The Night
13: Rides The Rails

14: Capo*

* Ich glaube das ist irgendein Kürzel. Ich denke sie haben On Bedford And Grand gespielt.



3 Kommentare :

Christoph hat gesagt…

Ich finde ja, er sieht eher aus wie dieser eine Typ aus Little Britain - der gutmütige Kumpel des Herren im Rollstuhl.

Aber von Horst Schlämmer hat er auch was...

Christina hat gesagt…

Nichts für zarte Mädchenohren? Pah! ;)

Oliver Peel hat gesagt…

@ Christoph: Ich gucke viel zu selten gute Filme, deshalb kann ich mich zu deinem Vergleich nicht äußern

@ Christina: Du magst die Besnard Lakes, ja? Du hast eben einen guten Geschmack! :) (Rechne Dir ja auch hoch an, daß Du Built To Spill sehr schätzt, da sind auch immer viel zu wenige Frauen bei den Konzerten)

 

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