Freitag, 27. März 2009

The Rodeo, Paris, 26.03.09


Konzert: The Rodeo
Ort: L'Européen, Paris
Datum: 26.03.2009
Zuschauer: ausverkauft (ca. 350)
Konzertdauer: ca. 75 Minuten



Alle waren sie ins Européen gekommen, um Dorothée Hannequin aka The Rodeo zu sehen. Morgane Imbeaud, der weibliche Teil des enorm erfolgreichen Duos Cocoon, die von The Rodeo bei ihrem Triumph im kultigen Pariser Olympia im Januar supportet wurde; Aurélia, neben Dorothée die zweite Sängerin der inzwischen aufgelösten Indierockband Hopper, die zwischen 1999 und 2008 zahlreiche energiegeladene Konzerte gegeben hatte (u.a. auch im Zenith im Vorprogramm von Indochine) und es auf zwei hervorragende Alben brachte; Jean-Yves, Bassist von Syd Matters und am Ende auch Bassist von Hopper; Olivier Marguerit und Rémi Alexandre, die beiden Gitarristen von Syd Matters, die bei einem Lied auch einen Gastauftritt an der Flöte hatten; Ludomatic, der Videofilmer (u.a. Clips für Cyann & Ben), der von Hopper noch im Jahre 2008 einen tollen Dokumentarfilm über deren China-Tournee (!) gedreht hatte und der auch schon Konzerte von Herman Düne und anderen Größen eklusiv auf Zelluloid bannte; Gaspard und Xavier von Justice; Emma Daumas, Sternchen und Sängerin, die bei der Casting Show Star Academy entdeckt wurde und die sich schon sehr früh als Fan von The Rodeo geoutet hatte; die Mutter von Dorothée (eine Japanerin) und zahlreiche Freunde und Weggefährte, die zum Großteil von Beginn an den Solo- Werdegang von The Rodeo verfolgt haben, als Hopper bereits halb im Sterben lag. Und schließlich ich selbst (der Esel nennt sich immer zuletzt!), Fan der ersten Stunde und eifriger Begutachter der Konzerte von The Rodeo, die teilweise in sehr kleinen Räumen stattfanden.

Zu dieser Schar von Eingeweihten und Vertrauten gesellten sich auch noch einige Neufans, die möglicherweise über die nicht zu übersehende Werbung für das Konzert in Pariser U-Bahnstationen gestolpert waren. Kein Zweifel: The Rodeo wird immer bekannter!

So war es dann auch nicht weiter verwunderlich, daß das Européen- ein relativ kleiner, hörsaalähnlicher Raum, in dem ich schon Größen wie Joanna Newsom, die Two Gallants und Bill Callahan gesehen hatte, aus allen Nähten platzte. So dicht waren die Zuschauer hier noch nie zusammengerückt. Normalerweise ist auch die Fläche vor der Bühne bestuhlt, aber heute saßen die Leute statt auf bequemen Stühlchen auf dem nicht unbedingt sauberen Fußboden. Eine Sache, die ich nicht besonders schätze, da mir immer ziemlich bald die Füße einschlafen und ich stattdessen viel mehr Lust habe, mich zu bewegen. Aber ich mußte mich dem Mehrheitsvotum der Leute, die lieber im Schneidersitz kauerten, beugen.

Franz Is Dead hatte die Leute schon einmal gut aufgewärmt (als wäre es in dem brütend heißen Européen nötig gewesen!) und nun fieberten alle dem Auftritt von The Rodeo entgegen. Die ließ sich dann auch pünktlich blicken und wie eigentlich fast immer, war sie auch nicht allein gekommen. Zu ihrer Stammbesetzung gehört Jean, der omnipräsente Drummer, und in vielen Fällen auch ein männlicher Violinist. Mit Jean hatte ich aber nicht unbedingt gerechnet, denn der vielbeschäftigte junge Mann (er spielt in circa 15 Pariser Bands, ohne Übertreibung!) war vor kurzem noch mit der Band Tahiti Boy vier Tage beim texanischen Festival SXSW im Einsatz. Aber Dorothée lässt er nicht so einfach hängen, mit der hat er schließlich bei Hopper schon so manche Schlacht geschlagen! Er war also pünktlich zum heutigen Konzert wieder in Paris und genauso wie der Geiger mit Einsatzfreude dabei.

The Rodeo begann mit altbekanntem Material von ihrer ersten EP, schlicht My First EP by The Rodeo betitelt. Passenderweise hieß das erste Stück People Know, das die meisten hier in der Tat kannten. Die Sängerinnen mit der knarzigen, krazigen Countrystimme war blendend aufgelegt, sie war leichtfüßig unterwegs und nutzte den Raum auf der Bühne voll aus. Sie ist keine, die nur am Mikro klebt, sondern eher eine Raubkatze, die auf und abwandert, um sich freizuspielen. Dieser Einsatz wurde honoriert: Der Applaus, der nach circa. 3 Minuten aufbrandete, war schon fast so groß wie bei einer Zugabe, man unterstützte die Künstlerin vollkommen! Das tat ihr sichtlich gut und sie legte noch mehr Feuer in ihre Performance. Logischerweise hieß der zweite Song dann auch Feel The Fire. Ein Titel, der gut zu der Persönlichkeit der Französin passt, denn hinter dem manchmal etwas bockigem Gesicht versteckt sich eine Frau, in der ein Vulkan brodelt. Zwar ist sie mit ihrem Soloprojekt etwas gezähmter und auch deutlich folkiger als noch bei Hopper, aber die Rockerbraut steckt immer noch in ihr drin. Ein französisches Cowgirl mit Punk- bzw. Grungewurzeln, die genau wie Scout Niblett als Jugendliche viel Nirvana gehört haben dürfte. Heute ist sie aber immer stärker von Folkmusikern beeinflußt, ich traf sie sowohl beim Konzert von Bon Iver als auch bei den Fleet Foxes und Josh Tillman.

Natürlich hat sie aber auch den Hitparadenkram aus den 80 ern gehört, ihre ganz eigene Coverversion von Boy Georges Do You Really Want To Hurt Me ist dafür ein guter Beweis. Bis zu jenem Kulthit hatte sie nur altes Material gespielt, nun aber zauberte sie die neuen Sachen reihenweise unter dem nichtvorhanden Hut hervor. Das tolle On The Radio ist wohl jetzt schon für das Ende 2009 erscheinende Album gesetzt, die anderen Neuheiten wie Modern Life, Hand Shadows oder Bird landen möglicherweise auf der zweiten Ep, die schon im Mai veröffentlicht werden wird. Die Sachen gefielen mir schon jetzt sehr gut und weisen auch Unterschiede zu dem alten Stoff auf. Die Dame wiederholt sich nicht, sondern feilt ständig an neuen Ideen und Strukturen, das ist sehr positiv zu werten.

Little Soldier hingegen ist zwar auf der ersten Ep nicht drauf, hat aber schon ein paar Jährchen auf dem Buckel. Die countrylastige Nummer, bei der man wie ein Cowboy durch den Saloon hüpfen konnte, wurde auch schon einmal in einer charmanten ,
abgespeckten Akustiksession mit der berühmten Blogothèque eingespielt (hier zu bewundern), die The Rodeo schon früh entdeckt hat.

Mein absolutes Lieblingslied bleibt aber nach wie vor das tiefmelancholische Winterlands, das auch heute seine nahegehende Wirkung bei mir nicht verfehlte. Dorothée greinte, hauchte, keifte, was das Zeug hielt, sie gab sich heute besonders viel Mühe, wollte niemanden enttäuschen. Und das wurde mit sehr viel warmem und langanhaltendem Applaus belohnt. Auch ihre Band machte eine gute Figur, Jean, der Barfuß agierte, spielte nicht nur Schlagzeug, sondern glänzte auch am Akkordeon und der Ukulele und Olivier und Remy von Syd Matters steuerten sogar gemeinsam mit dem Geiger ein richtige Flötenpassage bei. Toll!

Aber wie das nun einmal so ist.: Alle schönen Dinge gehen irgendwann zu Ende und mit I'm Gonna Leave You (womit auch sonst?), verließ uns The Rodeo das erste Mal. Solo performte sie dann noch einen der besten Songs des Abends My Ode To You Cha Cha Cha, bei dem sie völlig neue und faszinierende Facetten ihrer Stimme zeigte. Zusammen mit der Band gab es dann noch die Weisheit Love Is Not On The Corner mit auf den Weg und das Européen tobte minutenlang. Gerührt wurden Verbeugungen vollführt, Kusshände ins Publikum geworfen und schließlich der Abgang vollzogen.

Eine rundum gelungene Performance, vollbracht in einem Saal, der nur Zwischenstation sein kann. Auf dem Weg in... die Cigale!

Setlist The Rodeo, L'Européen, Paris:

01: People Know
02: Feel The Fire
03: Your Love Is Huge
04: Hard To Say
05: Do You Really Want To Hurt Me (Boy George Cover)
06: On The Radio
07: Modern Liefe
08: Hand Shadows
09: Little Soldier
10: High Resolution World
11: Bird
12: Winterlands
13: I'm Gonna Leave You

14: My Ode To You Cha Cha Cha
15: Love Is Not On The Corner Or In The Neighborhood




 

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