Samstag, 14. Februar 2009

Robocop Kraus & Parts & Labor, Saint Ouen, 13.02.09


Konzert: Robocop Kraus & Parts & Labor (Jordan)

Ort: Mains D'Oeuvres, Saint Ouen
Datum: 13.02.2009
Zuschauer: so einige
Konzertdauer: Jordan 30 Minuten, Parts & Labor knapp 40 Minuten, Robocop Kraus 50 Minuten



Ich habe einen neuen Lieblingsclub. Das Mains d'Oeuvres in Saint Ouen bei Paris. Davon hatte ich ja schon in letzten Posts geschwärmt und da ja sowieso jeder musikinteressierte Mensch täglich das Konzerttagebuch liest (ach was sage ich da, liest passt nicht, verschlingt wäre der treffendere Ausdruck, haha!), brauche ich an dieser Stelle auch nicht mehr auf die tolle Location einzugehen.

Erneut erwähnt werden, sollten aber die jungen Damen der Summery Agency, die nicht nur den heutigen Abend perfekt organisierten, sondern sich auch um das Booking solch famoser Künstler wie Sam Amidon, The Brunettes, Oh No Oh My, Land Of Talk, Papercuts, Ora Cogan, It Hugs Back, Pony Up, Crystal Stilts und vieler vieler anderer kümmern. Bravo!

Auch das französische Trio Jordan gehört ihrer "Familie" an, aber - Ausnahmen bestätigen nun einmal die Regel - mit ihrer Musik konnte ich mich nicht sonderlich anfreunden. Indierock im Stile von Mars Volta bzw. At The Drive In, bei dem bis zur Heiserkeit geschriehen und gekrächzt wird, war noch nie meine Tasse Tee. Ich konnte auch den Blood Brothers oder ähnlichen Bands, die vor circa. 4 - 5 Jahren gehypt wurden, nicht viel abgewinnen, warum sollte das dann bei Jordan, deren erstes Album Oh No! We Are Dominos! von Jay Pellicci produziert wurde, der auch schon bei den Indiegrößen Deerhoof und Erase Errata an den Reglern saß, anders sein?

Immerhin: Ein paar Leute haben zu den stampfenden Rhythmen getanzt und insofern war die Krächzerei auch nicht ganz für die Katz...

Als Jordan mit ihrem Programm durch waren, war die Zeit gekommen, sich etwas die Füße zu vertreten. Das Mains d'Oeuvres ist ein Kulturzentrum, in dem es mehrere Konzerträume gibt und auch einen Aufenthaltsbereich mit Bierausschank und Sitzgelegenheiten. In der DDR hätte man zu solch einem Laden wohl Jugendclub gesagt und ich kann schon verstehen, daß da manche Leute ein wenig nostalgisch werden.

Die Getränke sind hier für Pariser Verhältnisse günstig und wer Single oder noch ohne musikbegeisterte Freude in der anonymen Großstadt ist, kann hier ganz gut Kontakte knüpfen, so ganz ohne Internetanschluß. Man sagt einfach "Hallo, ich heiße Torsten Mustermann aus Musterstadt und finde das Programm ganz dufte hier" und schon ist das Eis gebrochen! Mindestens 3 meist spannende Bands zu zivilen Preisen, da kann man aber wirklich nicht meckern! Das Ganze hat deshalb ziemlich studentischen Charakter und auch da kommt ein wenig Wehmut auf. Waren das nicht noch wunderbare Zeiten damals an der Fu Berlin? - Na ja gut, das Studium der Rechtswissenschaften an sich war ja eher dröge, aber das Rumgammeln in der Kaffeetheria, das hat mir immer sehr gut gefallen! Da saß man so schön bei seinem 25. Becher Kaffee, dachte kurz darüber nach, ob man sich angesichts der endlosen Paukerei für das Examen nicht besser gleich das Leben nehmen sollte, verwarf die trüben Gedanken aber, wenn man die hübschen Studentinnen mit ihren adretten Blüschen, ihren Perlenketten von Oma und den obliagtorischen Barbourjacken am Nebentisch sah. Ja, von denen würde man sich später gerne einen Marmorkuchen backen lassen, gemeinsam ein Haus am Wannsee kaufen und einen Hund - vorzugsweise einen Labrador oder Golden Retriever - nehmen. So träumten wir Spießer vom Fachbereich Jura damals und die Studenten der Politikwissenschaften am nahegelegen Osi fanden uns deswegen schon immer scheiße. Wenn ich mir alte Fotos aus dieser Zeit ansehe und entsetzt die ganzen Schlauberger mit ihren Hemdchen und Jacketchen (mich inklusive) erblicke, kann ich schon verstehen, warum die Osi-Leute uns beknackt fanden. Aber: Sahen die denn besser aus, mit ihrem Schlabberlook, den zersausten Haaren und den ungepflegten Bärten? Pah, die kamen mit ihren verbeulten VW Bussen an und spülten jeden Morgen erstmal ihren scheiß Kaffeebecher aus Keramik, der nach der Benutzung fein säuberlich an einem Nagel hing. Das war ja wohl auch so was von spießig, haha!

Meine Devise war: Einweg satt Mehrweg, der (übrigens scheußlich schmeckende) Kaffe wurde von mir ausschließlich in Plastikbechern konsumiert, die ekligen Tassen kamen mir nicht ins Haus...


Komischerweise erinnerte mich heute irgendwie vieles an die vermeintlich glorreiche Unizeit. Auch die beiden Chefmusiker von der Brooklyner Band Parts & Labor passten da genau ins klischeehafte Bild. Der Bassist sah mit seinem Zauselbart und seiner schwarzen Hornbrille aus wie eine jüngere Ausgabe meines ehemaligen Geschichtslehrers, der sich damals selbst als Trotzkist oder so etwas in der Art bezeichnete. Ich mochte diesen Lehrer unglaublich gerne, der hatte zwar seltsame politische Vorstellungen, dafür aber eine Menge Humor und er lachte auch noch , als wir ihn einmal halb scherzhaft, halb provozierend fragten, ob er nicht mit uns zu einer Friedensdemo wolle, Ökos verprügeln. "Bin doch selber einer, ihr dummen Arschlöcher!", prustete er uns entgegen und von da an hatte ich ihn in mein Herz geschlossen.

Ob BJ Warshaw, einer der beiden Gründer der Band Parts & Labor, auch so cool reagieren würde, wenn ihn Leute als Öko, Müslifresser, oder Bombenleger bezeichneten? Hmm schwer zu sagen, zumindest Latschenträger kann man ihn aber nicht nennen, da an seinen und auch den Füßchen seines Kollegen Dan Friel schicke Sneakers der Marke New Balance hafteten (weiß er eigentlich, daß die von Kinderhänden in Asien für einen Hungerlohn hergestellt werden?). Alle Klischees erfüllte der zottelige Bursche also nicht, aber die Sache mit dem VW Buss stimmte schon, habe ihn selbst draußen auf dem Parkplatz in dem schrammeligen Ding gesehen, als er schon einmal den Rückspiegel auf seine Größe einstellte, um gleich loszubrausen. Neben ihm saß der Asiate innerhalb der Band, der Schlagzeuger Joe Wang. Jener Joe Wang verhielt sich auch während des Konzertes von Parts & Labor genau so, wie man es von Asiaten erwartet: diskret und zurückhaltend. Man sah und bermerkte ihn kaum, obwohl er seine Aufgabe mit Effizienz und Präzision erledigte. Viel auffälliger war da schon die attraktive brünette Gitarristin mit der hautengen Jeans. Sarah Lipstate heißt die Süße und sie gehörte wohl nicht von Anfang an zur Band. Gut, daß sie die engagiert haben, sie gab der ganzen Angelegenheit eine sexy feminine Note! Zugegebenermaßen hefteten meine Augen eigentlich meistens auf ihr, was nicht nur an ihren rehbraunen Bambi- Augen lag, sondern auch ihren tollen Bewegungen. Verblüffend wie sie in schöner Regelmäßigkeit mit dem Rücken einknickte und sich wie ein Flitzebogen spannte. Ein schöner Anblick! Aber wie die beiden anderen Musiker an der Frontlinie auch, fummelte sie immer mal wieder am Boden an irgendwelchen Steckverbindungen, um den elektronischen und stark verzerrten Frickelsound zu erzeugen, der für die Gruppe typisch ist. Dem klassischen noisigen Indierock im Stile von Kultbands wie Pavement oder Sonic Youth mischen die jungen Amerikaner nämlich auch elektronische Elemente bei und kreieren so zum Teil recht experimentelle Noisekeulen, bei denen die Haare der Musiker ob der fulminanten und dynamischen Liveperformance durch die Gegend flogen. Vor allem Dan Friel, der großgewachsene blonde Wuschelkopf in der Mitte, ließ seine Mähne oft wild umher wirbeln (Nur nicht auf dem Photo links...).

Neben den noisigen Monstern gab es aber auch konventionellere, fast popige Lieder, wie z.b. das tolle Nowheres Nigh vom neuen Album Receivers. Schade, daß ich die Songs der 2002 gegründeten Band vorher nicht kannte, sonst hätte ich an dieser Stelle viel mehr zu einzelnen Stücken erzählen können. Ziemlich sicher bin ich mir allerdings, daß The Gold We're Digging gespielt wurde, das mich ein wenig an die Wrens erinnerte. Ohnehin gab es Parallelen zu andernen zeitgenössischen experimentell angehauchten Noisebands wie z.B. Oneida, Deerhoof oder auch Lightning Bolt, aber die Referenzen können lediglich als Einordnung dienen, da jede dieser Bands ihre eigenen experimentellen Spielwiesen hat.

Unter dem Strich war es ein gutes, ein ansprechendes Konzert einer vielversprechenden Band, von der man in diesem Jahr sicher noch lesen wird. Allein schon die Zugabe des heutigen Abends war sehens - und hörenswert, da wurde noch einmal alles, ja wirklich alles, in die Waagschale geworfen! Bleibt abzuwarten, wie viele Fans Parts & Labor in den nächsten Jahren hinzugewinnen können...


Nach der Show von Parts & Labor war erneut ein Päuschen angesagt. Ich bewegte mich mit der Meute Richtung Foyer und sah, daß sich am Merchandising - Stand die Leutchen von Robocop Kraus breitgemacht hatten. Es gab den üblichen Mix aus CDs, T-Shirts und Buttons, spannender war aber die Tatsache, daß plötzlich in vielen Ecken deutsch gesprochen wurde. Die Franken von Robocop Kraus hatten Freude, Freundinnen und Bekannte mit nach Paris geschleppt und so eine kleine teutonische Enklave geschaffen.

Beim Blicken durch die Reihen fiel mir sofort ein großgewachsener Blondschopf mit Schnäuzer und einem - man entschuldige mein hartes Urteil - unsäglich häßlichen mintgrün farbenen Seidenjacket auf. Wer das wohl war? Sein Gesicht sagte mir nichts...

Ich sollte es wenige Minuten später erfahren; es war ganz einfach Thomas Lang, der Sänger der deutschen Band mit den englischen Texten! Ein paar Minuten lang war ich schon ein wenig irritiert von dem scheußlichen Outfit, das mich wahlweise an modische Fehltritte aus den 80 er Jahren oder einen Zirkusdirektor erinnerte. Dann aber überzeugte mich schon sehr bald der schmissige und mit viel Emphase gespielte Sound der Nürnberger. Und Thomas Lang entpuppte sich als äußerst sympathischer, charmanter und intelligenter Mensch, der auch mit beachtlichen Französisch- Kenntnissen aufwarten konnte. Darüber hinaus war er eine wahre Rampensau, ein Hansdampf in allen Gassen und dies obwohl die gesamte Band von einem Grippevirus stark geschwächt war und kurz zuvor zwei Konzerte canceln musste. Augenzwinkernd meinte der Sänger und Gitarrist, daß sie ihren Virus nun mit nach Paris geschleppt hätten und die Zuschauer auufpassen müßten, daß sie sich nicht anstecken. Das kam sympathisch rüber und ich merkte schnell, daß man bei Robocop Kraus bloß nicht alles zu Ernst nehmen sollte, wahrscheinlich war auch das Bühnenoutfit nur ein Gag. Ich erkannte stilistische und humoristische Parallelen zu den Engländern Art Brut, die mit den Franken gut befreundet sind. Insofern kann man Thomas durchaus als die deutsche Antwort auf Eddie Argos bezeichnen und das ist ja nicht das Schlechteste!

Der erste Song, der mich so richtig packte, war Gibraltar. Ein treibendes Stück mit einem markanten Basslauf, einer flotten Orgel und einem wunderschönen Gitarrenpart am Ende. Ein Hit, keine Frage! Das Publikum reagierte entsprechend euphorisch, viele Leute tanzten und bekamen das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht. In der Folge wurde das Set mit jedem Lied dynamischer und schwungvoller. Thomas hatte sich durch seine Hüpferei die Grippe aus dem Körper geschwitzt und musste sich alsbald seines Jackets entledigen. Das Konzert hatte Fahrt aufgenommen, jeder Song wurde nun abgefeiert. Kein Wunder, Lieder die so dermaßen catchy sind und auf Anhieb einschlagen, kriegen ansonsten nur englische Bands hin und diese Tatsache wußte man In Paris zu würdigen! Ohnehin sind Robocop Kraus in französischen Indiekreisen sehr bekannt, sie gehen regelmäßig im schönsten Land der Welt auf Tournee und die Frenchies lieben sie.

Eigentlich unglaublich, daß ich noch über kein einziges Album meiner Landsleute verfüge! Das muß schnell nachgeholt werden, denn wer einmal In Fact Youre Just Fiction gehört hat, bekommt die fetzige, tanzbare Nummer nicht so schnell aus seinen Gehörgängen! Ein Abräumer erster Güte! Das Gleiche gilt für Fake Boys, einem Stück, das Franz Ferdinand nicht tighter hinbekommen hätten!

Ja, es war wahrlich ein stimmungsvoller Abend mit den Bayern in Paris, der performancetechnisch durch den Abstecher von Thomas ins Publikum gekrönt wurde.

Gut gemacht Robocop Kraus! Ihr dürfte sehr gerne wiederkommen! Bis dahin habe ich auch mindestens 3 CDs aus eurem Katalog gekauft und kann noch mehr zu den einzelnen Titeln sagen!




Setlist Robocop Kraus, Mains d'Oeuvres, Saint Ouen bei Paris:

01: Nerv
02: Small Houses Odd Cars
03: You Don't Have To Shout
04: Gibraltar
05: Nihil Disco
06: Bossa Nova
07: Gold
08: Kärcher
09: For Those Who Found A Job
10: U-A-E
11: F + F (In Fact Youre Just Fiction)
12: Hex On Me
13: Stereo

Außerdem wurden wohl auch Gestures Of Slight Grandeur, Fake Boys und You Make The Boy Shy gespielt. Vielen Dank an unsere waschsamen Leser!

- Mehr Fotos von Parts & Labor hier
- Mehr Fotos von Robocop Kraus hier
- Videos Robocop Kraus: Fake Boys live , In Fact Youre Just Fiction




6 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

mmm they also played "Gestures of slight grandeur", "Fake Boys" and "You make the boys shy"...

Oliver Peel hat gesagt…

Thank you! When did they play the songs you mentioned?

I just noted the setlist as it was written on the paper...

(by the way I don't know, which songs they mean with U-A-E, F + F and Nerv...)

Anonym hat gesagt…

"F + F" should have been "In Fact You're Just Fiction", "U-A-E" may be "Automative Man", but I'm not sure about the last one. Quite hard to find out 'cause they invented their internal own names for their songs, I don't have any clue about most of the songs they played on the concert I got a list of ;)

Anonym hat gesagt…

nun, Eddie argos ist wohl eher ie antwort auf thomas lang, denn die robos gibt es wohl schon ein paar jährchen länger. hier übrigens ein sehr superes video aus den alten tagen:

http://www.youtube.com/watch?v=KiCbHCBzrVA

Anonym hat gesagt…
Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.
Christoph hat gesagt…

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